Ein Detektiv zu Bewerbertricks

12.03.1998

MÜNCHEN: Viele Jobsuchende nehmen es anscheinend mit der Wahrheit nicht so genau und klopfen mit manipulierten oder gefälschten Dokumenten bei Personalchefs an. Christoph Stehr berichtet über den "Tatort Arbeitsplatz".Ein Bewerber für einen Vorstandsposten in der Pharmabranche prahlt mit seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Tatsächlich hat sie ein Namensvetter verfaßt. Die Urkunde einer deutschen Universität, die die akademischen Weihen belegen soll, ist gefälscht. Ein Außendienstler hat seinen neuen Vertrag schon fast in der Tasche, da wird bekannt, daß er sich

privat stets von Frau und Tochter chauffieren läßt. Der Grund: Er hat seinen Führerschein wegen Alkohol am Steuer verloren.

Ein Ehepaar bewirbt sich bei einem Kosmetikunternehmen - sie für Akquisition/Kundenbetreuung, er für die Lagerverwaltung. Beide haben erstklassige Zeugnisse von renommierten Firmen. Dort kann sich aber niemand an die vermeintlichen Ex-Kollegen erinnern. Kein Wunder, denn das "saubere" Pärchen hat sich die Zeugnisse auf gestohlenem Briefpapier kurzerhand selbst ausgestellt.

Eine Eins ist nicht immer eine Eins

Manfred Lotzte, Mitgesellschafter und Generalbevollmächtigter der

Detektei Kocks in Düsseldorf, könnte einen ganzen Abend mit Bewerbertricks füllen. Zu sehr ins Detail will er aber nicht gehen - "um niemanden in Versuchung zu führen". Und diese Versuchung ist groß, seit die Arbeitslosigkeit wächst und Unternehmen auf jede Bewerbung ein "Sahnehäubchen" - die Eins im Examen, die Empfehlung eines Topmanagers oder die Bescheinigung über eine Zusatzausbildung - erwarten. Da hat manch einer keine Skrupel, das entsprechende Dokument zu manipulieren oder gleich ganz zu erfinden.

Seit 1955 bietet Kocks' Unternehmen Dienstleistungen an, die Risiken am "Tatort Arbeitsplatz" verringern sollen - etwa den "Bewerber-Check", eine Überprüfung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen auf ihren Wahrheitsgehalt. Die Erfahrung, bedauert Lotzte, habe ihn nicht gelehrt, stets an das Gute bei Leuten, die nach Jobs suchen, zu glauben. Der Detektiv schätzt, daß jede dritte Bewerbung "unkorrekt" ist, womit er alles, von Schönfärberei bis arglistige Täuschung, meint.

Hohe Dunkelziffer

Auf diesem Grat wandert jeder, der im Lebenslauf ein Jahr Gefängnis als Auslandsaufenthalt verbrämt - was gelogen, aber nicht strafbar ist - oder mit Korrekturlack und Kopiergerät ein "bestanden" im Hochschulzeugnis zu einem "mit Auszeichnung" aufmotzt - was Urkundenfälschung ist und den Fälscher durchaus vor den Richter bringen kann.

Die Dunkelziffer sei enorm, sagt Lotzte, weil erst einmal der Verdacht vorliegen müsse und weil viele Personalverantwortliche diesem in der Regel nicht nachgingen, sondern aus Routine oder einem "unguten Gefühl" die Bewerbung aussortieren. Die grauen bis schwarzen Schafe nehmen es gelassen und bewerben sich weiter - irgendwann, irgendwo werden sie schon zum Zuge kommen, schließlich sind ihre Unterlagen "top". Wenn Lotzte recht hat, werden nur fünf Prozent der Blender und Betrüger ertappt. Und auch in diesen Fällen ist nicht sicher, daß der Fehltritt wirklich Konsequenzen hat: Lotzte mußte einmal selbst mitansehen, wie ein Personalchef, den er gerade aufgeklärt hatte, sich artig bedankte und dann seinen Bericht in den Reißwolf steckte. "Gefahr gebannt, jetzt bloß keinen Ärger", denken viele.

Das Dicke Ende kommt oft erst später

Ein Argument für den Bewerber-Check ist, daß sich Unehrlichkeit bis hin zu krimineller Energie nicht darin erschöpfen muß, einen Lebenslauf zu frisieren. Das dicke Ende kommt später: "Wir stellen immer wieder fest, daß Mitarbeiter, die Geld unterschlagen haben, oder Einkäufer, die für Geschenke empfänglich waren, mit 1a-Zeugnissen ins Unternehmen gelangt sind", sagt Lotzte. "Einer Überprüfung, für die es dann natürlich zu spät ist, halten diese Unterlagen oft nicht stand."

Allerdings hätten die Unternehmen viel zu tun - und viel zu zahlen, denn ein Bewerber-Check kostet bei Kocks ab 4.000 Mark -, wollten sie grundsätzlich jeden "Zukünftigen" durchleuchten. Das sieht Lotzte so. Ziel sei es, die sensiblen Bereiche im Unternehmen zu schützen, also Positionen, die den Zugriff auf Geld, Ware oder Know-how ermöglichten.

Mit der hierarchischen Einstufung hat das wenig zu tun. Mancher Topmanager kann weniger Schaden anrichten als ein Lagerarbeiter. Eine routinemäßige Überprüfung hält Lotzte für sinnvoll, wenn beispielsweise bei einer Diversifizierung ein neues Geschäftsfeld aufgebaut und hierfür eine Vertrauensperson gesucht wird. Auf jeden Fall sollten Unternehmen eine Detektei einschalten, wenn sie bereits einen Verdacht gegen einen Bewerber hegen, auf diesen aber nur schwer verzichten können, etwa weil wenige gute Bewerbungen eingegangen sind.

Bewerbungslügen haben kurze Beine

Die Detektei wird dann versuchen, durch Gespräche mit Ex-Vorgesetzten, -Kollegen oder -Mitarbeitern herauszufinden, ob der Bewerber hält, was er verspricht. Dabei ist Diskretion entscheidend. Die "Quelle" darf natürlich nicht wissen, von wem und in wessen Auftrag sie angezapft wird. Der Detektiv legt sich eine Legende zu, zum Beispiel behauptet er, als Personalberater tätig zu sein. Der Rest ist detektivisches Handwerk.

Einen Lügner durch Lügen zu überführen, mag man moralisch beanstanden, ist aber erlaubt. "Detektive haben nur die sogenannten Jedermannsrechte, das heißt, sie dürfen nicht mehr tun oder unterlassen als jeder andere auch, doch ihr Vorteil ist, daß sie die gesetzlichen Grenzen kennen und daher dicht an sie herangehen können", erklärt Lotze. Überdies gibt es den Datenschutz, der das Risiko des Mißbrauchs gering hält.

James-Bond-Methoden wie das Einbrechen in eine Wohnung, um Beweise zu sichern, gehören jedenfalls in das Reich der Fernsehphantasien. Insofern versteht Lotzte die Berührungsängste nicht, die manche Unternehmen gegen die Zunft zu haben scheinen. "Ein Bewerber-Check ist kein Zeichen krankhaften Mißtrauens", sagt er, "sondern legales und legitimes Mittel zum Schutz des Unternehmens".

(Dieser Artikel erschien erstmals im Handelsblatt vom 16./17.10.1998.)

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