Ehemalige Fujitsu-Siemens-Manager bauen Systemhaus M+S um

22.03.2001
Das fast 30 Jahre alte Systemhaus M+S richtet sich neu aus. Aus einem "PC-Kistenschieber" soll der führende ITK-Dienstleister in Deutschland werden. Dass diese Neuorientierung nicht bei allen M+S-Mitarbeitern auf Beifall stößt, verwundert nicht.

Bernd Puschendorf und Joseph Reger sind angetreten, das Systemhaus M+S AG in Niedernberg fit für die Zukunft zu machen. In einem internen, zwölfseitigen Strategiepapier, das ComputerPartner vorliegt, haben die beiden ehemaligen Fujitsu-Siemens-Manager ihre Vorstellung schriftlich fixiert. Und weil die Vorstandskollegen und der Aufsicht-rat die Ideen abgenickt haben, folgt nun Phase 2: die Umsetzung.

Das Ziel: M+S soll nicht weniger als "der profitabelste ITK-Dienstleister der Branche werden", wie M+S-Vertriebsvorstand Puschendorf vergangene Woche in München erklärte. Innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre will er die Umsatzrendite vor Steuern auf mehr als zehn Prozent steigern. Das entspräche bei einem Zielumsatz von 2,6 Millionen Mark im Jahr 2004 einem Gewinn von immerhin 260 Millionen Mark und mehr.

Zum Vergleich: Im Geschäftsjahr 1999/2000 (30.4.) lag das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit bei 26,1 Millionen Mark, die Umsatzrendite betrug rund 2,7 Prozent.

Neudefinition des Unternehmens

In dem Strategiepapier erklärt der M+S-Vorstand, dass er aufgrund der veränderten Marktgegebenheiten und vor dem Hintergrund der Zukunftssicherung das Unternehmen "neu definieren und umgestalten muss". Das bedeutet: M+S "muss sich vom Lieferanten (Sys-temhaus), der auch einige Dienstleistungen anbietet, zu einem Dienstleister entwickeln, der auch als Systemlieferant tätig ist".

Die wesentlichen Eckpfeiler des Unternehmensumbaus sind:

- Kompetenzausbau im Bereich (Tele-)Kommunikation, um als ITK-Lösungsanbieter auftreten zu können;

- Verdoppelung des Dienstleis-tungsanteils auf 30 Prozent innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre;

- starker Ausbau des Server- und Netzwerk-(INS-)Geschäfts;

- Konzentration auf das Geschäft mit (gewerblichen) Endkunden, dadurch

- Abstoßen von Geschäftsfeldern, die nicht mehr zur Konzernstrategie gehören (wie zum Beispiel Distribution).

M+S wird sich nicht vom Hardware-Geschäft verabschieden und nur noch Dienstleistungen anbieten. "Wir gehören nicht zu denjenigen, die sagen, die Hardware sei tot. Das ist Schwachsinn", erklärte Puschendorf.

Der Bedarf auf Kundenseite, alles aus einer Hand zu erhalten, sei sogar noch gestiegen, weil die Unternehmen in ihren IT-Abteilungen Personal abgebaut hätten. Allerdings werde M+S auch in Zukunft nicht alles liefern können und wollen: Anwendungs-Software wie SAP, Siebel und andere sind nicht das Thema von M+S. Hier kooperiert man mit Partnerfirmen, die das entsprechende Know-how aufweisen.

Rückzug aus dem Distributionsgeschäft

Aus Geschäftsfeldern, die nicht mehr zur definierten Kernkompetenz zählen, will sich M+S zurückziehen. Dazu zählt zum Beispiel das Distributionsgeschäft. Das Tochterunternehmen Mainstor GmbH, spezialisiert auf den Großhandel von Speicherprodukten, wird mit dem Spezialdistributor Syscotec Computer GmbH verschmolzen und dann per Management-Buy-Out aus dem Konzern herausgelöst.

In einem ersten Schritt wird das Management 25 Prozent der An-teile übernehmen. Auch die PCAssemblierung, die in der Tochterfirma DRV Dr. Böhmer GmbH angesiedelt ist, gehört nach den Worten von Puschendorf nicht mehr zur Kernkompetenz des Unternehmens.

Reparieren für den Profit

Dagegen bleibt das Geschäftsfeld Reparaturdienstleistung erhalten. "Weil dieses Geschäft keiner mehr machen will, lassen sich hier wieder richtig schöne Margen erzielen", sagt Puschendorf. Man kann sich sogar vorstellen, ergänzt M+S-Chefstratege Reger, dieses Feld weiter auszubauen. Beispielsweise würde heute niemand PDAs reparieren können. Eine Marktlücke.

Akquisitionen und Beteiligungen sollen dazu beitragen, das Leis-tungsportfolio abzurunden. Dem Strategiepapier zufolge plant M+S, insgesamt 100 bis 130 Millionen Mark für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen: 50 bis 80 Millionen Mark für Technical Consulting/Systemintegration, etwa 30 Millionen Mark für einen Zukauf oder eine Beteiligung im Bereich Telekommunikation/Netze, und rund zehn Millionen für eine Unternehmensberatung.

Darüber hinaus stellt M+S einen zweistelligen Millionenbetrag für die Weiterbildung der Mitarbeiter zur Verfügung. Dennoch ist Puschendorf klar, dass nicht alle der heutigen Mitarbeiter den neuen Weg mitgehen wollen oder können. Verständlicherweise sorgt die "Revolution" (Puschendorf) für Diskussionen, Verunsicherung und Ängste innerhalb der Belegschaft bis hinauf ins Management.

Ein Opfer hat die neue Strategie bereits gefunden: Wolfgang Schneiderheinze, Leiter der ServiceAbteilung, hatte am Mittwoch vergangener Woche seinen letzten Arbeitstag bei M+S. Offenkundig war man in der Chefetage der Ansicht, dass der ehemalige CSGManager, der vor rund eineinhalb Jahren zu M+S wechselte, für die Neuausrichtung nicht der geeig-nete Mann war. Sein Nachfolger als Direktor Service und Support ist Claus Schulze-Oberländer, der seit einem halben Jahr auf der M+S-Payroll steht und jetzt Personalverantwortung trägt für rund ein Drittel der Belegschaft.

Wellen haben sich wieder gelegt

M+S-Vertriebsvorstand Puschendorf, er war bis Mitte letzten Jahres Chef von Fujitsu Siemens Deutschland, ist für viele der Buhmann des Unternehmens. Schon mit der Einführung einer neuen Vergütungsstruktur im Herbst vergangenen Jahres hatte sich Puschendorf bei den Vertriebsleuten viele Gegner geschaffen. Zahlreiche Kündigungen waren die Folge. Besonders betroffen war in jüngster Zeit die Frankfurter Niederlassung: Doch nach der Trennung von Niederlassungsleiter Minner und der Kündigung der Vertriebsbeauftragten Sebastian Wendland und Michael Beck "haben sich die Wellen wieder gelegt", wie ein Ex-Mitarbeiter berichtet.

Die veränderte Zielrichtung des Unternehmens hat auch Konsequenzen für den Außenauftritt. Das angestaubte "Elektronik" aus der Firmierung wird in Kürze ersatzlos gestrichen.

www.mus.de

ComputerPartner-Meinung:

Man kann kein Omelett backen, ohne Eier zu zerschlagen. Dass die Unruhe in der M+S-Belegschaft groß ist, ist normal in einer Zeit der Neuorientierung. Es wäre untypisch, wenn alle M+S-Mitarbeiter zu der von Vorstandsmitglied Puschendorf verantworteten Umgestaltung des Konzerns Beifall klatschen würden. Aber darauf kommt es auch nicht an. Es kommt darauf an, dass heute die richtigen Weichen gestellt werden, damit der Zug in die richtige Richtung rollt. Das scheint in Bezug auf die zu besetzenden Geschäftsfelder der Fall zu sein. Wenn es dem Unternehmen gelingt, diese Strategie umzusetzen und schnell wieder Ruhe und Vertrauen in die aufgeschreckte Mannschaft zu bringen, braucht man sich um die Zukunft von M+S keine Sorgen zu machen. Eine Rendite von mehr als zehn Prozent ist freilich ein hoher Anspruch. (sic)

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