"Da frohlockt die Bottom Line!"

Englisch für Angeber

Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Nicht nur Günther Oettinger hat ein Problem mit Englisch. Im Berufsleben versuchen viele mit einer kruden Mischung aus Deutsch und Englisch Kompetenz vorzutäuschen.

Wir suchen für sofort einen Front Office Assistant Manager im Face-to-face-Marketing." Wer beim Lesen dieser Stellenanzeige denkt, eine derart anspruchsvolle Aufgabe setze gewiss den Abschluss einer renommierten angelsächsischen Hochschule voraus, sieht sich getäuscht. Tatsächlich gesucht wird ein Mitarbeiter für eine Verkaufstheke, der dem Wunsch der Kunden nach einem heißen Käsebrötchen mit frittierten Kartoffelscheiben freundlich und umgehend nachkommen soll. Ein Verkäufer also, warum nicht gleich so?

Leben wir im "Plemplemland", wie der Münchner Kabarettist Günter Grünwald so trefflich unkt, oder ist die Hinwendung zum Englischen als derjenigen Sprache, die den privaten und beruflichen Raum dominiert, ebenso unabwendbar wie alternativlos? Zwei Drittel der Verbraucher verstehen englische Werbebotschaften nicht richtig, wie eine Studie der Kölner Agentur Endmark jüngst ermittelte.

Vom Knotenrechner mittelschnell (KMS) zum Server

Dass deutsche Nutzer mit der zum Standard erhobenen Sprache immer wieder auf Kriegsfuß stehen, lässt sich auch im beruflichen Bereich beobachten. Besonders heimgesucht ist neben der Finanzwelt die IT-Branche. "Als Softlab vor 38 Jahren an den Start ging", sagt Thomas Siegner, Marketing-Leiter des inzwischen in Cirquent umfirmierten Münchner Softwarehauses, "sprachen Mitarbeiter eher von Softlapp." Es gab sogar eine Phase, in der Englisch unbedingt vermieden werden sollte. Bei Siemens hießen Server "Knotenrechner mittelschnell" (KMS), beschreibt Siegner das andere Extrem.

Thomas Siegner, Cirquent: 'Es ist ein Krampf, alles übersetzen zu wollen.'
Thomas Siegner, Cirquent: 'Es ist ein Krampf, alles übersetzen zu wollen.'
Foto: Softlab

Zwar hat sich die Englisch-Phobie inzwischen gelegt. Doch was an ihre Stelle getreten ist, strapaziert nicht nur die Nerven von Muttersprachlern. Nur wenige Klicks genügen, um im Netz eine Fülle von Videos zu finden, in denen sich Fach- und Führungskräfte auf Messen und Konferenzen der Lächerlichkeit preisgeben. "Wir bieten im Bereich Sophisticated Small Medium Business vertikale Lösungen an", sagt ein SAP-Manager etwa, "einfache, easy-to-use und simple Lösungen." Eine andere Fachkraft desselben Konzerns berichtet dem staunenden Publikum über "Fit for Growth, Employee Survey, Performance Feedback: Da frohlockt die Bottom Line."

Denglisch, das ungeschickt aus deutschen und englischen Fachbegriffen zusammengestellte Phrasenmenü, und nicht etwa Englisch ist die sprachliche Basis der Branche. "So einen schrecklichen Tschäinsch hatten wir noch nie", klagen Entwickler. "Das liegt nur an der miesen Jusebility", entgegnen ihre Bosse. "Die Pärformenz liegt weit unter dem Bänschmark."

Man ist unter sich; man nimmt an, der andere werde das Kauderwelsch schon irgendwie verstehen. Wahr ist auch: Denglisch täuscht Professionalität nur vor. "Das Imponiergefasel hat vor allem das Ziel, Dinge nicht beim Namen zu nennen", kritisiert Holger Klatte vom Verein Deutsche Sprache (VDS).

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