Emotionaler Bankrott: Die meisten Mitarbeiter haben innerlich gekündigt

11.12.2003
In deutschen Unternehmen sieht die menschliche Bilanz bescheiden aus: Nur ein Minimum der Arbeitnehmer fühlt sich der eigenen Firma noch stark verbunden, die Mehrheit ist desinteressiert, der Rest völlig negativ eingestellt. Der Münchener Unternehmensberater Peter Krug über das Phänomen der "inneren Kündigung".

In guten Zeiten sparten die Führungskräfte nicht mit Lob und Anerkennung für ihre Mitarbeiter. In der aktuellen Krise scheint ihnen die Kunst, die eigenen Leute zu motivieren, abhanden gekommen zu sein. Sind die deutschen Manager so genannte "Schönwetterkapitäne"?

Krug: Nach meiner Erfahrung haben viele Führungskräfte auch in guten Zeiten mit Lob und Anerkennung gespart. Allerdings ist es in den guten Zeiten weniger aufgefallen, da die Mitarbeiter zumindest mit den eigenen wirtschaftlichen Eckdaten zufrieden waren und auch weniger Angst um ihren Arbeitsplatz haben mussten. In meiner Tätigkeit als Unternehmerberater fällt mir immer wieder auf, dass viele Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern nicht richtig umgehen. Im dem Spannungsfeld von Umsatz-/Ergebniszielerreichung werden die menschlichen Aspekte in der Führung oft vergessen.

Warum schaffen es die - in puncto Kommunikation doch meist gut geschulten - Führungskräfte nicht, das Gelernte umzusetzen, wenn es wirklich nötig ist?

Krug: Ein Grund, weshalb das Gelernte nicht umgesetzt wird, liegt darin, dass zu spät und zu wenig geschult wurde. Ein anderer ist die Prägung durch den früheren Vorgesetzten, der eine falsche Verhaltensweise vorgelebt hat. Das kann man mit der Prägung in einem Elternhaus vergleichen. Die entscheidenden Jahre sind die ersten mit einer Personalverantwortung. Was man hier in der Regel vorgelebt bekommt, prägt, es sei denn, man hat das Talent zum Führen und setzt seine natürliche Sozial- und Führungskompetenz um. Jemand, der über eine ausgeprägte Sozial- und Führungskompetenz verfügt, wird die Fehler des ehemaligen Vorgesetzen nicht wiederholen.

Laut Studie ist hierzulande die Mehrheit der Angestellten frustriert, hat bereits "innerlich" gekündigt. Kann man die Verantwortung für die schwindende Bindung an das eigene Unternehmen denn wirklich dem Management zuschieben, oder ist es nicht eher so, dass die Mitarbeiter selbst mit dem steigenden Druck nicht mehr klarkommen und nur einen "Schuldigen" dafür suchen?

Krug: In der heutigen Zeit wird den Mitarbeitern aufgrund der wirtschaftlichen Lage ein hohes Maß an Einsatz abverlangt. Wir vergessen heutzutage immer häufiger, dass der Erfolg eines Unternehmens immer von der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter abhängt. Die Aufgabe der Führungskraft ist doch, diese Leistungsbereitschaft bei den Mitarbeitern zu stimulieren und zu honorieren. Dies wird erreicht, indem man den Mitarbeitern durch Gespräche die entsprechende Wertschätzung vermittelt. Was aber nicht heißt - wenn erforderlich -, die nötige konstruktive Kritik nicht auszusprechen.

Die aktuelle wirtschaftliche Lage lässt sich doch auch mit freundlichen Worten seitens der Vorgesetzten nicht wegdiskutieren. Können Manager in einer solchen Situation ihre Mitarbeiter überhaupt noch motivieren?

Krug: Ja, das können sie. Auch in schwierigen Zeiten brauchen Mitarbeiter das Gefühl, dass der Chef zu ihnen steht, sich für sie interessiert, die Arbeitsergebnisse sieht und anerkennt. Wenn man den Balanceakt versteht, auf der einen Seite Leistung zu fordern und auf der anderen Seite die Mitarbeiter zu motivieren, werden diese für einen durchs Feuer gehen. Als Manager kann man nur erfolgreich sein, wenn es einem gelingt, die Mitarbeiter hinter sich zu bringen.

Viele Mitarbeiter wagen auch aus Angst um den eigenen Job nicht, mit ihrem Vorgesetzten über ihre Unzufriedenheit zu sprechen. Wie kann man als Führungskraft denn da überhaupt noch erkennen, ob der Mitarbeiter nur einen schlechten Tag hat oder tatsächlich schon innerlich gekündigt hat?

Krug: Das kann man durch den offenen Dialog erkennen. Der Mitarbeiter sollte Respekt, aber keine Angst vor dem Vorgesetzten haben. Ein Vorgesetzter sollte sich in regelmäßigen Abständen Zeit für Gespräche mit seinen Mitarbeitern nehmen.

In Ihren Seminaren versuchen Sie, den Führungskräften die richtige Kommunikation mit den Mitarbeitern zu vermitteln. Gleichzeitig lautet eine Ihre Thesen aber: "Führung kann man nur bedingt lernen." Gibt es denn Standardregeln, mit denen sich auch "hoffnungslose Fälle" durch die menschlichen Aspekte im Unternehmen retten bzw. ihre Angestellten wieder motivieren, ihre Identifikation mit dem Unternehmen stärken können?

Krug: Ja, die gibt es. Man braucht in der Führung von Menschen das nötige Fingerspitzengefühl, um auf die Leute einzugehen. Es gibt einige Regeln, die man dazulernen kann. Entscheidend ist, dass sich in einem Seminar für Führungskräfte jeder öffnet und nicht davon ausgeht alles zu können und zu wissen, wie es geht. Jeder Mensch kann zu jeder Zeit etwas Neues dazulernen. Wichtig und erfolgsentscheidend ist vor allem, selbstkritisch zu sein.

Um die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken, spielen Informationen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Der Mitarbeiter müssen wissen, wohin die Reise des Unternehmens geht. Regelmäßige Informationen, sei es bei Betriebsversammlungen oder per E-Mail oder im persönlichen Gespräch, sind daher unabdingbar.

Was raten Sie den zahlreichen Mitarbeitern, die aktuell das Gefühl haben, nicht genügend Anerkennung zu bekommen? Sollen sie den Vorgesetzten innerlich abschreiben, versuchen, sich selbst zu motivieren, oder lieber das Gespräch mit der Führungskraft suchen?

Krug: Da gibt es nur eine Antwort: das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen. Umgekehrt gilt, dass sich der Vorgesetzte Zeit nimmt und zuhört. Ich bin der Meinung, dass man in einem Gespräch durchaus klar machen kann, wo das Problem liegt und wie es neutralisiert werden kann. Wichtig ist dabei, die Emotion außen vor zu lassen und dieses Gespräch sachlich zu führen.

Was muss man als Mitarbeiter in einem solchen Gespräch beachten, damit die Auseinandersetzung keinen "Karriereknick" zur Folge hat?

Krug: Wichtig ist, das Gespräch sachlich zu führen. Angriffe gegen den Vorgesetzten sind auf jeden Fall zu vermeiden, da diese kontraproduktiv sind. Dem Vorgesetzten sollte man sagen, dass man gemeinsam mit ihm an einem konstruktiven Dialog und einer Lösung interessiert ist, die für beide Seiten befriedigend ist.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass jeder Manager von Zeit zu Zeit seine Managementtechnik überprüfen und sich Anregungen in einem Seminar holen sollte. Ich habe das früher, als ich noch auf der operativen Seite stand, auch getan. Sicherlich kommt einem das eine oder andere bekannt vor. Aber man nimmt zuletzt doch jedes Mal wieder eine neue Erkenntnis mit.

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