DSW-Geschäftsführer warnt vor heftigen Kursverwerfungen

23.07.1998

Neuer Markt droht jetzt die Abkühlung

DÜSSSELDORF: Börsenspezialisten halten einzelne Unternehmen am Neuen Markt derzeit für überbewertet. Angesichts der bevorstehenden Bekanntgabe ihrer Halbjahresergebnisse schließt Ulrich Hocker, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), "heftige Kursverwerfungen" nicht aus.

"Dem Neuen Markt schlägt bald die Stunde der Wahrheit", warnt Hocker angesichts der Faszination, die unvermindert von diesem Börsensegment auf Unternehmen wie Anleger ausgeht. Durch die jetzt bevorstehende Bekanntgabe der Halbjahresergebnisse könnte so mancher Börsen-Highflyer jedoch ernsthaft in die Bredouille geraten, warnen Börsenexperten. Vor allem dann, wenn sich herausstellt, daß die erzielten Geschäftsergebnisse der aktuellen Börsenbewertung hinterherhinken.

Aufgrund der hohen Nachfrage und der geringen Stückzahl von Aktien, die in der Regel ausgegeben werden, klafft zwischen Ausgabepreis und Erstnotiz nach wie vor eine große Lücke. Empfindliche Kurseinbrüche einzelner Titel könnten jetzt die Folge sein. "Es werden sicherlich einzelne Werte, die keine Plansicherheit bewiesen haben, einstürzen", ist sich Börsenfachmann Hocker sicher. Und das könnte gravierende Folgen haben. "Sollte eines der neuemittierten Unternehmen in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten, würden das auch andere Unternehmen zu spüren bekommen."

Schwarze Schafe gefährden auch andere Unternehmen

Hocker rät deshalb grundsätzlich, daß nur Unternehmen, die über eine solide finanzielle Basis verfügen, den Börsengang wagen sollten. Gleichzeitig appelliert er an die Emissionshäuser und an die Deutsche Börse, "keine schwarzen Schafe zuzulassen, da in diesem Fall die Gefahr, daß ein Unternehmen strandet, sehr groß ist". Insbesondere Banken kommt hier eine Prüfungspflicht zu.

Um größere Kursturbulenzen zu verhindern, sollte die Deutsche Börse laut Hocker dazu übergehen, die Kurse ab einer Schwankungsbreite von fünf Prozent auszusetzen. Große Kursausschläge wird es allerdings auch in Zukunft geben, solange der Neue Markt so eng bleibt wie bisher. "Insgesamt sind die Emissionen von der Stückzahl her zu klein", erklärt der DSW-Hauptgeschäftsführer.

"Viele Börsenaspiranten leben zudem von der Art der Ankündigung", lautet Hockers Kritik an jenen Unternehmen, die den Börsengang als Werbefeldzug nutzen. Aufwendige Medienkampagnen sollen dabei private und institutionelle Anleger auf die Newcomer aufmerksam machen.

Gefahr droht einzelnen Werten auf dem Frankfurter Kurszettel jedoch auch von den Medien selbst. Börsengurus wie beispielsweise Egbert Prior in der Sendung "3Sat-Börse" gäben, wie Finanzexperten kritisieren, unverantwortliche Empfehlungen. Sie "peitschen somit potentielle Anleger auf", beklagt Hocker.

Nicht Unlimitiert Ordern

Gleichzeitig appelliert der Börsenexperte aber auch an die Mentalität der Anleger, bei Aktienkäufen vorsichtiger als bisher zu agieren. Und das heißt vor allem: keine unlimitierten Orders geben (siehe Kasten links). Aufgrund hoher Gewinne, die am Neuen Markt gemacht wurden, geht von diesem Börsensegment immer noch eine große Attraktion auf Anwender aus. Das Wort "Zockerbörse" macht bei Kritikern längst die Runde.

Hocker hofft indes, daß durch die bevorstehende Zahl von Neuemissionen auch am Neuen Markt so nach und nach der Börsenalltag einkehrt. Bereits die letzten Neuemissionen sind ein Indiz, daß sich die überhitzte High-tech-Börse abzukühlen beginnt. Für die zweite Jahreshälfte 1998 haben 30 Unternehmen ihr Going Public bekanntgegeben. Darunter High-tech-Firmen wie Ixos, PSI, Heyde & Partner, IDS und Utimaco Safeware. (god)

DSW-Geschäftsführer Ulrich Hocker: "Es werden sicher einzelne Werte, die keine Plansicherheit bewiesen haben, einstürzen."

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