Ebay: "Alle zwei Minuten wird bei uns ein PC-System verkauft"

09.10.2003
Der Erfolg des E-Commerce-Vorzeigeunternehmens scheint ungebrochen. Immer mehr Menschen kaufen und verkaufen dort ihre Waren. Doch der professionelle Handel bleibt dem virtuellen Marktplatz fern. 95 Prozent aller Verkäufe finden zwischen Privatpersonen statt. Das soll sich über kurz oder lang ändern.

"In Amerika verdienen bereits 150.000 Menschen ihr Geld mit dem Handel bei Ebay. Wir gehen davon aus, dass mehr als 10.000 Menschen in Deutschland mit Ebay ihren Lebensunterhalt verdienen." Philipp Justus, Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschland-Ablegers von Ebay ist stolz darauf, dass sich das weltweit größte Internetauktionshaus mittlerweile zu einer echten Jobmaschine entwickelt hat - nur wissen tut es kaum jemand. Doch das soll sich ändern. Am 27 September 2003 fand im Berliner Tempodrom mit der "Ebay Live!" der erste öffentliche Auftritt des sonst nur virtuell in Erscheinung tretenden Handelshauses statt. Rund 2.500 deutsche Ebayaner - wie sich die Anhängerschaft selbst tituliert - waren angereist. Dort wollte man seinesgleichen treffen, sich informieren, im besten Fall einen der begehrten Sitzplätze für eines der 50 angebotenen Seminare ergattern oder den stets froh gelaunten anwesenden Ebay-Mitarbeitern Löcher in den Bauch fragen, die sich bis tief in die Nacht fast liebevoll um ihre Community kümmerte. "Die hohe Besucherzahl ist ein deutlicher Hinweis darauf, wie wichtig es ist, dass wir das Internet ab und an verlassen sollten, um den persönlichen Kontakt herzustellen. Ich weiß, wie sehr Sie sich das wünschen", ruft Justus der versammelten Ebayaner-Schar zu. Im Mutterland USA gibt es derartige Veranstaltungen schon länger. Erst im Frühjahr 2003 pilgerten weit über 10.000 Mitglieder nach Orlando zur diesjährigen "Ebay Live!"

Weltweit rund 75 Millionen registrierte Käufer und Verkäufer hat die E-Commerce-Company in ihrer Mitgliederdatenbank, die alleine im zweiten Kalenderviertel 2003 Waren und Dienstleistungen im Wert von 5,6 Milliarden Dollar angeboten und erworben haben. 225 Millionen Artikel wurden in diesem Zeitraum zum Verkauf angeboten. Das entspricht einem Handelsumsatz von 716 Dollar pro Sekunde. Das Unternehmen verdient dabei an jeder Transaktion gleich doppelt: Pro Angebot wird eine Gebühr, die in Deutschland je nach Artikel zwischen 0,25 und 4,80 Euro liegt, verlangt. Wird das angebotene Gut erfolgreich versteigert oder zum Festpreis verkauft, ist zudem eine Provision in Höhe von zwei bis fünf Prozent fällig. Diese Einnahmen werden Ebay aller Voraussicht nach im Jahr 2003 einen Handelsumsatz von weit über 20 Milliarden Dollar bescheren, annähernd doppelt so viel wie noch ein Jahr zuvor.

"Wir sind ein alternativer Vertriebskanal"

Mittlerweile in 27 Ländern vertreten, hat sich Deutschland nach den USA zum zweitgrößten Online-Marktplatz gemausert. 14 Millionen Besucher tummeln sich dort, um Produkte zu kaufen oder zu verkaufen. Die Masse des Geschäfts sind Transaktionen von Privatanwendern und kleinen Gewerbetreibenden. Bei gerade mal fünf Prozent liegt nach Aussagen von Ebay der Anteil an professionellen Händlern oder Herstellern, die ihre Ware dort feilhalten. Oliver Rippel, Senior Manager für die Kategorie "Computer" - nach der Sparte "Automobile" übrigens jene mit dem zweitstärksten Umsatz - sind fünf Prozent eindeutig zu wenig. Er hat sich zum Ziel gesetzt, mehr professionelle IT-Händler Ebay schmackhaft zu machen. "Vielen ist nicht klar, dass Ebay ein zusätzlicher, alternativer und gerade deswegen Ernst zu nehmender Vertriebskanal ist", so Rippel gegenüber ComputerPartner. Ebay sei dabei aber nicht nur als reine Auktionsplattform zu sehen, meint Rippel. "Es ist auch ein gutes Tool für Händler. Denn hier kann man sofort herausbekommen, ob die eigene Preisgestaltung marktgerecht ist." Zudem gibt es seit einiger Zeit die Möglichkeit, Produkte nicht zu versteigern, sondern zu einem festen Preis zu verkaufen. Eine weitere Variante ist der Sofortkauf. Schlägt der Käufer zu diesem Preis zu, ist der Artikel verkauft; gibt er hingegen ein Angebot ab, startet eine herkömmliche Auktion. "Mittlerweile macht der Verkauf zum Festpreis in dieser Kategorie über 25 Prozent aus", weiß der Ebay-Manager zu berichten. Vor allem die derzeit begehrten Produkte wie WLAN-Komponenten, TFT-Bildschirme, PCs und Digitalkameras werden zusehends zum Fixpreis angeboten - sofern es sich um Neuware handelt. Gebrauchtwaren werden tendenziell eher versteigert. "Wer bei Ebay professionell Geschäfte machen will, muss bereit sein zu lernen. Erfolgreiche Händler wissen, welcher Mix aus den verschiedenen Angebotsmöglichkeiten ein Optimum an Marge verspricht. Das kann von Produktkategorie zu Produktkategorie völlig anders sein", klärt Rippel auf.

Ladengeschäft war Flop

Einer, der den Dreh offensichtlich raus hat, ist Björn Blum, Geschäftsführer der B&B Computer Trading GmbH in Neuberg nahe Frankfurt. Blum, bei Ebay unter seinem Pseudonym "trading_de" unterwegs, ist seit Anfang der 90er Jahre Computerhändler. Er ist einer jener IT-Wiederverkäufer, der Auktionen sehr früh als zusätzlichen Vertriebskanal für sich entdeckt hat. Der gelernte Bankkaufmann fing irgendwann damit an, ausrangierte Rechner, Drucker, Monitore sowie mittlere Datentechnik seines Arbeitgebers zu kaufen, auf Vordermann zu bringen und frisch aufpoliert als Gebrauchtware wieder zu verkaufen. Blum versuchte es zunächst mit einem Ladengeschäft. Allerdings erwies sich die 5.000-Seelen-Gemeinde Neuberg nicht unbedingt als geeigneter Standort, um großartige Geschäfte zu machen. "Das ging mächtig in die Hose. Die PCs stapelten sich bis unter die Decke", erinnert sich Blum. "Irgendwann habe ich dann mal versucht, Ware über Ebay in den USA zu versteigern. In Deutschland gab es die noch gar nicht. Ich war total überrascht: Auf Anhieb ging die Ware weg", schwärmt der Hesse. Die nächsten Versuche startete Blums Truppe, die mittlerweile aus 16 freien und 4 festen Mitarbeitern besteht, dann im virtuellen Auktionshaus Allando.de. Es wurde später von Ebay übernommen und war Keimzelle für das Deutschland-Geschäft. "Bei Allando haben wir über 1.000 PCs verkauft", erzählt Blum. Und plötzlich zog auch das Ladengeschäft an. Mundpropaganda, da ist sich der Dreißigjährige ganz sicher, sei der Auslöser dafür gewesen. "Wir haben uns einen guten Namen gemacht. Jetzt nehmen Kunden 60 bis 70 Kilometer Anfahrt auf sich."

Mittlerweile ist "trading_de" bei Ebay zum Powerseller aufgestiegen. Um diesen Status zu erlangen und damit am Partnerprogramm von Ebay teilzuhaben, müssen folgende drei Kriterien erfüllt sein:

- Das Handelsvolumen über Ebay muss in den letzten drei Monaten bei 3.000 (Bronze), 10.000 (Silber), 25.000 (Gold) beziehungsweise 150.000 Euro für den Platin-Status gelegen haben.

- Minimum 100 Bewertungen seitens der Käufer; zudem muss die Zahl die positiven Bewertungen ständig oberhalb der 98-Prozent-Marke liegen, sonst geht der Status verloren.

- Durchschnittlich und dauerhaft müssen mindestens vier erfolgreiche Verkäufe in den letzten drei Monaten vorgewiesen werden.

Problemkunden gibt es immer

Für Blum mit seinen weit über 5.000 Bewertungen ist das keine große Herausforderung. Lediglich die 98-Prozent-Marke macht immer wieder Probleme. Denn ab und an "drückt" ihm ein Käufer eine negative Bewertung rein. "Das ist umso ärgerlicher, weil die sich vor Abgabe der Bewertung nicht mal die Mühe machen, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Dabei bieten wir 14 Tage volles Umtauschrecht ohne Angabe von Gründen an", schüttelt Blum den Kopf. Diesen Ärger sei er aber gewohnt. Manchmal kommt es sogar noch schlimmer. Erst neulich flatterte ihm ein Rechtanwaltsschreiben ins Haus. Ein Käufer moniert, dass eine gebrauchte Tastatur nicht zufrieden stellend gereinigt ist und droht mit dem Kadi. Streitwert: 7,50 Euro. "Daran muss man sich gewöhnen", zuckt Blum die Schultern. Immerhin weiß er, dass es den Kollegen ähnlich ergeht. "Ich kenne keinen Powerseller, der kein Verfahren am Hals hat", will er wissen. Trotzdem ist Blum sehr zufrieden mit Ebay. "Für Verbesserungsvorschläge haben die immer ein offenes Ohr und setzen sie sehr schnell um", lobt Blum den Ebay-Support. Rund 150 "Produktverbesserungen" - wie Ebay es nennt - werden pro Monat eingepflegt.

Auch würde das Unternehmen viel dafür tun, um die Marke Ebay in aller Munde zu bringen, schwärmt Blum. Und tatsächlich gibt es im Internet kaum eine bekannte Website ohne Ebay-Werbung. "Wir sind der deutsche Meister der Internetwerbung", tönt denn auch Ebay-Deutschland-Chef Justus. Schon bald wird die Marketingmaschine weiter aufheulen. Dann werden erstmals Werbespots im Fernseher laufen.

Dialog mit Fachhandel gesucht

Ständiger Gesprächsstoff unter den Ebayanern ist das Thema Sicherheit. Immer wieder werden Betrugsfälle bekannt. Das schürt die Verunsicherung bei den Mitgliedern. Zwar wird Ebay nicht müde herauszukehren, dass Hunderte von Angestellten permanent über die Auktionen wachen, doch verhindern können sie die gelegentliche Abzocke bis dato nicht. Einen Schritt in Richtung mehr Vertrauenswürdigkeit glaubt Ebay mit der kürzlich begonnenen Zusammenarbeit mit der Schufa gegangen zu sein. Jetzt wird immerhin die Identität der Mitglieder überprüft. Eine Kontrolle der Kreditwürdigkeit sei aber nicht Bestandteil der eingeholten Auskünfte, betont die E-Commerce-Unternehmung. Konkrete Zahlen über Betrügereien bei Ebay hält die Company eisern unter Verschluss. Die Betrugsrate liege unter einem Prozent, heißt es offiziell.

Für Rippel dennoch weiterer Ansporn, die Zahl der professionellen Händler, die über Ebay ihre Produkte verkaufen, zu steigern. Auch auf der Systems sucht er im Fachhandelsbereich "Dealers only" die persönlichen Gespräche. Mehr Auftrieb soll im Zuge der "Händleroffensive" auch die Kategorie Großhandel im Ebay-Bereich "Business und Industrie" erhalten, die ehemals unter dem Namen "Ebay Pro" gestartet war. Hier sollen die IT-Händler künftig verstärkt Einkaufsquellen für Produkte finden. Bis jetzt sind Angebote von Distributoren aber Mangelware. Vielmehr sind dort palettenweise Restposten, Ramsch und Konkursware zu finden. Doch Rippel bleibt optimistisch: "Wenn wir erst mal die Händler an Bord haben, werden die Distributoren nachziehen. Das ist eine ganz logische Konsequenz."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8. (cm)

Seminare für Verkäufer

Großer Beliebtheit erfreuen sich mittlerweile die Schulungsangebote des Auktionshauses. Im Rahmen von "Ebay-Workshops" oder der "Ebay-University" tingelt das Unternehmen inzwischen durch ganz Deutschland und schlägt in zahlreichen Städten tageweise seine Zelte auf. Dort können sich vor allem professionelle Verkäufer weiterbilden. Geboten werden in den chronisch ausgebuchten Seminaren Vorträge zu Themen wie "Rechtliche Grundlagen beim Handel mit Ebay" (Fernabsatzgesetz, Gewährleistungs- und Kaufvertragsrecht et cetera), "Steuerliche Pflichten der Verkäufer" oder "Professionelles Verkaufen". (cm)

www.ebay.de/trainingscenter/

Ebay in Zahlen

Laut einer Erhebung der Rating-Agentur Nielsen fanden sich im Zeitraum Juli 2003 knapp 14,5 Millionen verschiedene Besucher auf der Auktionsplattform Ebay.de ein, um dort in den rund zwei Millionen ständig verfügbaren Angeboten zu stöbern. Die durchschnittliche Nutzungsdauer "pro Kopf" lag bei über 125 Minuten. Etwa 50 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland besuchen mindestens einmal im Monat die Website.

Die Kategorie "Computer" ist in Sachen Handelsumsatz der zweitstärkste Bereich des virtuellen Auktionshauses.

- Rund 145.000 Artikel werden dort ständig angeboten;

- alle zwei Minuten wird ein PC-System verkauft;

- ebenfalls alle zwei Minuten ein Notebook;

- alle 20 Minuten ein TFT-Monitor.

In der Kategorie "Handy, PDA & Telefone"

- befinden sich ständig etwa 135.000 Artikel;

- wird alle 30 Sekunden ein Handy ohne Vertrag verkauft;

- wechselt alle zwei Minuten ein PDA den Besitzer.

Das Handelsvolumen auf dem deutschen Ebay-Marktplatz lag im vierten Quartal 2002 bei rund einer Milliarde Dollar; für 2003 werden etwa sechs Milliarden Dollar erwartet. Weltweit lag diese Zahl im Jahr 2002 bei 14,9 Milliarden Dollar, in der ersten Jahreshälfte 2003 bereits bei knapp elf Milliarden Dollar. Das entspricht einem Handelsvolumen von 716 Dollar pro Sekunde.

Der teuerste Artikel, der je über Ebay versteigert wurde, war ein Gulfstream Düsenjet, der nach 97 Angebotsabgaben zum Preis von 4,9 Millionen Dollar unter den Hammer kam. (cm)

pages.ebay.de/community/aboutebay/

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