Erfahrungen sammeln am Projekt

19.07.2001
Die Realisierung von Sportscheck.com hat Icon Medialab viel Lehrgeld gekostet. Doch es hat sich gelohnt: Nicht nur, dass die Multimedia-Agentur einen lukrativen Dauerkunden gewonnen hat und die Vorteile der iterativen Arbeitsweise kennen lernen durfte - seit Sportscheck.com ist der Dienstleister auch Enfinity-Experte.

1999 war ein gutes Jahr - für die IT-Welt, aber auch für Online-Dienstleister und Multimedia-Agenturen war es sogar ein Boomjahr. Für Icon Medialab war es das Jahr, an dem der Dienstleis-ter mit Sportscheck einen neuen, großen Auftraggeber akquiriert und mit der Realisierung von Sportscheck.com ein herausforderndes, lehrreiches, aber auch extrem komplexes Projekt begonnen hat.

Ende 1999 bat die mit dem Vertrieb von Sportartikeln groß gewordene Handelsgruppe die Agentur um ein Konzept für einen Online-Auftritt nebst virtuellem Laden. "Neben uns standen praktisch alle größeren Dienstleister und Agenturen zur Auswahl", erzählt Susanne Peters. "Wir erhielten den Auftrag, weil wir gute Ideen hatten und von Anfang an sehr viel Fachwissen eingebracht haben", berichtet der Indus-try Director für Retail Deutschland und Schweiz stolz. "Der Kunde war überzeugt, den richtigen Experten gefunden zu haben."

Überzeugt hatte der Dienstleister in zwei Workshops am Anfang des Projekts. Man entwarf Konzepte zur Art der künftigen Informationsarchitektur und zur Herangehensweise an die Analyse, erörterte, wie die Gesamtstruktur von Sportscheck. com aufgesetzt werden sollte, und eruier-te, wie Marketing und Positioning der neuen Marke aufzubauen seien.

Anfang 2000 begann die Requirement-Phase. Gemeinsam mit dem Kunden erstellte Icon Medialab ein Business-Konzept für den neuen Online-Shop. Das Team erarbeitete zudem Themen wie technische Architektur, Repositioning, Partnerschaften, Markt- ausrichtung und Gesamtkonzept des Projektes.

"Damals haben wir noch nach dem Wasserfallprinzip gearbeitet", erinnert sich Peters. Vertreter des Wasserfallprinzips teilen ein Projekt in Kompetenzbereiche wie Design, Branding oder IT auf. Alle Arbeiten beginnen gleichzeitig und müssen auch gleichzeitig fertig sein, damit der Kunde bestimmen kann, in welche Richtung es weitergeht. "Durch diese Konstellation können Bottlenecks entstehen. Denn alle Entscheidungen laufen auf einen Tag, also eine Deadline, hinaus", erläutert der Industry Director. Aus diesem Grund habe auch das Projektteam Sportscheck.com erst am Ende der Requirement-Phase - nach zweieinhalb Monaten - festgestellt, dass es einige Problempunkte schon früher hätte angehen können. "Dann haben wir begonnen, den heute bei Icon Medialab gebräuchlichen iterativen Prozess zu erarbeiten, und ihn sukzessive eingeführt", so Peters.

Bei der iterativen Herangehensweise startet das Projektteam zwar auch gemeinsam. Doch hier werden zunächst nur die wichtigsten Kernfunktionen und Features definiert und durchdekliniert. Stellen die Experten während dieser Reise fest, dass etwas nicht funktioniert, etwa ein Feature mit der Database der Mutter-Company nicht kompatibel ist, können sie wieder zurückgehen und den jeweiligen Prozess neu aufrollen.

Damit vermeidet man, dass zu viel vorproduziert wird. Der iterative Prozess sei somit flexibler und ermögliche eine frühere Zwischenkontrolle für den Kunden, also viel mehr Transparenz, nennt Peters die Vorteile dieser Vorgehensweise. "Weil die Deadline beim Sportscheck-Projekt sehr knapp war, blieb keine Zeit, den iterativen Prozess sofort einzuführen. Als aber im Sommer einige Probleme klarer wurden, haben wir das Projekt in Teilen wieder aufgerollt und iterativ weiterbearbeitet."

Mit dem Online-Shop eine neue Zielgruppe gewinnen

Zu den Aufgaben von Icon Medialab gehörte die Neuschaffung der Marke Sportscheck.com, mit welcher der Auftraggeber eine neue, vornehmlich jüngere Zielgruppe ansprechen wollte. Um die Internationalität der Marke zu gewährleis-ten, gestaltete die Multimedia-Agentur das Logo von Sportscheck um. Sie beriet den Kunden im Hinblick auf den Verkauf per Multi-Channel und entwickelte ein Konzept für künftige Online-Partner- schaften. Sie installierte eine Stöberecke in Sportscheck.com, konzipierte einen Wizzard als Online-Hilfe und realisierte die direkte Ansprache per E-Mail.

Icon ermittelte, was die Konsumenten von Sportscheck.com erwarten und welche Zielgruppen die Site ansprechen soll. Hierfür erstellten Usability-Experten Nutzerprofile von Anfängern bis hin zu versierten professionellen Usern. Dabei mussten sie eine große Range von Kunden unterschiedlichster Ausrichtung berücksichtigen - vom Snowboarder bis zum Wanderer. Diese Untersuchung wurde ausgewertet, in Testscreens korrigiert und in einem breit aufgesetzten Menü umgesetzt.

Problempunkt 1: technische Umsetzung

Als äußerst komplex erwies sich die technische Umsetzung dieser Vorgaben. Auf Wunsch des Kunden sollte der Dienstleister als Shop-Lösung die damals neueste Version von "Enfinity" von Intershop verwenden, ein für die Multimedia-Agentur noch ungewohntes Produkt. "Aber auch eine Herausforderung, an der wir unser Java-basierendes Wissen messen konnten", offenbart Peters. Probleme gab es dann doch, weil sich in den Reihen der Icon-Medialab-Kräfte anfänglich nur beschränkt Enfinity-Fachwissen fand. "Außerdem waren aufgrund der Auftragslage von Intershop - der Hersteller war komplett ausgebucht - zunächst zu wenige Spezialisten von Seiten der Softwareschmiede involviert", erinnert sich der Industry Director. Die Folge: Verzögerungen im Projekt. "Es wurden falsche Lösungswege eingeschlagen. Anpassungen haben länger gedauert, als sie hätten dauern müssen." Nicht zuletzt habe man ab und zu Bugs in der neuen Enfinity-Version gefunden, welche die Mitarbeiter Zeit, Nerven und Geld gekostet hätten, verdeutlicht Olaf Rauch, Icon-Medialab-Projekt-Manager für Sport- scheck.com.

Im späteren Verlauf des Projektes steuerte die Agentur diesen Schwachpunkten durch konkretes Einbeziehen von Consulting-Leis-tungen seitens Intershop entgegen und schickte vermehrt eigene Entwickler auf Schulungen des Lösungsanbieters. "Heute würden wir das ganz anders machen", zieht Peters Bilanz, "heute würden wir von Anfang an genügend Experten in das Projekt einbeziehen."

Bei der Zusammenarbeit mit Intershop ist das kaum mehr nötig, nachdem sich aus dem erstmaligen Testprojekt inzwischen eine stabile Partnerschaft entwickelt hat.

Problempunkt 2: Einbindung ins Altsystem

Als größer als ursprünglich erwartet stellten sich die Anschlussprobleme der neuen Lösung Enfinity an die in der Otto-Gruppe vorhandene Oracle Database heraus. Diese Datenbank ist für die Bestellung und Buchung von Sportscheck und anderen Otto-Töchtern zuständig. Weil der Aufbau des komplexen Systems nur teilweise dokumentiert war, konnte die Vorgehensweise bei der neu zu integrierenden Datenbank nicht von Anfang an systematisch geplant werden.

Doch nicht nur das: "Enfinity nutzt prinzipiell eine eigene Katalog-Datenbank. Die muss zum einen mit Daten gefüttert werden, zum anderen muss das Shop-System seine Daten auch irgendwo abliefern", erläutert Rauch Details des Projektes. "Diese beiden Positionen bilden die Integrationspunkte in die bestehenden Landschaften. Und bei dieser Integration muss man naturgemäß mit den üblichen Problemen wie Datenformatkonvertierungen oder unzureichende Datenqualität und -struktur kämpfen be- ziehungsweise diese durch entsprechende Anpassungen überwinden."

Medienbrüche traten etwa bei der Integration in das Warenwirtschaftssystem der Otto-Gruppe auf. Sie ist der Ursprung aller Produktdaten, die in die Katalogdatenbank des Enfinitiy-Systems gelangen müssen "Das Problem wurde noch dadurch verstärkt, dass Sportscheck zusätzlich ein eigenes Katalogdatensystem hat, das zwischen dem Warenwirtschaftssys-tem und der Enfinity-Datenbank liegt", ergänzt der Projekt-Manager. "Um dieses Problem zu lösen, mussten wir die Daten, die aus dem vorhandenen System kamen, durch von uns erstellte und aufbereitete Softwarebausteine strukturieren, prüfen und in eine XML-Struktur verpacken, sodass sie in Enfinity im- portiert werden können."

Nachfolgeprojekte bereits in Arbeit

Parallel zu dieser ersten Schnittstelle musste für Enfinity auch eine zweite geschaffen werden: Sie verbindet die Shop-Lösung mit dem Kundenverwaltungssystem von Sportscheck, das die Kundenidentifizierung und das Bestellwesen übernimmt.

Aufgrund der knappen Deadline-Vorgabe von Sportscheck - vom Ab- schluss der Requirement-Phase bis zum ersten Launch blieb dem Dienstleister gerade mal ein gutes halbes Jahr Zeit - stellte Icon Medialab Mitte September 2000 nur das Grundprinzip des Shops online: Der Katalog war an Enfinity angebunden und erlaubte verschiedenste Ansätze des Browsens. Kundenregistrierung und Online-Kauf waren möglich, begleitendes Beiwerk wie Informationen zu Events sowie Filialen vorhanden.

Alle weiteren, zunächst angedachten Funktionen implementierte die Agentur in den der Online-Stellung folgenden Monaten: so den Menüpunkt Preisschnäppchen und regelmäßige Aktionen zu speziellen Sportthemen.

Zudem übernahmen die Spezialis-ten die Maintainance von Sportscheck.com. Dazu gehören der Import von neuen Produktdaten und die Optimierung der Codes im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang oder auch der Euro-Umstellung. "Da gibt es zum Beispiel viele Updates, die live gehen müssen. Und dieser Prozess der Erstellung eines Updates muss schnell, kos-tengünstig und qualitativ hochwertig vonstatten gehen. Daher haben wir ihn - so weit dies möglich war - automatisiert und optimiert", nennt Rauch Details. Insbesondere Verbesserungen im Hintergrund des Shops oder auch die Performance-Optimierung seien derzeit aktuell. Daneben stünden verschiedene größere funktionale Erweiterungen im Raum, etwa die Einführung neuerer Enfinity-Versionen. "Doch diese weiterführenden Aufträge sind noch nicht konkret", gibt der Projektleiter zu.

Für den Dienstleister hat es sich trotzdem gelohnt: "Wir haben gesehen, wie wichtig eine solide und grundlegende Arbeit ist und was es bedeutet, einen Kunden langfris- tig zu betreuen", zieht Peters Bilanz. Und auch der Auftraggeber ist zufrieden. "Zwar teilt uns Sportscheck keine konkreten Zugriffszahlen mit, doch die allgemeine Aussage lautet: Der Shop ist stark frequentiert." (cry)

www.intershop.com

Solution Snapshot

Problemstellung: Zu entwickeln war eine Einkaufsplattform für Sportscheck.com, die in das Multi-Channel-Konzept des Kunden einzuarbeiten war.

Lösung: Hardware: Mehrprozessorsystem von Sun

Software: Intershop Enfinity 1.1 auf Oracle-8.1-Plattform

Als eigene Entwicklungsumgebung für die Anpassung von Enfinity nutzte Icon Medialab PCs mit den Betriebssystemen Windows NT oder Sun Solaris. Der Medializer von NXN-Software dient zur Versions- und Konfigurationsverwaltung mit integriertem Bucktracking. Das Testmanagement übernehmen Tools aus der Rational Suite, Rational Rose übernimmt die Modellierung des Softwaredesigns.

Distributor: direkter Kauf beim Hersteller

VAR: Icon Medialab, Infanteriestraße 19/Gebäude 3

80797 München, Tel. 0 89/2 55 57-6 13, Fax 0 89/2 55 57-6 99

www.iconmedialab.de, Ansprechpartner.: Steffen Konrath

Kontaktaufnahme: Ende 1999

Verhandlungsdauer: ein Monat (inklusive Workshops)

größte Herausforderung: technische Integration mit Mutterfirma, neue Software

unerwartete Schwierigkeiten: Kompatibilität der neuen Software mit bestehenden Systemen

Projektdauer: bis zur Online-Stellung des ersten Teilstücks: rund neun Monate

Implementierungsdauer: sechs Monate

vom VAR aufgewendete Mannstunden: Während der etwa neunmonatigen Laufzeit des Projektes waren ein Coreteam von sechs Leuten (Usability-Experten, Technischer Projektmanager- und -architekt, Media-Consultants und Business-Consultants, Creative-Direktor, Art-Direktor, Designer) mit der Analyse und Durchführung betraut, in den Produktionsphasen (etwa vier Monate) arbeiteten zum Teil zwölf Personen an Sportscheck.com.

Verhältnis Hardware/Software/Dienstleistung: fünf Prozent Hardware, fünf Prozent Software, 90 Prozent Entwicklung und Implementierung

Service- und Wartungs-verträge: Nach der Optimierungsphase definierte die Agentur die Maintainance-Phase und arbeitet die Aufgaben nunmehr wöchentlich ab.

Schulung: laufende Trainings zum System und bei Neuerungen

Benefit für Kunden: Icon Medialab hat mit Sportscheck.com eine ganzheitliche Lösung aus einer Hand von Multi-Channel bis hin zur technischen Lösung geschaffen

Benefit für VAR: Der Dienstleister konnte das technische Projekt-Management mit Hilfe der Erfahrungen innerhalb der Aufgabe Sportscheck.com enorm verbessern. Und er hat mit Sportscheck.com einen treuen und zuverlässigen Kunden gewonnen, sodass das Projekt (Maintainance, Folgeaufträge) inzwischen weiter ausgebaut wurde.

Zur Startseite