Ein Systemhaus und seine Kunden: US Air Force, Nato und EU

14.03.2002
Dieter Cordsen muss auch in Krisenzeiten nicht zittern. Sein Systemhaus beliefert Kunden, die nicht von Pleiten bedroht sind. Die Cordsen Engineering GmbH entwickelt und assembliert IT-Systeme primär fürs Militär - und ist damit richtig erfolgreich.

Der erste Eindruck beim Betreten des einstöckigen Firmengebäudes lässt auf leichtes bis mittleres Chaos schließen. Zwischen Kartons und Paletten findet sich immerhin noch ein Weg zum Empfang. Doch der Schein trügt. Es ist lediglich Platznot, unter der Cordsen Engineering leidet. Das Domizil in Mainhausen platzt aus allen Nähten. Und so muss die Eingangshalle als Lager herhalten, und selbst der Pausenraum ist mittlerweile vollgestellt - er musste dem Testlabor weichen. Geschäftsführer Dieter Cordsen fiebert daher dem Sommer entgegen: "Bis August wird unser Neubau bezugsfertig sein."

Der kommt den Hessen gleich mehrfach zugute. Die räumliche Expansion würde auch das Einstellen neuer Mitarbeiter ermöglichen. Und die strebt Cordsen händeringend an. Insbesondere um einen winkenden Großauftrag abwickeln zu können. Das Unternehmen braucht weitere Ressourcen für eine Ausschreibung der US-Luftwaffe. Dabei geht es um mehr als 1.000 Notebooks, die höchsten Anforderungen genügen sollen. "Alles ist sicher nicht realisierbar: schneller Prozessor, sehr helle Hintergrundbeleuchtung und lange Akkulaufzeiten", weiß Cordsen. Zumal natürlich die militärischen Standards für "Rugged"-Systeme, für den Einsatz in extremen Umgebungen, erfüllt werden müssen.

Parallel hat Griechenland einen Auftrag für 1.200 mobile PCs mit etwas niedriger angesetzten Bedingungen ausgeschrieben. "Bei solchen Stückzahlen würden sich die Entwicklungskosten für uns bezahlt machen", rechnet der Chef, der bereits Verbindung zum taiwanischen Motherboard-Hersteller Asus aufgenommen hat. "Die Taiwaner sind sehr kooperativ", lobt Cordsen, der sich zuversichtlich gibt, in absehbarer Zeit auch ein Rugged-Notebook anbieten zu können.

Komplettes selbst entwickeltes Portfolio

Bis auf diesen Mobil-PC wartet Cordsen Engineering in seinen Kernbereichen mit einem kompletten selbst entwickelten Portfolio auf. Sowohl für raue Umgebungen als auch für den hochsensiblen, spionagegeschützten Einsatz haben die Hessen von Maus und Tas-tatur über Scanner, Drucker und Rechner bis zum Monitor Prototypen entwickelt, die lediglich noch den jeweiligen Spezifikationen angepasst werden.

Das Know-how eignete Cordsen sich in den 70er-Jahren an. Er studierte in Michigan und Los Angeles Nachrichtentechnik. Mit dem Abschluss als Master of Science in der Tasche war der heute 55-Jährige beratend in einem Nato-Projekt tätig. Nach dessen Ende machte er sich 1981 mit einem Ingenieurbüro selbstständig. Eines seiner Referenzprojekte war die Mitarbeit an der Planung der Flugsicherung für den Flughafen München II.

Das Betrieb wuchs und firmiert seit 1992 als GmbH. Die alten Kontakte kamen Cordsen dabei zugute. Er verfügt über die höchste Nato-Clearance (Ermächtigung) für geschützte Projekte. Ein wichtiger Kunde waren die US-Streitkräfte in Europa, die bald nicht mehr nur Consulting nachfragten, sondern auch Umsetzung. 1994 entstand so das erste selbst entwickelte Produkt: ein Drucker für militärischen Einsatz.

"Richtig stolz" ist Cordsen heute vor allem auf den abgeschirmten, "abhörsicheren" TFT. Äußerlich ist er von einem normalen Flachbildschirm nicht zu unterscheiden. Lediglich das mehrfach ummantelte Videokabel verrät ihn. Natürlich könnte man die Abstrahlung relativ einfach mit einem in den Bildschirm eingegossenen Metallgitter unterdrücken. Dies würde jedoch zu starkem Lichtverlust und Moiré-Effekten führen. Cordsen setzt neben einer Bedampfung des Panels mit einem Metallfilm weitere Maßnahmen ein, die er freilich nicht preisgibt. Das ist Betriebsgeheimnis. Der Lichtverlust betrage maximal 15 Prozent. "Das können Sie bei normalen Verhältnissen mit dem Helligkeitsregler kompensieren", beteuert Cordsen, "Und selbst unmittelbar vor dem Bildschirm ist garantiert keine elektronische Strahlung messbar."

Demgegenüber ist die Abstrahlung bei einem herkömmlichen Röhrenmonitor mit relativ einfachen Mitteln aus 500 bis 600 Meter Entfernung so deutlich registrierbar, dass die dargestellten Werte "ausspioniert" werden können. "Bei einem PC ist der erforderliche Aufwand schon höher, aber für Profis ist es auch kein Problem, ihn auszuspionieren", weiß Cordsen. Größte Schwachstellen des Rechners: Peripherie, Netzteil und die Ports. Tas-taturen und Mäuse werden seriell angeschlossen. USB- und PS2-Anschlüsse sind in Tempest-Rechnern absolut tabu. "Die sind nicht filterbar", erläutert Cordsen.

Drei Manntage für ein komplettes System

Alleine in einer Tastatur stecken rund vier Stunden Handarbeit - und 200 Gramm Dämmmaterial. Für den Umbau eines kompletten Systems fallen mindestens drei Manntage an. Danach erfüllen die PCs aus Mainhausen jedenfalls den höchsten Nato-Standard: AMSG 720B, wie er in der Fachterminologie heißt.

Know-how und Qualität haben ihren Preis. Für einen Standardrechner, der in ziviler Ausführung um 1.000 Euro kostet, wird in höchster Sicherheitsstufe das Zehnfache fällig. Hier schlagen auch Zertifizierungskosten zu Buche. Ein Nato-Zertifikat für eine Serie kostet rund 70.000 Euro. Bei Austausch nur einer einzigen Komponente werden weitere 35.000 Euro fällig: an ein dem britischen Verteidigungsministerium unterstelltes Labor in London. "Dort dauert eine Zertifizierung zirka drei Monate. Würden wir beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik prüfen lassen, wäre der Rechner bis zur Zertifizierung veraltet", kann sich Cordsen einen Seitenhieb in Richtung Berlin nicht verkneifen.

Nicht jedes System wird in London gestestet, nur exemplarisch ein Gerät für eine Serie. Dennoch verlässt kein PC, kein Monitor ungeprüft das Haus. Die abhörsicheren Modelle werden über den Frequenzbereich von 50 Hertz bis 4 Gigahertz gescannt. Die Rugged-Serien müssen diverse Rüttel- und Vibrationstests, aber auch massive Temperaturschwankungen schadlos überstehen. Immerhin gibt die Nato 400 DIN-A4-Seiten über die Anforderungen an Schwingungs-, Schock- und Temperaturverhalten vor. Beispielsweise muss ein TFT in Panzern bei Temperaturen zwischen -40 und +65 Grad Celsius noch funktionieren. Die Flüssig-kristalle üblicher LCDs würden bei -40 Grad gefrieren und platzen. Hier verbauen die Hessen Spezial-Panels von Siemens, dem - laut Cordsen - "einzigen ernsthaften Mitbewerber in Deutschland". Auch wenn es in diesem Bereich viele Firmen gebe, "die ein wenig machen". Aber keine mache es hundertprozentig.

Was dem Unternehmen noch fehlt, ist eine Klimakammer, in der Equipment für den Einsatz in Flugzeugen getestet werden können. Doch diese Lücke wird mit der Vollendung des Neubaus geschlossen. Dann ist der Großauftrag der US Air Force und somit die Entwicklung eines eigenen Notebooks der Marke Cordsen realisierbar. Was auch den wirtschaftlichen Erfolg der Cordsen GmbH zusätzlich vorantreiben sollte. Stellt sich bloß die Frage, wann sich trotz Anbau erneut die Kartons in der Eingangshalle türmen werden.

www.cordsen.com

ComputerPartner-Meinung:

Get big, get niche or get out - dieser Slogan gilt in IT-Krisenzeiten mehr denn je. Numerisch groß ist die Cordsen GmbH nicht, auch wenn im Sommer Expansion angesagt ist. Die wirkliche Größe liegt im Know-how. Das macht den Hessen alsbald niemand streitig. Und damit natürlich auch nicht die Nische, in der sie sich pu-delwohl fühlen. Die Auftragsbücher sind voll - allen Meldungen über die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr zum Trotz. (rk)

Cordsen Engineering

Facts & Figures

Die Cordsen Engineering GmbH ist in drei Geschäftsfeldern unterwegs:

IT-Security: Hier ist das Unternehmen als reiner VAR des VPN- und Verschlüsselungsspezialis-ten Cylink tätig. Cordsen hat für die Europäische Zentralbank ein weltweites Netz installiert und liefert neben der Administration einen Rund-um-die-Uhr-Helpdesk.

Tempest: Entwicklung und Herstellung von spionagegeschützten, abstrahlsicheren IT-Systemen. Kunden sind neben Nato-Streitkräften die EADS (European Aeronautic Defence and Space Company), die Europäische Union sowie Regierungen und Botschaften.

Rugged: Entwicklung und Herstellung von militärisch gehärteten IT-Systemen, primär für den Einsatz in Panzern und auf Schiffen. Ein wichtiger Kunde ist neben Nato-Streitkräften auch hier die EADS. Zwischen den Bereichen Tempest und Rugged kommt es natürlich zu Überschneidungen.

Aktuell zählt das Unternehmen in Mainhausen und einer Dependance in Berlin 19 Angestellte. Darüber hinaus kann Geschäftsführer Dieter Cordsen auf einen Stab freier Mitarbeiter zurückgreifen, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt.

Der Umsatz betrug im vergangenen rund fünf Millionen Euro. Das Ergebnis behält Cordsen für sich. Er beteuert indes: "Uns geht's entgegen dem Branchentrend gut." (rk)

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