Einsteinet: das neueste Baby eines Visionärs

25.05.2001
Der Vorstandsvorsitzende Kurt Kinzius geht, mit ASP hat man noch nichts verdient, dennoch gibt sich die Münchener Einsteinet AG völlig entspannt. Kein Wunder: Im Hintergrund zieht ein vermögender Argentinier die Fäden, für den Firmengründungen eine Art Hobby sind.

Seit August 2000 war der ehemalige Mannesmann-Manager Kurt Kinzius Vorsitzender des Münchner Applica-tion-Service-Providers (ASP) Einsteinet Holding AG. Nach nur zehn Monaten hat er das Unternehmen nun auf eigenen Wunsch verlassen. Mit schleppenden Geschäften oder internen Schwierigkeiten habe das nichts zu tun, sagt der neue Vorstandssprecher Rudolf Hotter gegenüber ComputerPartner. "Hier waren rein persönliche und familiäre Gründe ausschlaggebend. Es gab keinen Krach und keine Krise. Wir sind weiterhin freundschaftlich verbunden, und werden seinen Rat suchen."

Kinzius hatte den Posten von Unternehmensgründer Martin Var-savsky geerbt, der nach wie vor als Aufsichtsrat die Fäden im Hintergrund zieht. Mit geschickter Eigen-PR hatte er das Unternehmen vergangenes Jahr in die Schlagzeilen gebracht: Der gebürtige Argentinier ist angeblich "Dollar-Milliardär" ("Financial Times Deutschland") sowie Berater des argentinischen Präsidenten in IT-Fragen. Manchmal "kleben" aber auch "gestandene deutsche Manager an seinen Lippen" (Net-Business). Sieben Unternehmen hat er bisher gegründet, alle aus "Frus-tration und Neugier". Einsteinet ist sein neuestes Baby, die Idee kam ihm angeblich, weil sein Computer mal wieder abgestürzt war: "Immer wenn ich einen PC benutze, komme ich mir vor wie ein Idiot."

Damit ihm und den Kunden so etwas nicht mehr passiert, pumpten Varsavsky und ein halbes Dutzend Investmentbanken vergangenes Jahr 300 Millionen Euro in die neue Firma, legten ein eigenes Glasfasernetz um Deutschland und bauten zwei Rechenzentren in Hamburg und Kempten. Firmen mit mindestens 50 Computer-Arbeitsplätzen können seitdem aus ganz Deutschland über ein separates Glasfasernetz auf die Rechner zugreifen und alle Prozesse zentral laufen lassen. Die Nutzer haben die Möglichkeit, sich mit PC, Handy oder Laptop einzuwählen. Einsteinet sollte aber nicht nur ein Application Service Provider sein, sondern "das ganze Internet revolutionieren" (Varsavsky).

Das erhoffte Beben ist bislang jedoch ausgeblieben und das Geld fließt nur spärlich in die Kassen zurück. Ein Problemfall wird die Einsteinet AG für Varsavsky wohl nicht werden, doch mit ASP hat die Firma noch keine müde Mark verdient. Den Großteil des Umsatzes von 62,9 Millionen Euro steuerte im vergangenen Jahr die Münchener Computer Partner AG bei. Das Systemhaus wurde im Oktober 2000 von Einsteinet übernommen (ComputerPartner-Online berichtete am 4.10.2000) und ändert gerade seine Strategie: "Wir fahren den Hardware- und Handelsumsatz runter und setzen auf Services", so Vorstandssprecher Hotter, der Gründer und Vorstandsvorsitzender des Systemhauses war. Der Serviceanteil sei um 30 Prozent gestiegen und nähere sich stetig der 50 Prozent Marke an.

Gros der Mitarbeiter kommt von Computer Partner

Integrationsschwierigkeiten habe es zwischen den beiden Firmen nie gegeben, sagt Hotter: "Wenn man hört, dass die Computer-Partner-Anteile zu 100 Prozent gekauft wurden, denkt man an die typische Übernahme. So ist es aber nicht. Die Mehrheit unserer derzeit 420 Mitarbeiter kommt von Computer Partner. Sie hatten nie den Eindruck, übernommen worden zu sein, sondern könnten bei Einsteinet jetzt das verwirklichen, was sowieso geplant war. Wir haben niemanden überzeugen müssen."

Stress macht man sich auch nicht mit dem von den Marktforschern hochgelobten, aber noch immer nicht angelaufenen ASP-Markt: "Wir haben uns zwar als ASP aufgestellt, aber anders als viele Wettbewerber." Mit ASP würde man Serverfarmen und das Internet als zugehöriges Übertragungsmedium verbinden: "Das hat jedoch wenig Sinn, weil man über das Internet keine vernünftigen Antwortzeiten generieren kann. Deswegen haben wir eben ein eigenes Glasfasernetz gebaut und adressieren nur an Profis." Das müsse man ähnlich betrachten, wie die Anfangszeiten der Handys, glaubt Hotter. Die professionellen Anwender hätten ein anderes Verständnis, mit ihnen könne man vernünftig über die "Total-Cost-of-Computing-Effekte" diskutieren. Hotter: "Unternehmer wissen eben, was ein hochwerti-ger Service- und Qualitätsstandard kostet."

Begeisterung über steigenden Wettbewerb

Seit der Systems 2000 sei man aktiv, habe bisher 30 Kunden gewinnen können. "ASP ist die Zukunft", ist sich Hotter sicher - jedenfalls im professionellen Umfeld. "IBM und T-Systems drängen jetzt auch in das Geschäftsfeld ASP und die wollen sicher nicht den Bäcker oder Metzger von nebenan bedienen." Da werde nur der professionelle Ansatz propagiert, was Einsteinet nur recht sei. "Wir sagen nicht: Oh Gott, da kommt der Wettbewerb, sondern freuen uns darüber. Wir hätten die Marketinggelder nämlich nicht, um solche Aufmerksamkeit für dieses Thema zu erregen."

Für nächstes Jahr peilt Einsteinet einen Umsatz von 60 Millionen Euro an. "Klar ist das genauso viel wie im letzten Jahr. Aber wir bauen den Hardware- und Handelsumsatz ab und den Serviceumsatz auf. Wir sind nämlich froh, wenn wir statt beispielsweise 15 Prozent Marge 50 Prozent kriegen können. Da muss man nicht nur den Umsatz, sondern auch die Relationen sehen."

Auf ausgeglichene Verhältnisse legt auch Martin Varsavsky großen Wert: Statt sich im Tagesgeschäft aufzureiben, jettet er lieber regelmäßig mit dem eigenen Flugzeug zu Frau und Kindern nach Madrid. Eine neue Unternehmensgründung ist angeblich auch noch nicht in Sicht. Varsavsky hat jetzt ein neues Hobby: die Verbindung des genetischen Schlüssels mit dem Computercode.

www.einsteinet.de

ComputerPartner-Meinung:

Einsteinet hat offenbar den nötigen Background, um die mageren Jahre auszusitzen. Und sollte der vorausgesagte ASP-Boom auch langfristig ausbleiben, macht ja wenigstens die Ex-Computer Partner AG noch Umsatz. (mf)

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