Einstieg lohnt sich für den Handel nicht

02.05.2003
Ein neuer Trend fesselt so manchen in der IT-Branche: Case Modding. PCs werden bunter, flippiger und damit natürlich individueller. Soll sich der Fachhandel damit beschäftigen? Lohnt sich der Einstieg in dieses neue, womöglich gerade aufkeimende Geschäftsfeld? Über diese Fragen streiten im Pro & Contra die ComputerPartner-Redakteure Christian Meyer und Cornelia Hefer.

Soll der Fachhandel wirklich auf den Zug aufspringen und ins Case-Modding-Geschäft einsteigen? Die Antwort ist klar: Nein, definitiv nicht. Case Modding ist ein kurzlebiger Trend, interessant für eine kleine, überschaubare Zielgruppe, der so schnell wieder vorbeigehen wird, wie er aufkam. Am Mainstream- oder gar B2B-Markt wird diese Modeerscheinung spurlos - und wahrscheinlich auch unbemerkt - vorübergehen. Denn welches Unternehmen ist schon bereit, zusätzlich in die Individualität seiner Mitarbeiter - neben der stinknormalen Hard- und Software - zu investieren?

Damit ist Case Modding ausschließlich etwas für ein paar Freaks: Jungs aus der Gamer-Szene, Besucher von LAN-Partys oder Bastler, die der Aufbau des Billy-Regals von Ikea oder das Aufmotzen ihres Mofas nicht mehr befriedigt. Mit dem PC haben sie ein neues Objekt zum Schrauben und Tunen gefunden. Das heißt: Der leidenschaftliche Case Modder ist zwischen 13 und 18 Jahren alt, männlich, liebt seinen Computer und betrachtet ihn als Lebensmittelpunkt. Und davon gibt es im deutschen Markt nun mal nicht viele.

Die andere pragmatische Hälfte der Menschheit - sprich: Mädchen oder Frauen - ist dafür eh nicht zu gewinnen. Denn PCs sind wie Autos: reine Gebrauchsgegenstände. Und welche Frau kauft sich schon für 1.000 Euro Leichtmetallfelgen? Lieber investieren wir unser Geld in wirklich wichtige Dinge: zum Beispiel neue Schuhe. Und welcher erwachsene Mann hat Zeit und Lust, sich in seiner Freizeit hinzusetzen und einen bunten, blinkenden PC in Eigenregie zusammenzuschrauben? Seien wir ehrlich: Der ganz normale Anwender geht zu Media-Markt oder Karstadt, kauft dort einen Computer und fühlt sich bereits wie Kim Schmitz, wenn er die Kiste überhaupt zum Laufen bringt.

Apropos Autos, um auf das Argument meines Kollegen Christian Meyer einzugehen: Sicher gibt es Verrückte, die ein Heidengeld für das Verschönern ihres Lieblingsspielzeugs ausgeben. Aber auch der Manta-Wahnsinn der 80er - mit Fuchsschwanz und so - war schnell wieder out.

Die Freaks, die heute völlig auf Case Modding abfahren und dafür Geld ausgeben, werden schon morgen erwachsen: Sie werden in die Arbeitswelt einsteigen - die Zeit, um an ihren PCs rumzubasteln, wird damit begrenzter - oder mit ihrer Freundin zusammenziehen, die garantiert einen Nervenzusammenbruch bekommt, wenn im gemeinsamen Wohnzimmer ein Riesentrumm an Computer steht. Irgendwann wird dann der PC durch das entsprechende Notebook ersetzt, weil es nämlich einfach viel praktischer, Platz sparender und natürlich mobiler ist. Und wenn es dann doch ein Desktop sein muss: Hersteller wie Apple oder Sony sind bekannt für wohnzimmerkonformes Design. Nichtsdestotrotz: Beim Eintritt ins Erwachsenenleben wandert der Case-Modding-Computer wie der Fuchsschwanz aus den 80ern kurzerhand auf den Müll.

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