Eigenkapitalisierung im Handel

16.01.2003
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland mehr als 40.000 Insolvenzen. Die betroffenen Firmen verfügten im Durchschnitt nur über eine Eigenkapitaldecke von sieben Prozent. Wie man diese überlebenswichtige Quote steigern kann, erklären BVT (Bundesverband Technik des Einzelhandels e. V.) und HDE (Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.).

Schwerwiegende und zum Teil existenzbedrohende Finanzierungsprobleme im mittelständischen Handel sind in der Regel eine direkte Folge der unzureichenden Eigenkapitalausstattung. Konjunktur- und wettbewerbsbedingt rückläufige Umsatzrenditen verschärfen diese Situation zusätzlich. Neben dem bereits erschienenen Thema Förderkredite im Handel informieren HDE und BVT über die Möglichkeiten, die Eigenkapitalquote mit Hilfe von stillen Beteiligungen zu verbessern.

Handlungsbedarf

Eckpfeiler einer langfristig erfolgreichen Finanzierungsstruktur sind idealerweise:

- ausreichend Eigenkapital bereits bei Gründung,

- Erhöhung der Eigenkapitalquote des Unternehmens auf 20 bis 25 Prozent,

- Nutzung alternativer Eigenkapitalquellen wie die stillen Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften.

Mein Geschäft wird 25 Jahre alt. Bisher bin ich immer sehr gut mit wenig Eigenkapital gefahren!

Für die Vergangenheit mag das stimmen. In Zeiten guter Einzelhandelskonjunktur war das Eigenkapital als Krisenvorsorge im mittelständischen Einzelhandel weniger gefragt. Bei dem breiten und billigen Fremdkapital, das die Kreditinstitute bis vor wenigen Jahren offerierten, war es betriebswirtschaftlich sinnvoll, den Hebeleffekt von Krediten auf die eigene Eigenkapitalrendite maximal auszunutzen. Außerdem sind Fremdkapitalzinsen steuerlich absetzbar.

Warum hat Eigenkapital eine wachsende Bedeutung?

Dafür sind zwei Entwicklungen verantwortlich. Zum einen ist Eigenkapital Haftungskapital. Eine angemessene Eigenkapitalausstattung ist ureigenes unternehmerisches Ziel, weil sie unternehmerische Risiken abdeckt, zeitweilige konjunkturelle Probleme überstehen hilft und Unternehmenswachstum sichert. Zum anderen gewinnt das Eigenkapital mit der Einführung von Basel II einen deutlich höheren Stellenwert bei der Einschätzung der Bonität des Kreditnehmers. Künftig wird die Eigenkapitalquote zu einem gewichtigen Teil in die Kreditentscheidung eingehen.

Wenn ich meinen Eigenkapitalanteil erhöhe, zahle ich mehr Steuern!

Unter Umständen kann das in den gegenwärtigen Rahmenbedingungen der Fall sein. Sie müssen sich die Frage stellen: Spare ich Steuern und setze ich damit eine langfristig stabile Finanzierungsstruktur beziehungsweise im Notfall die Existenz meines Unternehmens aufs Spiel, oder baue ich Eigenkapital auf, auch unter den momentanen schlechten steuerlichen Voraussetzungen? Sie müssen sich die Frage stellen, was Ihnen Ihre unternehmerische Tätigkeit wert ist. Die Dominanz der Steuerbilanz hat in vielen Einzelhandelsbetrieben den Blick für eine betriebswirtschaftlich tragende Finanzierungspolitik getrübt.

Die Ertragslage ist doch derzeit so schlecht, dass ich Jahre für einen Eigenkapitalaufbau brauche!

Wenn Sie nur die Thesaurierung von Gewinnen im Auge haben, stimmt das. Es gibt jedoch noch weitere Möglichkeiten:

- Nutzung außerbilanzieller Finanzierungen wie Leasing: Das verkürzt die Aktivseite der Bilanz und spart Fremdkapital. Die Eigenkapitalquote steigt. Nachteile sind höhere Kosten im Vergleich zum Sofortkauf sowie höhere monatliche Fixkosten.

- Inanspruchnahme von Bürgschaften für Bankdarlehen: Dadurch bleibt Vermögen, das ansonsten zur Kreditsicherung eingesetzt wird, belastungsfrei.

- Rückführung privaten Vermögens in den Betrieb.

- Suche nach einer Beteilung.

Ich bin aber gegen Beschränkungen meiner unternehmerischen Freiheit.

Wenn das für Sie die oberste Maxime ist, gibt es trotzdem eine Möglichkeit, externes Eigenkapital zu akquirieren: die stille Beteiligung.

Ich habe mich schon einmal nach einer Beteiligung umgesehen, aber die geforderten Renditen liegen außerhalb meiner Möglichkeiten.

Sicherlich haben Sie die privaten Beteiligungs- und Venture-Capital-Gesellschaften im Visier. Deren Strategien sind jedoch überwiegend auf technologieorientierte junge Unternehmen ausgerichtet. Im Rahmen der Mittelstandsförderung vergeben die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) der Länder aber auch an Einzelhandelsunternehmen Beteiligungen.

Was sind die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften?

Das sind Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft. Ihrer Satzung gemäß befassen sie sich ausschließlich mit dem Erwerb und der Verwaltung von Beteiligungen mit beschränkter Haftung oder von stillen Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft des jeweiligen Bundeslandes. Sie verfolgen ausschließlich den gemeinnützigen Zweck, der Erhaltung und Gesundung des Mittelstandes zu dienen.

Wofür kann ich eine Beteiligung beantragen?

Folgende Vorhaben können finanziert werden:

- Existenzgründungen/Existenzfestigung,

- Expansion/Unternehmenssicherung,

- Innovationen,

- Kooperationen,

- Unternehmensnachfolge.

Wie sieht denn so eine Beteiligung aus?

In der Regel geht die MBG eine stille Beteiligung ein. Sie nimmt keinen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung. Dingliche Sicherheiten sind für Beteiligungen nicht zu stellen und bleiben für Kredite verfügbar. Die Kapitaleinlage der MBG ist nicht an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt; die Rückzahlung der Einlage erfolgt zum Nennwert. Durch den Nachranganspruch der Beteiligung ist ihr ein Eigenkapitalcharakter beizumessen. Die Laufzeiten, Volumina und Entgelte variieren je nach MBG.

Mein Eigenkapital beträgt 350.000 Euro. In welchem Umfang kann ich eine Beteiligung der MBG aufnehmen, und was kostet mich das?

Die MBG vergeben eine Beteiligung maximal im Verhältnis 1:1 zu Ihrem bereits bestehenden Eigenkapital, das heißt in Ihrem Fall maximal 350.000 Euro. Das Entgelt setzt sich zusammen aus einer einmaligen Bearbeitungsgebühr, einem jährlichen Festentgelt zwischen sechs und acht Prozent p. a. und einem ergebnisabhängigen Entgelt zwischen einem und drei Prozent p. a.

Wichtig: Jede Form der Beteiligung lässt sich nur dann realisieren, wenn für den Beteiligungsgeber gute Aussichten bestehen, das investierte Kapital zu den vereinbarten Konditionen zurückgezahlt zu bekommen. Eine Beteiligung kann nur in Zeiten vorbereitet werden, in denen keine finanziellen Engpässe auftreten. Deshalb müssen Sie sich heute der Thematik stellen und nach potenziellen Partnern suchen.

Ihr Ansprechpartner beim HDE: Frau Dr. Kathrin Andrae, Tel: 030 72625023, E-Mail: kandrae.hde@einzelhandel.de

- BVT, Tel: 0221 27166-0, Fax:-20, E-Mail: bvt@einzelhandel.de

In der nächsten Woche erfahren Sie alles Wichtige zum Thema "Finanzierung durch Bürgschaften".

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