Dreistellige Zuwächse bei Umsatz und Gewinn

20.08.1998

Neustadt/Wied: Zum dritten Mal in Folge präsentiert SER Systeme AG ein Rekordergebnis. Der Umsatz des rheinland-pfälzischen Dokumenten-management-(DM)- und Archivierungsspezialisten schnellte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 58,7 Millionen Mark hoch - ein Plus von 200 Prozent gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode (19,5 Millionen). Auch der Gewinn nach Steuern legte im gleichen Zeitraum dreistellig zu: von 2,1 Millionen Mark auf 6,9 Millionen (plus 230 Prozent). SER-Gründer und Vorstand Gert J. Reinhardt stellte sich den Fragen von ComputerPartner.

Die SER Systeme AG gehörte zu den ersten Unternehmen, die 1997 den Börsengang wagten. Welches Fazit ziehen Sie?

Reinhardt: Die Entscheidung, an die Börse zu gehen, kann ich nur als positiv bezeichnen. Es gibt allerdings auch eine negative Begleiterscheinung: Der Neue Markt hat uns stark unter Erfolgszwang gesetzt. Das heißt, die Börse bestimmt auch das Tempo der Unter-nehmen. Das nennt man Self-fulfilling-prophecy.

Sie präsentieren erneut ein Rekordergebnis. Was sind die Gründe für den Erfolg von SER?

Reinhardt: Wir sind relativ früh, das heißt, vor etwa zehn Jahren, mit DMS- und Archivierungsprodukten, die heute in einen sich öffnenden Markt eindringen, angetreten. Auf unsere Erfahrungen können wir aufbauen. Außerdem tragen uns die aus dem Börsengang erzielten finanziellen Mittel nach vorne. SER fährt darüber hinaus eine Politik, die lautet: Deutschland ist schön, aber international ist besser. Heute erzielen wir 40 Prozent unseres Umsatzes im Ausland. Das Gleiche gilt jedoch noch nicht für unsere Erträge. Aber wir werden auch das sicherlich schaffen.

Allein in diesem Jahr hat die SER-Aktie um über 300 Prozent zugelegt. Zum Jahresende könnte der Kurs bei 1.000 Mark liegen.

Reinhardt: Die Kursentwicklung am Neuen Markt ist sicherlich das schwierigste Thema. Fest steht, daß die Kurse die Erwartungen der Anleger für die Zukunft vorwegnehmen. Als wir an die Börse gingen, konnten wir nicht wissen, daß es zu so extremen Bewertungen kommen wird. Wir wissen aber, daß das Abstrafen bei schlechten Ergebnissen dramatisch sein kann.

Der englische Archivierungsspezialist Pafec ist die dritte Akquisition innerhalb eines halben Jahres. Planen Sie weitere Übernahmen?

Reinhardt: Derzeit ist ein deutscher Kandidat in der Pipeline. Diese Übernahme wird die bislang größte sein. Generell sind Akquisitionen in Deutschland schwieriger als im Ausland. Synergien können nur freigesetzt werden, wenn sich Unternehmen perfekt ergänzen und es vorher keine Konkurrenzsituation gab. Ich gehe davon aus, daß wir Anfang Oktober Roß und Reiter nennen können.

Sind Akquisitionen der richtige Weg zu schnellem Wachstum? SAP beispielsweise hält nichts davon.

Reinhardt: SAP ist sicher als Ausnahme zu sehen. Wir können aus uns selbst heraus nicht so schnell wachsen, um im expandierenden DMS-Markt zusätzliche Marktanteile zu besetzen. Unser gegenwärtiger Marktanteil in Frankreich liegt bei 20 Prozent. Wir schafften es, dort unsere Produkte innerhalb eines halben Jahres zu plazieren.

Die Themen Euro und Jahr 2000 heizen den Markt kräftig an. Davon profitiert auch der DMS-Markt. Rechnen Sie nach der Jahrtausendwende mit einer Abflachung?

Reinhardt: Wir sehen das genau umgekehrt. Ab dem Jahr 2001 erwarten wir, daß der DMS-Markt deutlich zulegt. Bis dahin haben wir ausreichend Zeit, uns weiter zu positionieren.

Mit welchen Problemen kämpfen Sie bei dem derzeit schnellen Wachstum?

Reinhardt: Die Situation nach dem Börsengang ist für alle Beteiligten ungewöhnlich. Viele Mitarbeiter fragen sich aufgrund der Medienresonanz: "Sind wir das?" Es gibt zwei Lager. Während die einen sehr motiviert sind, sehen andere die momentane Entwicklung skeptisch und haben Identifikationsprobleme. Auch unsere bisherigen Kunden haben hohe Erwartungen. Alles soll besser und preiswerter werden. Das Daily-business ist jedoch dasselbe wie vor dem Börsengang. Wir leben zur Zeit in einem Spannungsfeld.

Wo steht Ihr Unternehmen im Jahr 2000?

Reinhardt: Ursprünglich planten wir im Jahr 2000 mit 850 Mitarbeitern einen Umsatzsprung auf 300 Millionen Mark. Heute lautet der aktuelle Stand: 400 Millionen Mark Umsatz mit 1.000 Beschäftigten. Sowohl in diesem Geschäftsjahr als auch 1999 werden wir unsere Prognosen dramatisch übertreffen.

(Das Interview führte Andrea Goder.)

Zur Startseite