Einigung im Streit um 56K-Modem-Standard

20.03.1998

MÜNCHEN: Die Kontrahenten 3Com auf der einen Seite und die Allianz um den Chiphersteller Rockwell auf der anderen Seite haben ihr Kriegsbeil begraben. V.90 heißt der Kompromiß beim Streit um den 56K-Modem-Standard, auf den sich beide Lager auf Druck der ITU (International Communications Union) kürzlich verständigten.Wer die bis vor kurzem mit großem Aufwand geführten Marketingschlacht der Kontrahenten in die Rubrik "Viel Lärm um nichts" einordnete, lag nicht ganz falsch. Außer Spesen nichts gewesen, lautet das Resümee. Beide Lager waren in der Vergangenheit auf Nummer sicher gegangen und hatten eine Reihe von Upgrade-Möglichkeiten in ihre jeweils proprietären Lösungen namens x2 beziehungsweise K56-Flex integriert. Die Anfang Februar in Genf erzielte Übereinkunft kommt für Beobachter der Szene weder überraschend, noch wird sie, zumindest in Deutschland, zu einer massiven Belebung der Nachfrage führen.

Es ist geschafft. Der neue V.90-Standard für 56KBit/s-Modems wurde am 5. Februar in Genf verabschiedet. Modems, die dem neuen Standard entsprechen, erhöhen die Einwahlgeschwindigkeit bei Internetzugriffen auf bis zu 56 KB/s vom Provider zum Anwender, das heißt beim Download, und bis zu 33,6 KB/s in entgegengesetzter Richtung. Die Interoperabilitätstests von Rockwell und 3Com wurden unmittelbar nach der Verabschiedung des V.90-Standards von der ITU durchgeführt. Im Rahmen der Testreihe gewährten beide Unternehmen Zugriff auf ihre Server, um die Möglichkeit des gegenseitigen Einwählens, Verbindens und der Datenübertragung zu testen. Die Tests sind inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Mit dem Ergebnis hoffen die Anbieter den erlittenen Umsatz- und Vertrauensverlust bei Internet Service Providern (ISP), Geschäftskunden und nicht zuletzt privaten Anwendern schnell zu kompensieren.

Gute Umsätze ohne Standard

Optimistisch angesichts der Einigung zeigen sich bereits die Marktforscher. "Die Kooperation von Rockwell und 3Com ist ein entscheidender Schritt in der Entwicklung des 56K-Marktes und der gesamten Modem-Technologie. Die vollständige Interoperabilität beschleunigt die Annahme von 56K-Modems", wertet Lisa Pelgrim von Dataquest den erzielten Kompromiß. Von spürbaren Umsatzverlusten aufgrund des fehlenden Standards will man bei 3Com, zumindest offiziell, nichts wissen. "3Com konnte trotz des nicht verabschiedeten Standards im Jahr 1997 in Deutschland mehr als 500.000 56K-fähige Modems verkaufen. Die Kunden setzten dabei auf die Update-Garantie des Herstellers", hallt es aus der deutschen 3Com-Niederlassung in München. Bereits im zweiten Quartal diesen Jahres soll das Versprechen eingelöst werden und für alle U.S.-Robotics-56K-Modems mit x2-Technologie ein kostenloses Flash-ROM-Update auf den neuen V.90 Standard erhältlich sein. 1998 wird ganz im Zeichen von V.90 stehen, heißt es seitens der Verantwortlichen. Bereits kurz nach der CeBIT sollen sowohl die U.S.-Robotics-Modems von 3Com, als auch Megahertz-PC-Cards nach dem neuen V.90 Standard ausgeliefert werden. Ähnlich eilig hat es Mitbewerber Xircom. Der Spezialist für Mobile Connectivity Lösungen, der im Technologiesektor eng mit Lucent und Rockwell kooperiert, rechnet mit einer Verfügbarkeit des V.90-Upgrades noch zum März 1998.

Gerade im mobilen Einsatz wird ein großes Marktpotential für schnelle Modems erwartet. Dem Marktforschungsinstitut IDC zufolge, dürfte der weltweite Absatz an Notebooks bis zum Jahr 2000 etwa 24 Millionen pro Jahr erreichen. Nach Ansicht der Analysten sind Hochleistungs-Notebooks auf dem Vormarsch und werden den Desktop-PC als Primärrechner nach und nach ersetzen. "Hieraus resultiert eine verstärkte Nachfrage von Mobilanwendern nach flexiblen, Lösungen einschließlich schneller Modem-Technologien", so Dirk Gates, President und CEO von Xircom.

Geteilte Resonanz in Deutschland

In Europa und speziell in Deutschland ist ISDN, dank der Strategie von Post- und Telefondienstleistern, die Akzeptanz durch attraktive Preise zu fördern, weiter auf dem Vormarsch. Im stationären Betrieb innerhalb eines Unternehmens wird daher der Einsatz eines 56K-Modems im Vergleich zum leistungsfähigeren ISDN-Anschluß eine untergeordnete Rolle spielen, meint Marc Gebhardt, Vertriebsleiter bei der Connect Service Riedlbaur GmbH in Krefeld. Anders ist die Situation für den weltweit tätigen, mobilen Computeranwender. Er wird den ISDN-Anschluß für sein Notebook in vielen Ländern dieser Welt vergeblich suchen. Für ihn gibt es zum schnellen Modem bisher keine Alternative. "Der Markt für Notebook-Zubehör zieht an. Das reicht vom GSM-Kabel bis zur Modemkarte. Notebookkunden sind weniger preissensitiv und entscheiden sich meist für die neuesten und schnellsten Technologien", so Gebhardt. Einen möglichen Nachfrageschub nach neuen 56K-Modems im Endkundenmarkt erwartet er frühestens dann, wenn die Infrastruktur der Internet Service Provider auf den neuen Standard umgestellt ist. Da AOL, Metronet und Compuserve bereits seit längerem den ehemals von 3Com favorisierten x2-Standard unterstützt haben, ist mit einer schnellen Umstellung auf den neuen V.90-Standard auch bei anderen Service-Providern zu rechnen. (sd)

Die 3Com Megahertz 56K PC Card wird ab dem zweiten Quartal 98 auf dem deutschen Markt verfügbar sein und den soeben verabschiedeten ITU-T-56K-Standard V.90 unterstützen.

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