Ein Headset, das auf die Soundkarte pfeift

10.05.2001
Kristallklaren Sound und eine hohe Spracherkennung verspricht Plantronics mit seinem jüngsten Headset, das mit einem im Kabel eingebauten DSP-Modul und USB-Anschluss eine Soundkarte überflüssig macht. Ob der Mikrofon-Kopfhörer hält, was er verspricht, hat ComputerPartner untersucht.

Die Frage, warum der PC mitsamt der Peripherie kein wirkliches Massenprodukt ist wie beispielsweise das Fernsehgerät, hat ein IT-Experte einmal sinngemäß so beantwortet: Weil die Bedienung des PCs viel zu kompliziert sei. Dem muss man hinzufügen: Und weil die Anleitungen für die Bedienung häufig schlecht bis katastrophal sind. Da haben allenfalls Computerfreaks ihre Freude und genießen es, wenn sie dem/ der nicht mehr weiter wissenden Freund/in auf die Sprünge helfen können. Der Computer-Normalverbraucher hingegen soll sich gefälligst quälen, um in den vollen Genuss innovativer Wohltaten zu kommen - wie beim Stereo-Headset "DSP-300" von Plantronics.

Dabei sind die äußeren Merkmale des Produkts tadellos: Die verstellbaren Kopfhörer samt Bügel empfindet der Anwender auch nach längerer Zeit des Tragens nicht als bedrückend, und das Mikrofon lässt sich in eine "mundgerechte" Stellung kippen. Einen etwa daumengroßen Lautstärkeregler mit Mikrofon-Ein/Aus-Schalter und zugehöriger Bereitschafts-LED kann man sich an den Hemdtaschenrand klemmen. Unter dem Schreibtisch liegt das DSP-Modul (Digital Signal Processing), das die analogen Sig-nale digitalisiert und über den USB-Anschluss an den PC beziehungs-weise an die Stereokopfhörer weitergibt. Deren Sound kann sich hören lassen, selbst Bässe kommen kräftig rüber, das Klangbild ist insgesamt ausgewogen.

Ist kontra Soll

Gute Voraussetzungen also für ein kundenfreundliches Produkt - sollte man meinen. Doch schon bei der Installation der Software von der beiliegenden CD-ROM fällt auf, dass die Realität anders ist als in der Kurzanleitung beschrieben. So wartet man zum Beispiel vergebens auf die angekündigte Aufforderung, den USB-Anschluss des Headsets in den PC einzustecken. Unerfahrene fangen hier zum ersten Mal zu grübeln an. Auf solche Unstimmigkeiten trifft man später beim Ausprobieren der Anwender-Software immer wieder. Ansonsten ist das Installationsprogramm recht übersichtlich gestaltet und intuitiv zu bedienen.

Der Käufer erhält im Bundle mit dem Headset neben der Plantronics-Eigenentwicklung "Persono" für die PC-Audio-Systemsteuerung sieben weitere Software-Produkte, mit denen er sich die weite Audio-Welt des Computers erschließen soll. Perso-no bietet Features wie Regulierung von Lautstärke, Bass und Höhe des Kopfhörers, Stummschaltung des Mikrofons oder vordefinierte Equa-lizer-Pegel. Man kann auch, sofern eingebaut beziehungsweise angeschlossen, den DVD- oder CD-Player starten. Wer allerdings bereits ein Stereo-Boxenpaar nutzt, fragt sich, wie er den Sound der eingelegten Musik-CD ins Headset bekommt. Die Hilfe-Funktion gibt keine Auskunft. Als weiteres Manko muss man das Fehlen einer akustischen Testfunktion nennen, anhand derer sich die veränderten Einstellungen überprüfen ließen.

Mit von der Partie ist auch die Spracherkennungs-Software "L&H Voice Xpress". Plantronics verspricht in einem Prospekt, dass das Mikrofon des Headsets durch seine digital verstärkte Rauschunterdrückung die Genauigkeit der Spracherkennung verbessere. Da kein direkter Vergleich stattfand, mag diese Behauptung wahr sein oder auch nicht. Der Test zeigte jedoch, dass die sprachliche Kommunikation zwischen Mensch und Rechner noch beträchtlicher Verbesserungen bedarf. Nach dem Anlegen des individuellen Sprachprofils - durch deutliches lautes Vorlesen eines etwa sieben Minuten langen Textes - und dem Betrachten eines Video-Lehrfilms, in dem natürlich alles glatt verläuft, hegt der Anwender große Erwartungen - zu große, wie sich bald zeigen sollte, denn schon im anschließend aufgerufenen Lernmodul weicht die Erwartung aufkeimender Enttäuschung.

Wieder und wieder intoniert man nun gewisse Befehle wie "markiere Absatz", "rückgängig" oder "fett machen", doch das gewünschte Resultat stellt sich selten ein. Und wenn man einen Satzteil wie "Das heiße" mit "Sch...e" übertragen findet, mag es dem einen oder anderen ein Schmunzeln abringen, doch Effizienz ist was anderes. Auch das gleichfalls mögliche Aufrufen von Windows-Programmen wie Winword, Excel oder Outlook Express mittels Stimme funktioniert beileibe nicht reibungslos.

Anrufen per Internet

Internet-Telefonie ermöglicht verbilligtes Telefonieren und sollte daher weiter verbreitet sein. Das Software-Modul "Net2Phone", ebenfalls im Lieferumfang enthalten, präsentiert sich zunächst als äußerst anwenderfreundlich. Aufrufen, Telefonnummer des gewünschten Gesprächspartners eintragen und "klick" - doch dann wird man gezwungen, sich bei Net2Phone registrieren zu lassen. Bei bestehender Internet-Verbindung gelangt der Anwender auf die englischsprachige Homepage des Unternehmens, wo er ein Formular ausfüllen soll. Unter anderem wird die Eingabe einer PIN-Nummer verlangt, doch woher kriegt man die? In den mitgelieferten Unterlagen findet sich nichts dergleichen, auch eine Anfrage bei Plantronics führte nicht zum Erfolg. Was also tun? Genau: weiterhin konventionell telefonieren.

Probleme bereiteten auch die Software-Produkte "Hear Say Lite" zum Erstellen von komprimierten Sprachdateien für den E-Mail-Anhang sowie die Jukebox "Musicmatch", womit der Anwender digitale Musik aufnehmen, wiedergeben, dekodieren und organisieren kann. Die Jukebox bietet auch eine Vielzahl von Radiosendern an, die über das Internet empfangen werden können - angeblich. Tatsächlich war im Test nach mannigfachen vergeblichen Versuchen nur ein einziger Sender erreichbar, doch auch damit erfolgte keine Musik, sondern die Öffnung der Homepage des Senders, wo man dann irgendein Update zum Download angeboten bekam. Bei Hear Say Lite ist bedauerlich, dass die komprimierte Sprachdatei mit der Extension "VCD" nicht vom weit verbreiteten Windows-Media-Player abgespielt werden kann.

Fazit: Ein an sich gutes Konzept wurde nur mangelhaft realisiert. Besonders beklagenswert ist die häufig unzulängliche, manchmal schlicht unrichtige Bedienungsanleitung. Offenbar zielen viele Hersteller mit ihren Produkten ausschließlich auf den erfahrenen Experten. Vorschlag: Bevor ein Produkt auf die Bevölkerung losgelassen wird, sollte es von einigen "normalen" Computernutzern ausprobiert werden. Ähnlich verfährt man auch in Hollywood: Wenn das Test-Publikum nicht an den richtigen Stellen lacht, wird der Film verändert. Der Erfolg gibt Hollywood Recht. (de)

<b>Kurzgefasst</b>

Das USB-Headset DSP300 von Plantronics arbeitet mit einem digitalen Signalprozessor. Die Ste- reo-Kopfhörer und das Mikrofon sind verstellbar, die Lautstärke lässt sich bequem verändern. Im Lieferumfang befinden sich acht Software-Produkte, darunter eine Lösung für die Audio-Systemsteuerung, eine Spracherkennungs-Software und ein Programm für die Internet-Telefonie. Während es am Gerät an sich nichts zu meckern gibt, fällt das Urteil über die Programme vernichtend aus: zu große Ungenauigkeiten und fehlerhafte Bedienungsanleitungen. Folge: Note Vier.

Hersteller:

Plantronics GmbH

Gildenweg 7

50354 Hürth

Tel.: 0 22 33/3 99-0

Fax: 0 22 33/3 99-399

www.plantronics.de

Ansprechpartner:

Elito Electronic GmbH

Tel.: 0 92 41/99 17 13

www.elito-electronic.de

Preis:

249 Mark

Wertung:

Gerät: 2

Software: 5

Lieferumfang: 2-3

Handbuch: 5

Ease-of-Use: 4

Händler-Support: 3-4

CP-Tipp: 4

(Bewertung nach Schulnoten)

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