Eine Idee mit Zukunft: Compaqs Multi-Port

31.05.2001

Das IT-Thema des Jahres 2001 heißt Wireless. Bluetooth und andere drahtlose Geräte überschwemmen den Markt. Sie sollen das Gesicht der IT-Landschaft komplett verändern, behaupten die Hersteller. Und ihr Einfallsreichtum ist grenzenlos. Ob in kleinen Handheld-Computern, in Notebooks oder in Desktop-PCs, überall werden wir in Zukunft Kommunikationschips wiederfinden. Der Slogan dazu steht auch schon fest: "Mobiles Arbeiten".

Die Vorstellung der Hersteller ist dabei bestechend einfach: Jeder soll sich in Zukunft mit seinem Notebook irgendwo in der Firma an einen freien Platz setzen können, das Gerät einschalten und schon ist er oder sie im Intranet eingebunden. Das Suchen nach einem Netzwerkanschluss entfällt ebenso wie das Patchen der entsprechenden Verbindungskabel, so die Fiktion der Hersteller.

Schade, dass diese Fiktion mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt: Zwar tagen schon seit Jahren Konsortien, um einheitliche Standards für die drahtlose Nachrichtentechnik zu schaffen, doch der Teufel steckt wie so oft im Detail. Was nützt der schönste Standard, wenn jeder Hersteller bei der Umsetzung in Bits und Bytes sein eigenes Süppchen kocht und mit so genannten Extensions den Standard ad absurdum führt?

Das alles weiß man bei Compaq. Umso kühner erscheint deshalb der Versuch, mit der neuen Evo-Serie einen neuen Standard namens Multi-Port bei der drahtlosen Anbindung von Notebooks, Desktops und Workstations einzuführen. Der Wireless-Port soll laut Compaq auf einem offenen Standard basieren. Das bedeutet: Fremdanbieter können für Compaq-Geräte Produkte produzieren. Mit einem Handgriff ließen sich dann solche Geräte um ein neues Modul nach einem weiter entwickelten Wireless-Standard erweitern.

Ob Compaq aber die Karten für seinen Multi-Port komplett auf den Tisch legen will, ist derzeit fraglich. Die Erfahrung zeigt: Bis ein Hersteller seinen proprietären Standard im Markt etablieren kann, vergeht viel Zeit. Andere Hersteller schießen zurück, ziehen einen eigenen Standard aus der Tasche oder schmieden Allianzen. Das alles geschieht nicht, weil diese Lösungen besser wären zumal für den Anwender, sondern um den unliebsamen Konkurrenten auszubremsen. Klar, dass der dann zurückschlagen muss, durch eigene Allianzen, durch Lizenznehmer und Partner.

Ich vermute, dass das auch bei Compaqs Multi-Port-Standard der Fall sein wird. Es wird viel Zeit vergehen, bis man weiß, ob sich der Standard durchsetzen wird. Bis dahin wird man ihn nur bei Compaq finden. Das ist ausgesprochen schade und kurzsichtig. Denn aus dem Blickwinkel des Anwenders betrachtet, wäre ein Hersteller-übergreifender Wireless-Standard unbedingt notwendig.

Erst dann könnte tatsächlich ein neuer Schritt in der Evolution des PCs eingeläutet werden. Es wäre den Endverbrauchern, dem Handel und den IT-Herstellern gedient, wenn sich in Zukunft Geräte unterschiedlicher Firmen mit einander kombinieren ließen. Zwar würden den einzelnen Unternehmen wahrscheinlich am Anfang Gewinne entgehen, aber der Verbraucher würde es zu schätzen wissen, auf eine größere Produktvielfalt zugreifen zu können. Außerdem braucht nicht jeder Hersteller das Rad dann bei seinem Produkt wieder neu zu erfinden. Er kann einfach auf das Gerät eines Fremdanbieters zurückgreifen. Das senkt die Produktionskosten und macht Hardware insgesamt erschwinglicher.

Um das Geschäft mit Wireless-Geräten in Schwung zu bringen, sollte Compaqs Vorschlag ernst genommen werden. Sollte ... Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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