ECS-Chef Bellmann, seine Pläne und die "Gnade der späten Geburt"

19.04.2001
Mit der Gründung von vier neuen Tochtergesellschaften rückte die ECS AG schlagartig ins Interesse der Branche. Im Gespräch mit ComputerPartner erläutert Firmenchef Bernhard Bellmann die Neupositionierung des Unternehmens.

Eigentlich", meint Bernhard Bellmann, "eigentlich hat das, was wir in Zukunft tun werden, nur noch wenig mit klassischem Systemhausgeschäft zu tun. Wir gehen mehr in Richtung Unternehmens- und Organisationsberatung." Der Vorstandsvorsitzende der ECS AG baut sein Unternehmen um. Doch im Gegensatz zu früher, als Bellmann im Porsche-Team Rennen fuhr, lässt er sich Zeit. Revolutionen sind seine Sache nicht. Zwar macht ECS derzeit noch den Großteil des Umsatzes mit dem Handelsgeschäft - 75 bis 80 Prozent, meint Bellmann -, aber ein Ende ist in Sicht. "Ich gehe davon aus, dass wir in zwei bis drei Jahren das Handelsgeschäft nur noch vermitteln", sagt er in seinem Hamburger Büro direkt am Wasser, dort wo es sogar einen McDonald’s-Drive-in für Boote gibt. Schon in diesem Jahr plant der ECS-Chef, die Logistik aus dem Unternehmen herauszunehmen; dazu will er ein Joint-Venture mit einem Logistik-Dienstleister bilden.

Im Handelsgeschäft sieht Bellmann für sein Unternehmen keine Zukunft. Hier braucht man Volumen, und die 75 Millionen Mark Umsatz, die ECS erwirtschaftet, sind im Vergleich zu Schwergewichten wie Compunet, Debis PCM, M+S und Bechtle einfach zu wenig.

Heute ist er froh, dass das Projekt, mit vier anderen Systemhäusern vor dreieinhalb Jahren zu fusionieren und im Konzert der großen Handelssystemhäuser mitzuspielen, gescheitert ist. "Das ist unsere Gnade der späten Geburt", schmunzelt er. "Das Problem der Systemhäuser ist ja seit Jahren, dass viele von der Hand in den Mund leben", erklärt er. Damals, nach dem geplatzten Traum vom Big Player, musste er sich neu orientieren und dem Unternehmen eine neue Perspektive geben. Die glaubt er jetzt gefunden zu haben. Die "neue" ECS AG steht auf vier Säulen:

1. "Desaster Recovery Systeme": Dabei handelt es sich um eine Dienstleistung zur Datenwiederherstellung, vor allem beim "Super-Gau" (Bellmann). Dieser Service existiert bereits seit gut zwei Jahren und soll bundesweit ausgebaut werden.

2. Asset Management: Hier greift ECS auf eine eigene Software zurück, mittels derer sich eine komplette Hard- und Software-Inventur durchführen lässt. Ein Riesen-Thema bei vielen Firmen. ECS hat Fälle erlebt, in denen zwischen der buchhalterischen Inventur und der physikalischen Präsenz von Produkten bis zu 35 Prozent Differenz lag.

3. SAP R/3-Basisgeschäft: Hier beschränken sich die Hamburger auf die Systemintegration und technische Dienstleistungen.

4. "Cost Cutting Solutions": Der sicherlich interessanteste Bereich. Mittels der eigenen Software "Spider" identifiziert ECS auf Basis der Auswertung vieler Daten Einsparpotenziale in den Unternehmen.

Ein Beispiel für "Cost Cutting Solution": Bekanntlich machen unter einer Total-Cost-of-Ownership-Berechnung (TCO) die Anschaffungskosten rund 20 und die Folgekosten (Administration, Wartung et cetera) 80 Prozent aus. "Wir analysieren, wie sich diese 80 Prozent zusammensetzen und wie man sie drücken kann", erklärt Bellmann. Also ein klarer Vorteil für den Kunden. Damit dieser Prozess funktioniert, muss der Kunde allerdings bestimmte interne Strukturen schaffen und die interpretierbaren Daten liefern. Dabei greifen die Experten von ECS ihm natürlich hilfreich unter die Arme.

Bellmann sieht sich mit seiner "Cost Cutting Solution"-Dienstleistung vor allem im Wettbewerb zu CA Computer Associates mit dem Produkt "Unicenter". Der wesentliche Unterschied liegt im Preis. Wenn man Bellmann glauben will, dann zahlen die ECS-Kunden nur einen Bruchteil dessen, was sie für CA-Unicenter auf den Tisch legen müssen: "Bei uns zahlen Sie nur 10 bis 15 Prozent der CA-Preisliste", sagt Bellmann.

Mit diesem Vier-Säulen-Programm glaubt der Hamburger Unternehmer fest im Markt zu stehen. Für die Neupositionierung hat er, wie er sagt, die volle Rückendeckung der Beteiligungsgesellschaft für die deutsche Wirtschaft (BDW), die seit August vergangenen Jahres 43 Prozent der ECS-Anteile hält. Die restlichen Anteile liegen beim Firmenchef (36 Prozent) und Mitarbeitern.

Auch die vier neuen Tochterfirmen in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und München (siehe Kasten auf dieser Seite) sollen die "neue" ECS repräsentieren. Kein Problem damit, dass die vier "Regionalfürsten" von M+S kommen, einem Systemhaus mit hohem Handelsanteil? "Nein, die sehen die Entwicklung des Systemhausgeschäfts ähnlich kritisch wie wir. Deshalb sind sie ja auch zu uns gekommen", meint Bellmann. Bereits 20 bis 30 Millionen Mark Umsatz sollen die vier neuen ECS-Standorte im Geschäftsjahr 2001/02 bringen. Der geplante Gesamtumsatz liegt bei rund 100 Millionen Mark.

Einen Börsengang schließen die Hamburger vorerst aus. "Deshalb haben wir uns für eine deutsche Beteiligungsgesellschaft entschieden. Die angelsächsischen VC-Companies wollen immer sehr schnell wieder raus, so nach zwölf bis 36 Monaten. Das Engagement der deutschen ist langfristiger angelegt", erläutert er.

www.ecs-ag.de

ComputerPartner-Meinung:

ECS-Chef Bellmann hat einen Plan, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll. Das ist schon einmal ein Pluspunkt. Die Strategie, die er verfolgt, klingt schlüssig und ist nachvollziehbar. Natürlich: Auch in den Geschäftsfeldern, in denen sich ECS zukünftig positioniert, gibt es keine Insel der Seligen, auch dort herrscht Wettbewerb und Konkurrenzdruck. Aber Unternehmen, die qualitativ hochwertige Leistungen erbringen und ihre Kunden gut behandeln, haben immer eine gute Chance. Das entscheidende Moment wird auch für ECS-Chef Bellmann darin bestehen, die entsprechenden guten Mitarbeiter zu finden. (sic)

KEINE WEITEREN STANDORTE IN DIESEM JAHR

ECS AG: vier neue Tochterfirmen am Start

Wie von ComputerPartner berichtet (Ausgabe 11/01, Seite 12), hat die ECS AG zum 1. April vier neue Standorte erschlossen. Dabei handelt es sich um Tochtergesellschaften, die unter "ECS Enterprise Consulting Solution GmbH" und der jeweiligen Ortsbezeichnung firmieren und an denen die Geschäftsführer mit jeweils 49 Prozent beteiligt sind. Die übrigen 51 Prozent hält die ECS AG in Hamburg.

Die Tochtergesellschaften werden von den ehemaligen M+S-Niederlassungsleitern Michael Wick (Berlin), Uwe Pies (Düsseldorf), Jacques Diaz (Frankfurt) und Marco Knöpp (München) geleitet.

Zur Zeit ist in den neuen Büros erst einmal eine Startmannschaft an Bord, die Personalplanung sieht für jede Tochterfirma im eingeschwungenen Zustand eine Stärke von 15 bis 20 Mitarbeitern vor, vor allem Systemberater und Consultants.

Weitere Standorte sind nach Angaben von ECS-Chef Bernhard Bellmann in diesem Jahr nicht geplant. "Mit unseren fünf Standorten haben wir 75 Prozent der für uns wichtigen Entscheider im Zugriff", erklärt er.

Nach der Veröffentlichung in ComputerPartner über seine Expansionspläne hatte Bellmann zahlreiche Anfragen von Systemhausgeschäftsführern erhalten, die ihm ihr Unternehmen verkaufen oder mit ihm kooperieren wollten. Ihnen allen musste der Hamburger eine Absage erteilen. "Es ist schwierig, unser Thema in ein bestehendes Systemhaus hineinzutragen", erklärt er. (sic)

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