Ein Händler, der TÜV und der ganze Rest

02.05.2002
Ein Gerät ohne TÜV-Plakette lässt sich in Deutschland kaum verkaufen, doch was geschieht, wenn der TÜV eine Plakette zurückzieht?

Ein Systemhaus baut Computer nach Kundenwünschen zusammen. Die dazu notwendigen Einzelteile kauft es bei einem Großhändler ein. So weit so gut. Doch von 201 gebauten Geräten geben nach kurzer Zeit 65 Prozent der TÜV-geprüften Netzteile ihren Geist auf. Grund: Der Lüfter im Netzteil ist von mangelhafter Qualität, er fällt aus, und dann überhitzen sich die integrierten Komponenten, was einen Totalausfall zur Folge hat. Beim Zusammenbruch des Netzteils wird aber ein kurzer Spannungsimpuls an die übrigen Bauteile des Rechners abgegeben. Kurzum: Neben dem Netzteil geben auch der Speicher, die CPU, die Hauptplatine, Festplatte und CD-ROM-Laufwerk den Geist auf.

Der Händler wendet sich an seinen Distributor, der aber abwinkt. Schließlich sei die Garantiezeit abgelaufen. Der Kunde sieht das aber anders und besteht auf Ersatz. Also tauscht das Systemhaus auf eigene Rechnung die jeweiligen Komponenten und wendet sich an den TÜV, denn schließlich trägt das betreffende Netzteil ja ein TÜV-Siegel.

So geschehen im Zeitraum von Januar 1999 bis März 2000.

Der TÜV seinerseits wird nun tätig und nimmt schließlich am 31.12.2001 das TÜV-Siegel zurück. Der chinesische Hersteller Linkworld darf nun keine Netzteile mehr des Modells LPA mit der TÜV-Nummer 17967 nach Europa ausliefern. Die Ware wird quasi eingefroren. Doch was ist mit den Netzteilen, die hier in Europa schon im Handel sind oder beim Distributor im Lager liegen?

Was passiert wenn ein Zertifikat gekündigt wird, und wie wird ein Verbraucher dieses gewahr?

Der TÜV-Süd gibt darauf folgende Antworten:

"Wenn ein Zertifikat von der benannten Prüfstelle beziehungsweise vom Hersteller gekündigt wurde, erlischt die Gültigkeit des Ausweises. Danach darf der Hersteller weder das Zeichen auf den Produkten anbringen noch für diese Produkte damit werben."

Dabei sind aber folgende Fälle zu unterscheiden:

1. Das Zeichen wurde gekündigt, weil Gefahr für Verbraucher und Anwender im Verzuge ist, und dieses gilt auch für bereits ausgelieferte Produkte.

In diesem Fall wird die zuständige Behörde in enger Abstimmung mit der zertifizierenden Stelle eine Rückrufaktion anordnen, wodurch auch Verbraucher erreicht werden, die das Produkt bereits erworben haben.

2. Das Zeichen wurde aus anderen - formalen - Gründen gekündigt, eine Gefahr für den Verbraucher und Anwender liegt nicht vor.

Verwendet der Hersteller das Zeichen weiter, ist dies ein Zeichenmissbrauch, der entsprechend unserer Prüf- und Zertifizierordnung behandelt wird. Für die vor diesem Zeitpunkt schon in Verkehr gebrachten Produkte behält das Zeichen weiterhin Gültigkeit. Da keine Gefahr für den Verbraucher oder Anwender besteht, ist eine weitergehende Information bezüglich ausgelieferter Produkte entbehrlich.

Die Webpage des TÜV-Süd enthält viele Informationen, unter anderem auch darüber, welche Zertifikate missbräuchlich verwendet wurden. Diese ist nicht nur den Geschäftskunden (Handelshäusern, Behörden) sondern auch allen Verbrauchern zugänglich. Die Informationen lassen sich unter dem Stichwort "Prüfzeichen" auf der Webseite www.tuev-sued.de/msps/produkt/sawslguhmthz.html finden.

Computerpartner Meinung:

So weit die Theorie. Doch in der Praxis muss der Händler um sein Recht kämpfen. Nach Ablauf der Garantiezeit hat der Händler keine Möglichkeit, den Distributor für die schadhaften Geräte in Regress zu nehmen. Einzig aus Kulanz könnte sich der Distributor an seinen Zulieferer aus Fernost wenden und diesen regresspflichtig machen. Es könnte also nicht schaden, sich auch als Händler ab und zu einmal auf die oben genannte Internetseite zu begeben und dort nach abgelaufenen TÜV-Siegeln zu fahnden. Denn sind die Geräte erst einmal beim Kunden, dann liegt die Garantie beim Händler und das kann teuer werden, wie unser Beispiel zeigt. (jh)

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