Eine symbolische Mark für angeschlagenen Foto-Riesen

01.03.2001
Rückwirkend zum 1. Januar hat Pixelnet das Traditionsunternehmen Photo Porst übernommen. Die mehr als 2000 Läden sollen Pixelnets Vorrangstellung in Sachen Digital-Fotografie stärken.

Nach über 81 Jahren Unternehmenstradition als Fotospezialist ist bei Photo Porst die Luft raus, zumindest finanziell. Am 22. Februar wurde das Schwalbacher Unternehmen für eine Mark von Pixelnet, Anbieter von Internet-basierten Dienstleistungen rund um die Fotografie, übernommen. Auf den ersten Blick scheint diese Aktion eine schier unlösbare Aufgabe: Da kauft ein kleiner David mit einem Umsatz im Jahr 2000 von gerade einmal 45 Millionen Mark einen Goliath mit fast einer halben Milliarde Mark Umsatz, rund 200 Filialen und etwa 1.900 Mitarbeitern sowie mehr als 1.800 Franchise-Nehmern (siehe dazu Kasten).

Pixelnet-Vorstandsvorsitzender Matthias Sawatky sieht jedoch in der Integration von Photo Porst und der Outlets eine hervorragende Basis für die digitale Fotografie und den Pixelnet-Scan-Service. Der Kunde kann nun wählen, ob er seine digitalen oder analogen Fotos zum Fachhändler um die Ecke zur Entwicklung oder Digitalisierung gibt oder per Internet den Auftrag erteilt.

Somit will Sawatzky Porst unabhängiger vom Neubilder-Geschäft machen, da es auf Dauer zu geringe Margen bietet. Diese Margen können sich - zumindest für das neue Unternehmen Pixelnet Photo Porst - aber demnächst wieder erholen, da Pixelnet Ende letzten Jahres das Fotogroßlabor Orwo gekauft hat. "Porst hat im letzten Jahr rund sieben Millionen Fotofilme verkauft und idealerweise ist Orwo Spezialist für Filmkonfektion", erläutert Walter Ragaller, Leiter Investor Relations bei Pixelnet, das Potenzial des Zusammenschlusses der verschiedenen Geschäftszweige.

Das Hauptaugenmerk legt Pixelnet aber auf die Digitalisierung von Papier-Abzügen "aus dem Altbilder-Bestand". Darin sieht Sawatzky das bedeutende Zukunftsgeschäft. Seinen Schätzungen zufolge liegen rund 120 Millionen Fotos in "Schuhkartons" beim Privatkunden, die nur darauf warten, für die Online-Kommunikation oder zur Archivierung eingescannt zu werden. Dazu sollen die Porst-Shops verstärkt mit Digitalisierungs-Stationen ausgestattet werden. Laut Ragaller hat der Fotofachhandel den Geschäftsbereich Super 8 kampflos an Retailer-Ketten abgegeben. Das soll mit dem Zukunftsmarkt Digitalfotografie nicht passieren, da sei Pixelnet davor.

Zusätzlich will das New-Economy-Unternehmen aus Sachsen-Anhalt die Porst-Ladengeschäfte in den Bereichen Mobil- und Festnetztelefonie ausbauen. Dieser Bereich war schon von Porst durch eine Allianz mit Debitel vorbereitet worden. Rund 20 Prozent der Läden (inklusive Franchise-Nehmer) bieten schon Mobiltelefone und entsprechende Dienstleistungen an.

Ein weiterer, ausbaufähiger Geschäftszweig ist für Pixelnet "Multimedia". Hinter diesem Begriff verstecken sich im Porst-Sprachgebrauch Computer und Peripheriegeräte wie Scanner und Drucker. Derzeit verkaufen rund 500 Porst-Läden PCs, jedoch nur zur Abrundung des Hauptsortiments. Laut Ragaller soll hier der "Aktionshandel" verstärkt werden. Dabei werden mehrmals im Jahr größere Stückzahlen preisattraktiver PC-Systeme angeboten. Hierbei wird Pixelnet wohl die engen Kontakte zu Batavia und Lintec Computer nutzen. Batavia ist Hauptanteilseigner an der Pixelnet und Herbert Lindemeyer, Vorstandsvorsitzender der Lintec Computer AG, ist dort wiederum Aufsichtsratsvorsitzender. Auch Sawatzky selbst, der von Batavia zu Pixelnet wechselte, ist laut Ragaller ein Garant für gute Zusammenarbeit. So kann sich Ragaller unter anderem gut vorstellen, zum Beispiel Laptops von RFI, einer Lintec-Tochter, und PCs von Lintec ins Angebot aufzunehmen. Somit ist seiner Meinung nach eine profitable Synergie der einzelnen Konzernbereiche möglich. (go)

www.pixelnet.de

www.porst.de

ComputerPartner-Meinung:

Pixelnet hat sich viel vorgenommen: der Markt für digitale Fotografie soll gleichzeitig im Internet und über Fachhändler aufgerollt werden. Die engen Verbindungen zu Labors und Lieferanten sind ebenfalls sehr vielversprechend. Trotzdem reagiert die Börse nur verhalten auf diesen Streich Die Pixelnet-Aktie dümpelt weiterhin 50 Prozent unter ihrem Einstiegspreis und das ist schade, denn hier zeigt ein New-Economy-Unternehmen Einsatz, Weitsicht und Mut - und das sollte unbedingt honoriert werden. (go)

Der Übernahme-Preis

So teuer kann eine Mark sein

Mit der symbolischen Mark ist der Finanzaufwand für Pixelnet nicht getan. Die Eigenkapitaldecke von Photo Porst war nach jahrelanger Durststrecke durch ein Minus von 27,5 Millionen Mark in 2000 endgültig zu löchrig geworden. Das belgische Mutterhaus Spectour Group, durch zahlreiche Zukäufe in den vergangenen Jahren zum weltgrößten Fotoanbieter avanciert, wollte offiziell nicht bei den kreditgebenden Banken einspringen. In Wirklichkeit hatte das Mutterhaus selbst finanzielle Schwierigkeiten und war von der eigenen Hausbank an die kurze Leine genommen worden. Deshalb schlidderte Photo Porst in die Liquiditätskrise. Da Pixelnet bereits seit Sommer 2000 mit der Spetour Group wegen einer möglichen Kooperation im Bereich Mailorder verhandelte, nahm man die Chance wahr und wurde mit einer Finanzspritze von 20 Millionen Mark zum Retter und neuen Eigentümer von Photo Porst. Dazu kommen nun aber weitere Ausgaben für notwendige Restrukturierungsmaßnahmen. Noch ist jedoch offen, wie teuer die vom Unternehmensberater Roland Berger bereits vor Jahren für Porst entwickelten Sanierungsmaßnahmen sein werden. Ende März wird Pixelnet den entsprechenden Geschäftsbericht vorlegen.

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