Edutainment-Software: (k)ein Buch mit sieben Siegeln

30.03.2000
Kinder- und Lern-Software boomt. Doch wie erkennt man, welche Titel für das eigene Sortiment taugen? Jürgen Thierig*gibt Einblicke in den Markt.

Immer mehr Erwachsene, die aus gutem Grund seit Jahren mit dem Computer auf Kriegsfuß stehen, kaufen heute einen PC - der Kinder wegen. Denn längst hat sich Kinder- und Lern-Software in Deutschland fest im Markt verankert und gilt auch als Verkaufsargument. Längst ist der Computer, das ist allen Eltern und Pädagogen klar geworden, durch Software und Internet ein wichtiges Hilfsmittel für Schule, Studium und Beruf. Der Computer hat sich verändert: Früher sprach man vom "Rechner" als einem Gerät, mit dem der Laie nicht viel mehr machen konnte als Briefe zu schreiben. Durch den Einsatz von Lern-Software, Referenzwerken (bei- spielsweise die Enzyklopädie "En-carta" von Microsoft) und durch das Internet mit all seinen reichhaltigen Angeboten hat der Computer seit geraumer Zeit die Rolle des Informationsvermittlers eingenommen. Damit ist der Computer heute so wichtig wie ein Lexikon oder ein Fernseher.

Wie man die richtige Software erkennt

Viele Eltern suchen nun die "richtige" Software. Pädagogisch sinnvoll soll sie sein, was in den Köpfen der meisten bedeutet: Bloß kein Ballerspiel. Wie erkennt man aber eine solche Software, und wie kann die Kundenbindung so stark vorangetrieben werden, dass Kunden auch nach dem Computerkauf immer wieder ins Geschäft kommen, weil sie auch für das "Futter" kompetente Beratung erfahren? Bei kaum einem Produkt entsteht beim Käufer so massiv der Eindruck, die Katze im Sack zu kaufen, wie bei CD-ROMs. In den seltensten Fällen besteht die Möglichkeit, sich vor dem Gang zur Kasse den Titel am Computer anzusehen. Und wenn es eine Vorführstation gibt, ist der eher unerfahrene Kunde nach Ansicht von drei Titeln vollends verwirrt. Insofern wird es zunehmend wichtiger, Kriterien zu kennen, die eine sinnvolle Sondierung ermöglichen.

Wenig logisch ist dabei, die komplette Palette aller Produkte anbieten zu wollen. Vielmehr sollte die Auswahl durchdacht sein und den Kunden überzeugen. Ein Sortiment, das nur die "Musts" der großen Markenhersteller präsentiert, bringt ebenso wenig langfristigen Erfolg wie eines, das sich nur den Kleinstverlagen zuwendet. Hilfreich bei der Einschätzung eines Produktes ist ganz sicher das Betrachten des Herstellerprofils und der Produktpalette. Letztendlich wird hierüber eine Strategie erkennbar, ob es sich um einen Anbieter handelt, der eine gewisse Spezialisierung vorweisen kann oder nur durch Quantität auffällt. Für die objektive Beurteilung einer Software bleibt natürlich nur, sie sich tatsächlich anzusehen. Ruhig auch zu Hause mit den eigenen Kindern.

Oftmals sind schon die Installation und Einführung ins Programm Faktoren, die klar machen, ob die Macher ein schlüssiges Gesamtkonzept vorweisen können. Gerade im Bereich der Kinder-Software werden zu häufig Fehler gemacht und Dinge vorausgesetzt, die von der eigentlichen Benutzerklientel - den Kindern - nicht erfüllt werden können. So kann von keinem Vierjährigen erwartet werden, dass er die englischsprachige "Quicktime For Windows"-Installation alleine hinbekommt.

Die Kinder müssen neugierig gemacht werden

Ausschlaggebend für Spaß und Lernerfolg ist neben einer ansprechenden Grafik auch die Identifikation mit Spielfigur und Handlung. Nichts ist abschreckender als eine wirre Handlung, bei der kein Spielziel erkennbar ist und Figuren herumspazieren, die mit verstellten Fistelstimmen von Erwachsenen alles andere als überzeugend wirken. Ein Spielziel motiviert Kinder. Die Handlung muss Neugier bei den Kindern erzeugen. Diese kann Kinder auch dazu bringen, beispielsweise über einen längeren Zeitraum in die Geschichte eingebaute Mathematikaufgaben zu lösen.

Für die Atmosphäre einer Kinder-Software sollte ein Gleichmaß an guter Illustration, Musik und sinnvollen Animationen Bedingung sein. Ein pädagogisches Konzept ist sicher vonnöten, aber auch hier ist ein kindgerechter Ansatz wichtig. Im Grunde entscheidet der Spaßfaktor, ob die Kinder die CD-ROM wirklich spielen. Denn bei aller Pädagogik nützt niemandem eine staubtrockene Lern-Software, die nach wenigen Klicks in der Ecke landet.

CD-ROMs sind nonlinear. Das heißt, es gibt, anders als beim Buch, keine feste Reihenfolge. Alle Wege führen zum Ziel. Wenn das Produkt linear ist, und das Kind eine Aufgabe nicht lösen kann, wird es nie weiterkommen. Werden Fehler erklärt und wird der richtige Lösungsweg aufgezeigt, ergibt sich gleichzeitig auch ein Lernerfolg.

Auszeichnungen sind absatzfördernd

Hilfreich bei der Auswahl ist auch, darauf zu achten, ob der Titel mit einem namhaften Multimediapreis ausgezeichnet wurde. Eine wichtige Hilfe dazu gibt Thomas Feibels "Großer Kinder-Software Ratgeber", der jährlich 500 Programme kritisch unter die Lupe nimmt und bewertet. Darüber hinaus verleiht die Zeitschrift "Eltern for family" seit 1999 die "Giga-Maus" an empfehlenswerte Software-Produkte. International stehen der britische "Bafta-Award" sowie der "Bologna New Media Price", der auf der Kinderbuchmesse in Bologna vergeben wird, und der "Milia d’Or", der im Rahmen der gerade beendeten Multimediamesse Milia in Cannes verliehen wird, für Qualität im Bereich Multimedia.

*Jürgen Thierig ist geschäftsführender Gesellschafter der Tivola GmbH in Berlin, eines Spezialisten im Bereich Edutainment-Software.

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