Einfach ist am besten

11.01.2001
Amerikanische Marktforscher haben festgestellt: 65 Prozent aller Einkäufe im Internet scheitern ausschließlich am umständlichen Aufbau der jeweiligen Shopping-Seite. Dabei könnten schon ein paar einfache Änderungen helfen.

Schlechter geht’s nicht. "Es gibt etwa 20 Millionen Internet-Sites, und - seien wir ehrlich - beinahe alle sind widerlich", urteilt Design-Guru Jakob Nielsen über die Gestaltung des Internet-Auftritts. Der Grund: Statt bei der Arbeit an die Bedürfnisse der Internet-Nutzer zu denken, haben die meisten Designer nur Kunst im Sinn. Die Folge: Die Zielgruppe fühlt sich von komplizierten Seitenführungen überfordert, wendet sich bei zu langen Ladezeiten frustriert ab - und kauft schließlich bei der Konkurrenz. Das Fazit: Web-Seiten, die erfolgreich sein wollen, müssen einfach und klar strukturiert aufgebaut werden. Nur dann haben sie Erfolg.

Dass dieser auch messbar ist, beweist eine Studie der Nielsen Norman Group. Die Gesellschaft hat den Markterfolg von E-Commerce-Unternehmen in Zusammenhang mit der Qualität ihrer Homepages untersucht. Als Richtlinie dienten die 222 Tipps der "Nielsen Norman Group’s Design Guidelines for E-Commerce User Experience". E-Commerce-Star Amazon erfüllte immerhin 72 Prozent der Vorgaben. Neun weitere Internet-Bestseller kamen auf 51 Prozent der Vorgaben.

Hingegen entsprachen die Web-Seiten von zehn wahllos herausgegriffenen E-Commerce-Unternehmen mit durchschnittlichem Ver- kaufserfolg nur zu 37 Prozent den Design-Vorgaben. "Das Web ist so schlecht, dass man es um 2.000 Prozent verbessern müsste", folgert Nielsen. Dabei sind viele Design-Richtlinien, die Benutzerfreundlichkeit garantieren, seit Jahrzehnten erprobt und müssten nur auf das Internet übertragen werden.

Wie für jedes Ladengeschäft gilt auch fürs Web, dass der Benutzer das Ziel aller Aktivitäten ist. Eine Homepage muss daher in erster Linie seinen Bedürfnissen gerecht werden. Texte und Layout sollten zielgruppengerecht gestaltet sein. Alle künstlerischen Vorstellungen haben hinter diesem Ziel zurückzustehen. Daraus ergibt sich auch, dass der Surfer auf Anhieb erkennen muss, was die Website ihm bietet. Und er sollte sich von Anfang an ohne Einarbeitungszeit auf der Homepage zurechtfinden und alle benötigten Informationen sofort entdecken können.

Tipps für tolle Homepages

Schon eine Hand voll simpler Leitlinien steigert die Benutzerfreundlichkeit einer Homepage. Zu beachten sind dabei folgende Punkte:

- Performance:

Surfer wollen keine langen Wartezeiten im Web. Einfache Maßnahmen helfen, die Performance zu beschleunigen.

Reduzieren Sie die Komplexität Ihrer Seiten: Kleinere Grafiken und unterteilte Tabellen lassen sich schneller aufrufen als größere Exemplare.

Sparen Sie am Text: Kurze Texte sind besser als lange. Sie sind lesefreundlicher und lassen sich schneller aufrufen. Längere Wartezeiten ergeben sich vor allem dann, wenn der Link auf einen Text im unteren Sektor einer umfangreichen Seite verweist.

Reduzieren Sie die Anzahl der Grafiken: Fragen Sie sich, ob die dargestellten Grafiken wirklich einen Sinn haben. Bilder sind schön. Doch je weniger Grafiken Ihre Site beinhaltet, desto schneller baut sie sich auf.

Machen Sie Dokumente auch ohne Grafiken nutzbar: Damit Anwender eine grafisch hinterlegte Webste nutzen können, bevor alle Bilddateien übertragen sind, müssen alternativ Texte angeboten werden.

Sparen Sie mit Klicks. Je weniger Aktionen ein Surfer ausführen muss, um zum Ziel zu gelangen, desto besser. Vier Klicks bis zum Angebot sind drei zu viel.

Verzichten Sie auf Plug-Ins und Zusatzfragen. Ihr Benutzer sollte an seine gewünschte Information gelangen können, ohne zuvor etwas ausfüllen oder herunterladen zu müssen.

Wo vom Besucher auszufüllende Fragebögen und Listen unumgänglich sind, etwa bei der Kontaktaufnahme oder bei der Bewertung von Produkten, sollten diese Listen möglichst selbst erklärend sein.

- Lesbarkeit:

Das Aussehen einer Site hängt stark vom verwendeten Client und Computersystem ab.

Verwenden Sie hohe Helligkeitskontraste: Am besten lesbar ist schwarze Schrift auf weißem oder hellgelbem Grund. Am schlechtesten zu erkennen ist blaue oder rote Schrift auf schwarzem oder grauem und gelbe oder grüne Schrift auf weißem Hintergrund. Beachten Sie bei der Farbwahl, dass viele Mitmenschen farbenblind sind.

Setzen Sie harmonierende Farben ein: Einige Farben erzeugen, wenn sie direkt nebeneinander gestellt werden, ein unruhiges Bild und sind schwer zu fokussieren. Dies gilt etwa für Kombinationen wie Blau auf Rot oder Grün auf Lila.

Setzen Sie keine feste Bildschirmauflösung voraus. Jedes Web-Dokument sollte auch auf Systemen mit geringer Auflösung in voller Breite dargestellt werden können. Im anderen Fall müssen einige Benutzer sowohl horizontal als auch vertikal scrollen, um alle Informationen erfassen zu können.

- Seitenlänge:

Kurze Web-Dokumente sind langen vorzuziehen. Kleine, erklärende Grafiken und verlinkte Erläuterungen sind günstiger als um- fangreiche Texte.

Stellen Sie Menüs daher immer auf einer einzigen Seite dar: Der Benutzer von langen Dokumenten muss scrollen oder blättern, um manche Informationen aufrufen zu können. Er verliert den Überblick.

Versehen Sie lange Seiten mit einer Übersicht: Bei umfangreicheren Dokumenten verschafft ein Verzeichnis am Anfang des Textes, das mit Sprüngen zu verschiedenen Stichpunkten führt, mehr Überblick.

Interessante Informationen gehören nach oben.

Verfassen Sie kurze Seitenköpfe. Benutzer wollen nicht scrollen, um mit der Lektüre der Informationen anfangen zu können.

- Orientierung:

Die beste Orientierungshilfe bietet der Kopf der Seite.

Der Seitentitel muss daher immer ihren Inhalt umreißen - am bes-ten in Form eines kurzen, prägnanten Satzes. Zudem sollte er erkennen lassen, wer der Anbieter der Seite ist.

Und er sollte stets auch die Position der Site in der Menühierarchie dokumentieren. So kann sich der Benutzer lokal orientieren. Sind diese Angaben als Links gestaltet, kann der Leser direkt an eine beliebige Stelle in der Hierarchie zurückspringen.

Eindeutig wiedererkennbar muss auch der <TITLE>-Text sein. Denn die meisten Browser zeigen in der Liste der Bookmarks den Text des <TITLE>-Tags an. Viele Suchmaschinen listen ihn als Dokumententitel auf.

- Navigation:

Wer eine Homepage erstellt, sollte darauf achten, dass die Informationen für die Benutzer schnell und einfach greifbar sind.

Gliedern Sie die Informationen nach den Anforderungen der Benutzer. Hierfür bieten sich zwei Gliederungsformen an: die hierarchische und die sequentielle, also nach thematischer oder alphabetischer Reihenfolge. Erstere eignet sich insbesondere für Systeme mit vielen Objekten, da der Autor dem Nutzer über die Zusammenfassung zu Gruppen und Untergruppen einen besseren Überblick verschaffen kann.

Funktionen und Informationen lassen sich gut über Menüs wiederfinden, etwa über Pulldown-Menüs. Die Qualität der Menüs hängt sehr von der Qualität der Menütitel ab: "Produkte" ist klarer als "Leistungen des Unternehmens".

Suchmaschinen in der Website erleichtern das Auffinden von Dokumenten. Von den per Stichwortsuche gefundenen Objekten aus gelangen Benutzer über strukturelle oder assoziative Verweise zu weiteren Seiten, bis sie alle gewünschten Informationen recherchiert haben.

Ein alphabetischer Index der auf der Site platzierten Dokumente, der Produkte oder etwa der Projekte ermöglicht es, auf besonders wichtige Informationen direkt zuzugreifen.

Bieten Sie dem User auf jeder Seite die Möglichkeit an, zur Homepage des Systems, zu übergeordneten Seiten und zu den wichtigsten Navigationshilfen des Systems zu gelangen.

Nicht zu vergessen: Ihr Besucher sollte aus jeder Aktion, die er ausführt, einen Vorteil ziehen. Unnötige Klicks verärgern ihn nur.

- Fußnoten:

Vermerken Sie in der Fußnote das Datum der letzten Änderung.

Listen Sie dort den Autor der Seite oder die verantwortliche Position auf. Ein Link zur Homepage des Autors ermöglicht dem Leser, zusätzliche Informationen zu recherchieren.

Listen Sie parallel die E-Mail-Adresse einer verantwortlichen Person auf.

Dokumentieren Sie die URL der Seite. Sie bietet dem Leser die Möglichkeit, eine ausgedruckte Seite im Web zu finden.

- Hyperlinks:

Um eine zielgerichtete Navigation im Web zu ermöglichen, muss aus dem Link und dem umgebenden Text eindeutig hervorgehen, welche Informationen das Zielobjekt enthält.

Heben Sie daher einen inhaltlich relevanten Teil des Textes als Link hervor; der Tipp "Hier klicken" genügt nicht.

Geben Sie unerwartete Dokumenttypen an, zum Beispiel tif, jpeg oder giff.

- Konsistente Oberfläche:

Verschiedene Websites eines Unternehmens sollten ein einheitliches Design und eine einheitliche Oberfläche aufweisen. Web-Seiten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen, sollten sich allerdings auch optisch voneinander unterscheiden und interessante Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Benutzerfreundlich heißt nicht langweilig.

Vereinheitlichen Sie die Bedienungselemente: So sollten etwa Homepage-Buttons auf jeder Seite an der gleichen Stelle und in gleicher Gestalt wiederzufinden sein.

Verwenden Sie Logos: Menschen denken viel in Bildern. Einfache Grafiken haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Bleiben Sie bei einem Stil: Die Typographie als auch die Farbwahl sollten auf allen Seiten eines Internet-Auftritts beibehalten werden, um einen homogenen, professionellen Eindruck zu gewährleisten.

- Wahl der URL:

Damit die URL für Menschen möglichst einfach zu merken und zu verstehen ist, gilt folgendes:

Verwenden Sie keine ungewöhnlichen Abkürzungen.

Setzen Sie möglichst wenige Sonderzeichen ein.

Verwenden Sie Groß- und Kleinschrift konsistent.

Testen, testen, und nochmals testen

Sie haben alle Richtlinien - und mehr - beherzigt. Dann geht es in die letzte Etappe vor dem eigentlichen Online-Auftritt: die Testphase. Dabei genügt es allerdings nicht, Probanden zu befragen, ob und welche Seiten ihnen gefallen. Stattdessen sollten Sie sie auf Shoppingtour schicken. Stellen Sie realistische Aufgaben. Stoppen Sie die für die Erledigung der Aufgabe benötigte Zeit. Und geben Sie verschiedene Wege vor. Nur so können Ihre Internet-Gäste verborgene Fehlerquellen entdecken. Auf diesen Weise finden Sie heraus, ob der Weg zum Produkt umständlich, das Unternehmensporträt wenig aussagekräftig oder gar die Adresse nicht auffindbar ist.

Alle in der Testphase aufgetretenen Probleme sollten Sie vor der Online-Aktivierung Ihrer Home-page beseitigen. Denn schönes Design ist gut, funktionierendes ist besser. (cry)

www.asktog.com

www.nngroup.com

www.informatik.uni-hamburg.de

Nielsen Norman Group?s Design Guidelines

Wie man Internet-Shops nutzerfreundlich und somit erfolgreich gestaltet, führen die E-Commerce-Guidelines von Jakob Nielsen vor, eine Ratgeberserie in neun Teilen. Die einzelnen Untertitel lauten High-Level-Strategie, Rubriken, Produktseiten, Abmeldung und Re- gistrierung, Suche, Verkaufsstrategien, Vertrauen, Internationale Nutzer und Methodik.

Alle Aussagen des Leitfadens basieren auf den Ergebnissen einer Untersuchung von 20 europäischen und US-amerikanischen Online-Shops. Der gesamte Bericht kostet 400 Dollar und wird im Februar 2001 in Buchform erscheinen. Derzeit sind einzelne Studien nur auf der Website erhältlich. Mehr Informationen zum Inhalt finden Sie unter: www.nngroup.com/reports/ecommerce/ .

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