Einsteinet: endgültig gekentert

10.04.2003
Christine Robl crobl@computerpartner.de

Vor rund einem Jahr gab Einsteinet zu, mit dem Modell, Software zur Miete anzubieten, auf eine Sandbank gelaufen zu sein. Damals warf das Unternehmen den Wunschtraum, ein Application-Service-Provider (ASP) sein zu wollen, über Bord. Einsteinet änderte offiziell den Kurs in Richtung Application Hosting, bei dem die Software im Gegensatz zum Application-Service-Providing dem Kunden gehört. Aber auch an diesem Rettungsring und an dem letzten Anker Systemhausgeschäft konnte sich der selbsternannte Vorzeige-ASP nicht mehr festklammern. Einsteinet steuerte von Anfang an von einer Kaltwetterfront in die nächste und musste jetzt seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen.

Die 460 Millionen Euro der privaten Investoren, die der ASP-Pionier auf seiner Reise versenkte, sind ein hoher Preis für die Erkenntnis, dass sich nach dem Einsteinet-Modell mit der Vermietung von Software in Deutschland kein Geld verdienen lässt.

Bei ASPs hingegen, die mit anderen Zielvorstellungen an den Start gingen, wie zum Beispiel Vision App, scheint das Geschäft besser zu laufen. Obwohl das Thema schon viel Gegenwind verkraften musste, gewinnt es in jüngster Zeit doch wieder mehr an Fahrt. Dass Einsteinet bei dem neuerlichen Rennen um die ASP-Kunden nicht mehr dabei sein wird, ist umso schmerzlicher, da das Unternehmen immer von sich behauptet hat, der einzige "richtige" ASP zu sein und sich quasi als Erfinder der Mietsoftware positionierte.

Bei all den vielen unterschiedlichen Modellen weiß allerdings heute noch niemand wirklich, was richtiges und was falsches ASP ist, und letztendlich zählt der Erfolg eines Geschäftsmodells, den Einsteinet nun nicht mehr nachweisen kann.

Trotz der guten Startvoraussetzungen, die viele Analysten immer wieder bescheinigten, befuhr die Company von Anfang an ein Gewässer voller Eisberge. Das erste Hindernis, das es zu umsegeln galt, war das Problem, dass Einsteinet einen Dienst anbot, den kein Kunde nachfragte. Trotz Marketing-Millionen schaffte es das Unternehmen nicht, potenziellen Mietern die Vorteile des Modells zu vermitteln. Zwar konnte der ASP einige Interessenten gewinnen, aber die reichten bei weitem nicht aus, dass sich die beiden teuren Rechenzentren und das eigens durch ganz Deutschland gezogene Glasfasernetz bezahlt machten.

Als Nächstes versperrten Softwarehersteller dem ASP die Weiterfahrt. Einsteinet hatte das große Pech, keine eigene Software zur Miete anbieten zu können, sondern musste auf die Applikationen Dritter zurückgreifen. Diese wiederum hatten kein Interesse daran, ihre Software mandantenfähig zu machen, so dass mehrere User auf ein und dieselbe Applikation zugreifen können. Damit hätten sie sich ja selbst ein Leck in den Bug geschlagen.

Die ganze Kraft und alles Geld Einsteinets flossen in den Application-Service-Provider-Ausflug, und darüber vernachlässigte das Unternehmen das erfolgreiche Systemhausgeschäft der übernommenen Computer Partner AG. Dabei hätte dieses Geschäftsfeld viel Aufmerksamkeit benötigt. Die Kursänderung im vergangenen Jahr in Richtung Application Hosting kam zu spät, der Anschluss war damals schon verpasst.

Das Tragische an der Einsteinet-Pleite: Wie diverse "On-Demand"-Initiaiven großer Hardwarehersteller zeigen, gibt es tatsächlich einen Markt für Mietsoftware. Neben Rechenleistung und Speicher sollen Kunden demnächst auch Anwendungen bei Bedarf beispielsweise bei IBM einkaufen. Zwar hat dieses Angebot einen anderen Namen, läuft aber im Prinzip auf das gleiche Geschäftsmodell hinaus. Einsteinets Visionen kamen einfach ein paar Jahre zu früh, aber jetzt hat das Unternehmen leider keinen Wind mehr in den Segeln, um noch mitzuhalten.

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