Ein Tag im Call-Center von Ingram Micro: "Bei uns arbeiten die Distributions-Junkies"

06.03.2003
Das Call-Center beim Broadline-Distributor Ingram Micro in Dornach teilt sich in zwei verschiedene Welten: die Key-Accounts und die SMB-Kunden. Warum die beiden Abteilungen so grundverschieden sind, und wie die Menschen dort arbeiten, hat ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe bei einem Ortstermin beobachtet.

Der Schneesturm und die Kälte der vergangenen Nacht sind bestimmt der Grund, warum das Telefon von Jeannis Dimitriadis heute um diese Zeit noch relativ ruhig ist. Er arbeitet im Key-Account-Bereich des Call-Centers bei Ingram Micro in Dornach. "Normalerweise bin ich von zehn bis zwölf Uhr ununterbrochen am Telefonieren, aber heute stehen bestimmt noch viele Leute im Stau, meint der Account-Manager, der in grauer Anzughose, weißem Hemd und Krawatte an seinem Schreibtisch sitzt und auf den nächsten Anruf wartet.

Seit drei Jahren arbeitet Dimi-triadis im Dornacher Call-Center für den Business-Channel bei Ingram Micro. Er sitzt in dem unterteilten Großraumbüro an seinem Schreibtisch nahe am Fenster. Im Verkauf hatte er bereits gearbeitet, bevor er zu dem Distributor kam. Er hat im Einzelhandel gelernt und "war dann 13 Jahre bei Hertie, zuletzt als Abteilungsleiter", erzählt der 32-Jährige, als das Telefon leise surrt. Dimitriadis legt sein Headset an.

"Hallo, Jaennis, kannst du mir mal was reservieren?"

"Na klar, was soll's denn sein?"

"Ich brauch 'nen OPG von HP und das Ganze bitte zwei Mal. Und dann brauch ich noch eine Nvidia Quadro."

Dimitriadis tippt die Artikel in das System ein.

"Die hab ich nicht lagernd."

"Vielleicht gibt's da 'ne Alternative? Wenn ja, dann reservier' mir da mal eine."

"Also zwei Workstations und eine Grafikkarte reservieren. Alles klar, bis später."

Dimitriadis wird heute noch mehrere Male mit diesem Kunden telefonieren. "Mit ihm habe ich mich gleich zwei Wochen, nachdem ich hier angefangen habe, auf das 'du' geeinigt", sagt er. Hier in der Abteilung kennen die Verkäufer ihre Kunden. "Ich telefoniere mindestens dreimal pro Tag mit jedem meiner Einkäufer", erzählt der Account-Manager. Am Vormittag fragen die Einkäufer die Preise für die benötigten Produkte bei ihm ab, und am frühen Nachmittag meldet er sich dann bei den Kunden und versucht daraus die Aufträge zu bekommen. "Ich habe nur zwei große Kunden, aber sehr viele verschiedene Ansprechpartner dort", erklärt Dimitriadis. Er weiß schon, wer an der Leitung ist, wenn er die Telefonnummer im Display sieht. So wie jetzt zum Beispiel, als er an der Nummer erkennt, dass es keiner seiner Kunden ist.

"Guten Morgen, wo steckt der Kollege denn?", fragt eine weibliche Stimme.

"Immer noch im Stau."

"Naja, die Preise muss ich dann ja eh noch mit ihm auskaspern. Aber ich will natürlich auch von Ihnen einen Schweißpreis haben, das ist ja klar."

Die Kundin nennt zwei Artikelnummern, während Dimitriadis zum Taschenrechner greift und mit Blick auf seinen Bildschirm zu rechnen beginnt. Die Bildschirmanzeige ist für einen Außenstehenden ein Wirrwarr verschiedenfarbiger Schriften und Zahlen, hinter denen sich für die Kundenbetreuer sämtliche Informationen zum Kunden oder zum Produkt verbergen.

Dimitriadis nennt der Kundin den Preis und teilt ihr mit, dass die Artikel verfügbar sind.

"Gut, dann noch Toner."

"Wie viel brauchen Sie denn?"

"Sagen Sie mir erst einmal den Preis."

Dimitriadis nennt den Preis für 30 Stück.

"Diesen Preis hatten Sie letztes Mal auch schon. Und das ist der beste Preis."

"Kennen Sie Pinoccio? Jetzt wächst aber Ihre Nase."

Beide lachen.

"Na gut, dann mal danke für die Infos."

Es sei nicht damit getan, den Kunden die Preise zu nennen, erklärt Dimitriadis. Man benötige auch ein gewisses Einfühlungsvermögen, um die Stimmung am Telefon mitzubekommen. "Ich muss sozusagen zwischen den Zeilen mithören", sagt er. Auch er habe für jeden Kunden erst die richtige Strategie finden müssen, damit sich am Ende eine Win-Win-Situation ergibt.

Um die Mitarbeiter hierbei zu unterstützen, schult der Distributor die Mitarbeiter auch in diesem Bereich. Doch auch die Einkäufer der Großkunden durchlaufen Schulungen. So ergibt es sich, dass sich manches Telefonat eher wie eine Verhandlung zwischen zwei ägyptischen Kamelhändlern anhört:

"Hallo, bist du auch eingeschneit, wie wir hier in München?

"Fangen wir gleich an, Infineon SD-RAM, schau mal zu, ob du den findest und was der kostet."

Dimitriadis nennt den Preis.

"Was? Alter Preis war 30! Aber egal. Dann Philips RW 4816.

"Nee, hab ich nicht."

"Compaq . . ."

Dimitriadis nennt den Preis.

"Ah: Preissenkung!"

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"Ah: Preiserhöhung!"

"Ja, es geht rauf und runter, wie im richtigen Leben."

"Also weiter. Palm Zire, drei Stück. Ich kann mich hier kaum retten vor Aufträgen." (lacht)

Dimitriadis tippt in den Computer, rechnet gleichzeitig auf seinem Taschenrechner und notiert nebenbei die genannten Preise auf einem Block neben der Tastatur.

"Okay, als nächstes Sony Vaio. So Junge, jetzt zeig mir mal deine Bestpreisgarantie."

Dimitriadis nennt den Preis und fragt:

"Was machst du denn daraus für einen Preis?"

"Weiß ich noch nicht. Aber, hab ich dir gesagt, dass ich davon zwei Stück brauche? Pass auf, ich werde das Ding günstiger bekommen!"

Dimitriadis lacht: "Haha, vom Lkw runtergefallen vielleicht."

Dimitriadis nennt erneut einen Preis:

"Letzter Preis bei zwei Stück."

"Okay."

"War's das?"

"Ja. Mit wem willst du jetzt sprechen?"

Dimitriadis wird an den nächsten Einkäufer des Kunden weitergereicht. Ein kurzer Blick auf die Uhr, und das Spiel beginnt von vorne.

"Nach etwa eineinhalb Stunden brauche ich immer ein paar Minuten Pause", erzählt er. Richtig abschalten kann er dann, wenn er nach Hause geht. "Wenn ich zu Hause bin, lasse ich den Tag hinter mir. Ich nehme die Kunden nicht mit. Wenn ich hier raus bin, ist Schicht im Schacht."

Mittlerweile ist es 12 Uhr, und er geht gemeinsam mit ein paar Kollegen in die Mittagspause. Mit dabei ist auch seine Chefin, Gabi Sobota-Fischer, Sales Senior Director Business Channel. Sie sitzt normalerweise in ihrem durch eine Glasfront abgetrennten Büro rechts vom Eingang zum Business-Channel-Bereich. Ihre Mitarbeiter sucht sie nach bestimmten Kriterien aus. Einen kaufmännischen Hintergrund sollten sie haben, denn jeder Kundenbetreuer habe einen gewissen Rahmen in der Preisgestaltung gegenüber den Kunden zur Verfügung. Auch Erfahrung im IT-Umfeld sollte der Bewerber mitbringen. Und es sei letztendlich sehr wichtig, dass die Call-Center-Mitarbeiter sehr lange bei Ingram bleiben, denn die Kontinuität in der Kundenbetreuung sei gerade im Business-Bereich ein sehr wichtiges Thema. Die Fluktuation der Mitarbeiter sei sehr gering. "Wir haben einige Mitarbeiter in der Abteilung, die schon ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert haben", zeigt sich die Business-Channel-Chefin zufrieden.

Trotz des kalten Schmuddelwetters entscheidet sich die Gruppe, heute nicht in die Kantine, sondern zu "Samen Schmitz" zu gehen, einem Gartencenter, das zehn Gehminuten entfernt ist. Zwischen Gartenzwergen und Gießkannen ist dort ein kleines italienisches Restaurant integriert. Heute sind zwei Kollegen von Dimitriadis aus dem SMB-Channel und auch die Leiter beider Abteilungen mitgekommen. Es wird viel gelacht, wobei vor allem die Abteilungsleiter den einen oder anderen Schwank zum Besten geben. Nach der Pasta schaut Dimitriadis auf seine Uhr. "Ich glaub', wir müssen langsam wieder rüber", drängelt er vorsichtig. Draußen hat es wieder angefangen zu schneien, und die Gruppe macht sich auf den Rückweg.

Szenenwechsel: hinter der "Chinesischen Mauer"

Zurück in der Firma schnappt sich Daniela Fecondo auf ihrem Weg in den ersten Stock ein Bonbon aus dem runden Glas, das bei der Empfangsdame in der Eingangshalle steht. Dimitriadis wird den folgenden Nachmittag damit verbringen, seinen Kunden nachzutelefonieren, um aus den am Vormittag geführten Preisverhandlungen fixe Bestellung zu bekommen. Daniela Fecondo und ihr Kollege Thomas Kalusa machen sich auf den Weg zu ihren Schreibtischen hinter der "Chinesischen Mauer", wie die Tür zwischen Business- und SMB-Channel von den Call-Center-Mitarbeitern genannt wird. Denn "hier ist eine vollkommen andere Welt", meint Ute Diermeier, Sales-Director SMB Channel, Sales Operations & New Costumers. Auch wenn sich das Großraumbüro nicht wesentlich von dem der Business-Channel-Verkäufer unterscheidet, bemerkt man den Unterschied spätestens an der Anzahl und dem Ablauf der hier geführten Telefonate.

"Ich telefoniere täglich ungefähr 160 Mal. Damit kommen aber nur maximal 30 Buchungen rein", erzählt Thomas Kalusa, der sich nach der Mittagspause an seinen Schreibtisch gesetzt und sein Telefon wieder auf "Bereitschaft" geschaltet hat. Neben seinen Ablagefächern liegt ein etwa 20 Zentimeter hoher Stapel mit einem gelben Post-it darauf. "Kein Müll" steht auf dem Zettel. "Das sind Ausdrucke aus der Neukundenabteilung. Die Neukunden werden von uns in ruhigeren Zeiten angerufen, um den ersten Kontakt aufzubauen", erklärt Kalusa. Ein Blick zurück auf das Telefon-Display verrät ihm, dass im Moment vier Anrufer in der Warteschlange hängen. Bevor er einen dieser Anrufer übernimmt, checkt er seine E-Mails und ruft einen Kunden an, der um Rückruf gebeten hat:

"Hallo, Herr Kalusa. Ich habe hier eine Rechnung für eine Ersatzlieferung bekommen, und es fehlt ein Euro Umweltpauschale. Es geht mir nicht um den einen Euro, aber ich wollte gar keine Ersatzlieferung, und jetzt habe ich sie da."

"Also, wenn es nicht so schlimm ist, behalten Sie die Karte, und wir verrechnen den einen Euro mit ihrer nächsten Bestellung. Ist das in Ordnung so?"

"Ja, das geht in Ordnung."

Kalusa vermerkt im Kundenprofil auf seinem Bildschirm, dass dem Kunden bei der nächsten Bestellung ein Euro verrechnet wird.

Dieses oder ähnliche Telefonate sind für den 23-jährigen Sales Representative an der Tagesordnung. Hier geht es überwiegend nicht um dicke Aufträge, sondern oft auch um die kleinen Wehwehchen der einzelnen Fachhändler. Mit Wehwehchen hatte der gelernte Sozialversicherungsangestellte bereits bei seinem früheren Arbeitgeber zu tun. Er war Kundenberater bei einer Krankenkasse in Sachsen-Anhalt, bevor er vor dreieinhalb Jahren nach München und später zu Ingram kam. Aber der Job bei Ingram sei an Spaß nicht zu überbieten. Einer seiner Bekannten, der bereits bei Ingram arbeitete, erzählte ihm damals, dass noch Leute gesucht würden. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht einmal eine Ahnung davon gehabt, was ein Streamer sei. Heute ist das anders: "Ich habe hier bestimmt bereits so viel umgesetzt, wie mancher Kunde", erzählt der zwischenzeitlich zum EDV-Freak mutierte Kundenbetreuer und zählt mit Digicam, DVD-Player, Scanner und Drucker nur einige Dinge auf, die er seit seinem Einstieg bei Ingram sein Eigen nennt. Zwischenzeitlich arbeite auch seine Freundin hier. Sie sitzt in der Buchhaltung.

Jetzt wirft er wieder einen Blick zum Telefon und holt sich den nächsten Kunden aus der Warteschleife. Dieser nennt wie alle Fachhändler, die diese Nummer wählen, sofort seine Kundennummer, und Kalusa holt sich die Daten auf den Bildschirm.

"Ich habe die letzte Rechnung bezahlt, bekomme aber keine Ware."

"Wie lange ist das her?"

"Ich habe vergangene Woche das Fax bekommen und den Betrag überwiesen."

"Vielleicht haben Sie zu spät bezahlt. Wenn bei Vorkasse der Betrag nicht innerhalb von zehn Tagen bezahlt wird, wird der Auftrag im System automatisch gelöscht."

"Es ist aber nur ein Teil nicht gekommen: Das Kombo-Laufwerk fehlt noch."

"Das Laufwerk wurde gelöscht. Das Ding gibt es nicht mehr."

"Und eine Alternative?"

"Ja, die ist sogar um einen Euro günstiger."

"Dann schreiben Sie bitte mal auf meine Bestellung von heute ein Gerät dazu. Und bitte wieder ein neues Fax, wegen der Überweisung."

"Gut, mach ich. Schönen Tag noch."

Welcher seiner Kollegen die heutige Bestellung des Kunden aufgenommen hatte, ist egal. Er ergänzt sie im System um das gewünschte Laufwerk. Hier im SMB-Bereich werde zwar auf Provision gearbeitet, aber die gibt es aus einem großen gemeinsamen Topf. Denn es kann passieren, dass einer der Betreuer stundenlang nur mit der Beratung verschiedener Kunden beschäftigt ist und diese Kunden dann später bei einem anderen Kollegen den Auftrag platzieren. Ein anderes Provisionsmodell wäre daher ungerecht.

Aber es gibt auch ein paar Kunden, die Kalusa "selbst aufgepäppelt" hat und zu denen er ein besonderes Verhältnis hat. "Da menschelt es dann schon ein bisschen", plaudert er. Das sei aber eher die Ausnahme. "Diese Fachhändler haben in ihrem Kundenprofil einen Vermerk, dass sie von mir persönlich betreut werden." In der Regel kennen die Call-Center-Mitarbeiter im SMB-Channel die Kunden jedoch nicht. Man erkenne vielleicht den einen oder anderen an der Stimme oder an anderen Auffälligkeiten. "Einer unserer Kunden 'singt' seine Kundennummer fast durchs Telefon. Oder ein anderer sagt sie sehr monoton. Diese Kunden begrüße ich dann gleich mit ihrem Namen." Sagt’s und holt sich den nächsten Anruf aus der Warteschleife.

"Ich brauche einen Remote-Agent für eine zweite Workstation", sagt die Kundin.

"Hmmm, den Remote-Agent braucht man doch nur für den zweiten Server und nicht für die Workstations. Aber ich rufe vorsichtshalber kurz bei unserer Produktmanagerin an. Bitte warten Sie einen Moment."

Kalusa schaltet zur Produktmanagerin und erklärt ihr die Anfrage. Er hat Recht und erntet zwischendurch noch schnell ein Lob von ihr, dass er sich so gut auskenne. Er strahlt und schaltet zurück zur Kundin.

"Ja, das ist so. Für eine Workstation ist ein zweiter Remote- Agent überflüssig."

"Na, das ist ja Klasse, dann spar ich mir das Geld."

Kalusa zieht aus einem seiner Plexiglas-Ablagefächer die Veritas-Preisliste heraus und tippt sich gleichzeitig durch die Software-Preisliste auf seinem Bildschirm. Dann gibt er der Kundin die Telefonnummer von Veritas.

Währenddessen geht ein Kollege von Schreibtisch zu Schreibtisch und verteilt Hauppauge-Prospekte. "Jetzt kommen wieder die Produktmanager und wollen uns ihr geballtes Wissen verkaufen, sagt Kalusa, während er mit hochgezogenen Augenbrauen schelmisch grinst. Neben den Telefonaten müssen sich die Mitarbeiter auch das nötige Produktwissen aneignen.

Neben seiner Arbeit bei Ingram Micro macht Kalusa noch eine Ausbildung zum Fachkaufmann Marketing. "Ich will vorankommen und habe dabei auch die volle Unterstützung meines Vorgesetzten. Ingram beteiligt sich auch an den Kosten für diese Weiterbildung, erzählt der angehende Marketing-Experte weiter.

Zwei Schreibtische hinter ihm sitzt Daniela Fecondo. Sie macht den gleichen Job, hält aber von Marketing überhaupt nichts. "Ich würde in Zukunft gerne einmal Key-Account-Kunden betreuen." Auch ihr Freund arbeitet in der Key-Account-Abteilung. "Aber was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, ist, im Marketing zu arbeiten", sagt sie. Die 23-Jährige ist seit Juli 2001 bei Ingram Micro im SMB-Bereich. Auf den Tipp ihres Freundes hin bewarb sich die ehemalige Zahnarzthelferin bei dem Distributor, war jedoch skeptisch: "Ich hätte nie gedacht, dass es bei Ingram klappt, weil ich ja von gar nichts eine Ahnung hatte. Zu meiner riesigen Angst vor IT kam dann am ersten Tag der Speed-Up-Tage auch gleich noch eine Schulung über Festplatten dazu", erzählt sie.

Die Speed-Up-Tage führt der Distributor für alle neuen Mitarbeiter durch. In drei Tagen wird ihnen das Unternehmen vorgestellt. Sie nehmen an Schulungen teil und lernen in ihrer neuen Gruppe. "Sogar unser oberster Chef, Herr Kaack persönlich, hat uns damals herumgeführt", erzählt Fecondo stolz. Heute sitzt die Telefonverkäuferin fest im Sattel, und sie könne sich im Moment keinen besseren Job vorstellen. "Meine Arbeitszeit ist von 8.30 bis 18 Uhr und freitags bis 17 Uhr. Alle zwei Wochen haben wir im SMB-Bereich auch noch einen freien Tag", erzählt sie, als das Telefon surrt. Sie holt sich das Gespräch, und da der Kunde am anderen Ende einen ISDN-Anschluss hat, erkennt ihn das System anhand seiner Telefonnummer und zeigt auf ihrem Bildschirm automatisch die Kundenmaske an.

"Ingram Micro, Fecondo, guten Tag."

"Guten Tag. Ich habe gestern online etwas bestellt, und jetzt steht hier per Vorkasse. Geht das auch per Nachnahme?"

"Nein, aber Sie können den Zahlungsbeleg an Ingram faxen. Dann geht die Ware raus."

"Gut, danke. Auf Wiederhören."

Der nächste Anrufer hat gleich zwei Dinge zu klären. Erstens nimmt das Online-Bestellsystem sein Passwort nicht mehr an, und er braucht einen neuen Zugang, und zum Zweiten braucht er Ausstattung und Preis für drei Evo-Notebooks.

"Na, dann machen wir erst einmal gemeinsam Ihre neue Online-Registrierung", bietet Fecondo dem Kunden an.

Die nächsten 15 Minuten führt sie den Kunden durch die Registrierung für das Online-Bestellsystem IM-Order. Die Sache mit den Notebooks wird ein wenig schwieriger. Interne Diskettenlaufwerke sollen sie haben, habe ihm einer ihrer Kollegen vor einigen Tagen gesagt. Fecondo holt sich das Datenblatt für das Modell auf den Bildschirm und muss verneinen. Welcher Kollege es denn gewesen sei, fragt sie und macht sich gleichzeitig durch Winken bei ihrem Kollegen, der am Schreibtisch direkt gegenüber sitzt, bemerkbar. "Hast du mit einem Kunden wegen Evo-N-800V-Notebooks gesprochen? Ob die interne Diskettenlaufwerke haben?" Ihr Kollege kann sich schwach erinnern. Die Telefonverkäuferin geht im System zurück auf das Datenblatt und muss ihrem Kunden erklären, dass er wohl eine Fehlinformation bekommen habe und die Notebooks über kein integriertes Floppy-Laufwerk verfügen. Er könne sich die Datenblätter selbst im System ansehen.

Dieses Telefonat hat insgesamt 25 Minuten gedauert und war kein Abschluss. Ihr Kollege, den sie kurz gefragt hat, telefoniert schon wieder mit dem nächsten Kunden. Obwohl sich die beiden Schreibtisch an Schreibtisch gegenüber sitzen, ist für ein Gespräch selten Zeit. Jeder Call-Center-Mitarbeiter ist wie eine Einheit mit dem Telefon und seinem Bildschirm. Da bleibt für die Außenwelt, die nur ein paar Zentimeter entfernt ist, wenig Raum.

Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, geht Fecondo drei Mal die Woche in ein Fitness-Studio oder telefoniert nach Feierabend auch mal eine Stunde mit ihrer Freundin.

Es ist kurz vor 18 Uhr, und Ute Diermeier, Sales Director SMB Channel, Sales Operations & New Customer sitzt in ihrem Büro, das durch Glaswände abgetrennt am Eingang zum SMB-Bereich liegt. Die Tür ist immer offen, aber von dem "Grundmurmeln", das die 45 Mitarbeiter den ganzen Tag über im angrenzenden Großraumbüro verursachen, ist hier fast nichts mehr zu hören.

Sie zieht Bilanz über den vergangenen Monat. Rund 35.000 Anrufe sind im Januar eingegangen. Das bedeutet zwischen 3.000 und 3.500 Telefonate am Tag, die die SMB-Call-Center-Mitarbeiter entgegengenommen haben. Doch genauso wichtig wie die Mitarbeiter im Telefon-Sales sind ihr auch ihre Kollegen und Kolleginnen im Backoffice.

"In den vergangenen Jahren haben wir mit dem Aufbau des Backoffice-Bereiches und der Zentralisierung der administrativen Tätigkeiten daran gearbeitet, den Call-Center-Mitarbeitern den Rücken freizuschaufeln und Ressourcen für die reine Kundenbetreuung zu schaffen. Ein Vertriebsmitarbeiter im Call-Center sollte theoretisch einen Auftrag nur einmal bearbeiten", sagt die SMB-Chefin. Für alles andere wie Gutschriften, Umbuchungen oder Artikelbetreuung gibt es das Backoffice-Team.

Inzwischen ist im Großraumbüro des Telefon-Sales das Licht ausgegangen. Es herrscht eine fast gespenstische Stille. Wo noch vor Minuten 45 Menschen gleichzeitig am Telefonieren waren, ist jetzt völlige Ruhe. Da steht plötzlich ihr Kollege Alexander Strässle, Sales Senior Manager SMB Channel & Cooperations, in der Tür. Er hat eine Flasche Champagner in der Hand. "Wir haben heute etwas zu feiern", sagt er und strahlt über das ganze Gesicht. "Einen Auftrag über 130.000 Euro schreiben wir im SMB-Bereich auch nicht jeden Tag." Der Champagner wird geköpft, und Strässle gibt endlich das Geheimnis der Distribution zum Besten: "Die Menschen, die in der Distribution arbeiten, geben 120 Prozent. Bei uns arbeiten die 'Distributions-Junkies'. Diese Menschen haben offensichtlich in ihrer DNA ein zusätzliches Gen: das 'D' - es steht wahrscheinlich für Distribution." (bw)

www.ingrammicro.de

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