Drang zur Selbstzerstörung

11.09.2003
Beate Wöhe bwoehe@computerpartner.de

Die Stückzahlen im deutschen Notebookmarkt nehmen von Quartal zu Quartal zu, und für das Gesamtjahr wird ein Wachstum von über 20 Prozent prognostiziert. Auch für den Rest des Jahres sind die Auftragsbücher der taiwanesischen Notebook-Produzenten gefüllt wie nie zuvor. Ein traumhaftes Ergebnis, möchte man meinen. Doch mit dem gleichen Tempo des Marktwachstums rauschen die Margen der Hersteller in den Keller.

Diese Entwicklung hat zum Beispiel dazu geführt, dass die Gericom AG sich mit der Produktion von Home-Entertainment-Produkten ein zweites Standbein aufbauen will. Margen, die derzeit so gering seien wie noch nie, hätten zu dieser Entscheidung geführt, erklärt das österreichische Unternehmen, das den Preiskampf vor zwei Jahren entfacht hatte. Fast zeitgleich machen Gerüchte über die Verlegung einiger Toshiba-Werke von Deutschland und den USA nach Taiwan die Runde (siehe Beiträge auf Seite 12).

Die Gier nach Marktanteilen hat den Notebook-Herstellern schon lange den Blick für das Wesentliche vernebelt. Man muss nicht unbedingt BWL studiert haben, um zu wissen, dass zu einem funktionierenden Wirtschaftskreislauf am Ende auch noch ein gesunder Gewinn gehört, der für das Fortbestehen sowie für das Wachstum der Unternehmen und des dazugehörigen Marktes notwendig ist. Diese Rechnung geht jedoch in dem in die Jahre gekommenen Notebook-Markt nicht mehr auf.

Statt die Qualität und die Vorteile ihrer Geräte klar herauszustellen, haben auch die A-Brands den einfacheren Weg über Billigangebote gewählt. Geräte, die mit den Niedrigpreisen mithalten können, werden in immer kürzer werdenden Abständen aus dem Boden gestampft. Nicht nur sich selbst, sondern auch dem qualifizierten Fachhandel haben die A-Brand-Hersteller durch diese Strategie das Verkaufsargument "höherer Preis aufgrund besserer Qualität" genommen. Denn ob Consumer- oder Business-Kunde: Jeder war schon einmal im Retail und hat Preisvergleiche angestellt. Wie oft müssen Fachhändler gegenüber ihren Kunden die Frage aus dem Weg räumen, warum ein Gerät des gleichen Herstellers beim Retailer nebenan um mehrere 100 Euro billiger ist? Gerade im Consumer-Channel ist es inzwischen nicht mehr möglich, anhand eines Preisschildes den Unterschied zwischen einem A- und einem B-Brand-Notebook zu erkennen.

Zudem schieben Endkunden ihre Kaufentscheidung für einen Laptop immer weiter nach hinten. Denn zu dem Preis, den sie heute für ein Notebook mit DVD-CD-RW-Laufwerk bezahlen, werden sie in nur wenigen Wochen ein Gerät mit DVD/RW bekommen. Und da sich Geduld ja bekanntlich auszahlt, werden die Hersteller ihren Kunden auch bei einem Notebook im Midrange- oder sogar im Einstiegssegment bis Ende des Jahres die Centrino-Technologie noch mit draufpacken. Zudem zeichnet sich bis zum Weihnachtsgeschäft aufgrund der steigenden Nachfrage ein Anstieg der Panel-Preise ab, was die Margen noch weiter nach unten ziehen wird. Denn aufgrund des derzeitigen Marktverhaltens der Anbieter ist mit einer Preiserhöhung für Notebooks nicht zu rechnen.

Den Herstellern fehlt einfach der Mut, sich nicht mit jeder Flyer-Preiswelle ein Stück weiter hinunterspülen zu lassen. Überzeugung und Service statt Preiskampf wären der Rettungsring aus diesem Abwärtssog. Im Endkundenbereich scheint dieser Zug jedoch längst abgefahren zu sein und die Billigheimer-Mentalität ihren Einzug gehalten zu haben. Stückzahlen um jeden Preis heißt es beim Absatz über den Retail-Kanal oder über Discounter. Hier sind die Hersteller zugunsten der Erfüllung ihrer auferlegten Forecasts bereits erpressbar und müssen mit homöopathischen Margen vorlieb nehmen.

Die logische Konsequenz daraus wäre eine Konzentration auf das SMB- und Corporate-Geschäft. Gemeinsam mit dem Fachhandel muss mehr Energie darauf verwendet werden, die Produkte zusammen mit Serviceleistungen zu platzieren. Persönliche Beratung, Installation, Reparaturabwicklung oder einfach nur das richtige Einsetzen einer neuen Festplatte innerhalb von wenigen Minuten werden von diesem Kundensegment geschätzt - wenn sie ihnen angeboten werden. Es geht darum, dem Fachhandel Argumente an die Hand zu geben, mit denen er abseits von Preisdiskussionen rund um 1.299 Euro ein vernünftiges Verkaufsgespräch führen kann.

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