Erhebliches Einsparpotential

06.08.2000
Ausgaben des Chefs und wichtiger Mitarbeiter für Reisen stellen auch in kleineren und mittleren Unternehmen einen großen Kostenblock dar. Darin stecken noch Einsparmöglichkeiten. Kann diese die Firma selbst realisieren, oder braucht sie dazu die Hilfe von Fachleuten?

Wer schnell und flexibel am Mark agieren und reagieren will, kann auf Geschäftsreisen nicht verzichten. Auf Tuchfühlung gehen, Atmosphäre schnuppern, mit dem Geschäftspartner face to face Aktion und Reaktion zu erleben, den Dialog mit Sachkenntnis und Emotionen zu führen - das kann nur per Geschäftsreise geschehen. Moderne Medien, E-Mail, Telefonkonferenzen und Videoschaltungen, bieten dafür keinen oder nur einen höchst unzureichenden Ersatz.

Rund ein Fünftel aller Mitarbeiter in deutschen Unternehmen unternimmt pro Jahr mindestens eine Dienstreise. Bei Unternehmen der Dienstleistungsbranche trifft das sogar auf die Hälfte der Beschäftigten zu. Das hat die Unternehmensberatung CSC Ploenzke in einer Untersuchung ermittelt. Die Unternehmen zwischen Flensburg und Passau, Saarbrücken und Cottbus geben für Geschäftsreisen jährlich mehr als 150 Milliarden Mark aus. Das ist eine Summe, die stetig um gegenwärtig etwa drei bis vier Prozent jährlich wächst, und die größer ist als die gesamten Währungsreserven der Deutschen Bundesbank.

1,5 Milliarden Mark können eingespart werden

Von diesen Gesamtkosten können nach äußerst vorsichtigen Schätzungen 1,5 Milliarden Mark eingespart werden, ohne dass die Qualität der Reise leidet und vielleicht von der Business Class im Flieger auf Economy umgebucht werden muss. Andere Prognosen liegen noch weit höher. Jörg Rudolph, Geschäftsführer von First Business Travel in Hannover, glaubt, über die Zusammenarbeit mit auf Geschäftsreisen spezialisierten Reisebüros bis zu 20 Prozent Sparvolumen realisieren zu können. Stephan Kowalski, Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Steinberg und Partner, das sich auf die Rationalisierung der Dienstreisen in Unternehmen konzentriert, steigert auf 25 Prozent Preisvorteil. Gerd Schmidt, Chef bei Diners Deutschland, winkt mit bis zu 40 Prozent, falls Firmenkreditkarten bei Geschäftsreisen eingesetzt werden. Auf die gleiche Quote kommt Peter Höfler, setzt dabei als Sparinstrument aber auf ein ausgefeiltes Computerprogramm. Höfler ist Geschäftsführer im Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) in Bad Homburg. Der VDR sieht seine Aufgabe darin, in den Unternehmen die Effizienz von Dienstreisen zu steigern und die Kosten dafür zu senken. Mitglieder sind rund 200 Unternehmen mit einem Umsatz allein für Linienflüge von 84 Milliarden Mark im Jahr.

Bürokratie kostet pro Reise 100 bis 150 Mark

Hauptansatzpunkt für alle Einsparmaßnahmen sind die Verwaltungs- oder Organisationskosten von Dienstreisen. Folgende Situation ist in vielen Firmen immer noch Alltag: Eine Geschäftsreise steht an. Dazu muss zunächst ein Antrag gestellt werden, um die Reise zu genehmigen. Dann beginnen Sekretärin, Sachbearbeiterin oder der betroffene Mitarbeiter selbst, sich um Flug- oder Bahnverbindungen, Hotel und Mietwagen zu kümmern. Es wird viel telefoniert, Faxe und E-Mails gehen zwischen der Firma und einem Reisebüro oder Fluglinien und Hotelketten hin und her. Zum gewünschten Termin ist in der Maschine in der Business-Klasse kein Platz mehr verfügbar. Ist deshalb der Flug in der First Class möglich, oder muss die Reise trotz wichtiger Verabredungen vor Ort komplett umgebucht werden? Können vielleicht Bahn oder Auto als Alternativen zum Flug gewählt werden? In jedem Fall muss ein neuer Reiseantrag gestellt werden. Vor der Abreise ist ein Reisekostenvorschuss fällig. Nach der Rückkehr mit hoffentlich allen Belegen auch für die Telefonkosten oder das Schließfach folgt die mühsame Abrechnung der Reisekosten mit erneuter Prüfung und Genehmigung. Und auch neuer Ärger: Der Geschäftsreisende hat zu teuer übernachtet und dazu noch im falschen Hotel. Er hat nach seinen persönlichen Vorlieben und Standortvorteilen gebucht und nicht in dem Haus, in dem sein Unternehmen günstige "Corporate Rates" genießt. Außerdem hat die Sekretärin bei der Berechnung der Tagessätze Fehler gemacht.

Diese ganze Bürokratie summiert sich nach einschlägigen Untersuchungen auf rund 17 Prozent der Reisekosten und kostet im Einzelfall pro Reise 100 bis 150 Mark. Hier vor allem setzen die Sparkommissare an und versprechen Einsparungen in diesem Teilbereich bis zu 65 Prozent.

Internet und Firmenkreditkarte dämpfen Kosten

Die Waffen gegen die hohe Kosten bei Planung, Vorbereitung und Nachbereitung einer Dienstreise heißen Internet und Firmen-Kreditkarten. Louis Arnitz, Vorstandsvorsitzender des Frankfurter Unternehmens Ifao AG, setzt auf seine Internet Booking Engine, die zugleich ein Travel-Management-System darstellt. Dieses Buchungssystem ist ein neutrales Werkzeug mit eingebauter Bestbuy-Funktion. Es schreibt nicht die Nutzung bestimmte Fluglinien, Hotels oder Kreditkarten vor. Firmenraten und die Reiserichtlinien des virtuellen Kunden sind selbstverständlich integriert. Mit der Booking Engine hat der Geschäftsreisende Zugriff zum weltweit größten Buchungssystem Amadeus. Das war bisher den Profis in Reisebüros vorbehalten.

Nun kann die Reise online geplant und gebucht werden, rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche. Zur Auswahl stehen unter anderem 700 Airlines, mehr als 47.000 Hotels und 70 Mietwagenfirmen. Persönliche Daten müssen nicht immer wieder neu eingegeben werden. Das System merkt sich bevorzugte Fluglinien und Sitzplätze, Hotels und andere Dienstleister, druckt Stadtpläne aus und informiert über Devisenkurse und das Wetter am Zielort. Für das mittelständische Unternehmen ohne eigene Reisestelle wird so ein effizientes Travel-Management möglich mit Einsparungen von bis zu 65 Prozent bei den Verwaltungskosten. Der VDR bietet mit seinem V-Kon-Programm auch kleineren Unternehmen die Chance, genauso Sonderkonditionen bei Geschäftsreisen zu bekommen wie die großen Konzerne. Vor allem im Bereich Linienflug und Mietwagen seien so Preisvorteile um bis zu 40 Prozent möglich, betont Geschäftsführer Peter Höfler.

Corporate Card erspart Reisekostenvorschüsse

Die Anbieter von Firmenkreditkarten preisen diese als wirksame Bremse dafür an, dass die Budgets für Geschäftsreisen nicht abheben. Unmittelbarer Vorteil des Plastikgeldes: Die vor allem wegen der Zinsverluste und besonders bei Fremdwährungen kostenintensiven Reisekostenvorschüsse entfallen. Das notwendige Bargeld für Trinkgelder im Restaurant oder das Taxi schießt der Reisende vor oder zieht es sich mit seiner Karte aus dem Geldausgabeautomaten. Gesellschaften wie Lufthansa Airplus, American Express oder Diners, die ihre Kunden mit Corpo-rate Cards versorgen, bieten diesen auch ein Management-Informationssystem an. Es ermöglicht der Reisestelle, so es eine solche gibt, dem Controller, der Buchhaltung oder dem Chef an Hand der von der Kreditkartengesellschaft gelieferten Abrechnung der Reisekosten detaillierte Analysen. Die Kosten der Dienstreisen können jetzt leicht und wirkungsvoll kontrolliert, gesteuert und gesenkt werden. Das Informationssystem weist auf einen Blick aus, ob sich einerseits der Reisende an die Reiserichtlinien der Firma gehalten hat, und ob andererseits die bei der Reise in Anspruch genommenen Dienstleister die mit ihnen getroffen Vereinbarungen berücksichtigt haben. Zugleich liefert das System solide Grundlagen für weitere Preisverhandlungen mit Fluggesellschaften, Hotels und Mietwagenanbietern.

Reisebüros spezialisieren sich auf Geschäftsreisende

Werden auf diese Weise die Reisebüros für Geschäftsreisende überflüssig? Davon kann zumindest aus deren Sicht keine Rede sein. Im Gegenteil, es gibt immer mehr Reisebüros, die sich auf diese Klientel spezialisieren und ihr einen umfangreichen Service bieten. Sie werden vom bloßen Ticketverkäufer und Beschaffer von Leis-tungen zu Dienstleistern für das komplette Travel-Management. Und sie haben ihre Kundschaft. Nicht nur das Deutsche Reisebüro (DER) oder Hapag Lloyd, die schon lange besondere Teams zur Betreuung von Geschäftskunden unterhalten, auch neue Anbieter, wie die Franchise-Kette Uniglobe mit vorerst 36 Outlets, die sich nur um Dienstreisende kümmern, schauen voller Optimismus in die Zukunft. Sie setzen auf den gebündelten Einkauf von Reiseleistungen, der mit entsprechenden Preisvorteilen, Rabatten und Provisionen verbunden ist, und werden zum Berater der Kunden.

Sie richten bei größeren Unternehmen eigene Reisebüros, so genannte Implant-Büros ein und schaffen für kleinere Unternehmen Call-Center. Sie geben sogar, wie Uniglobe, Provisionen der Fluggesellschaft an ihre Kunden weiter und begnügen sich mit einer Management-Gebühr von diesen. Vor allem Reisebüroketten, die über eine geballte Einkaufsmacht verfügen, rechnen sich gute Chancen aus. Denn Unternehmen, die das Reisegeschäft selbst in die Hand nehmen, sehen sich gegenwärtig einer Reihe von Problemen ausgesetzt. Ketten wie die TUI Group, Hapag Lloyd, First Business Travel und Cook verlangen seit Beginn des neuen Jahres zusätzliche Gebühren für die Buchung von Flug- und Bahntickets.

Wer sein Travel-Management komplett an eine solche Kette auslagert, kommt um diese Gebühren herum. (pw)

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