ERP, Mittelstand und der Fachhandel

13.10.2006
Die drei ERP-Größen SAP, Sage und Microsoft kamen mit jeweils einem Vertriebspartner in die ComputerPartner-Redaktion, um über die Chancen des Fachhandels im ERP-Geschäft mit mittelständischen Kunden zu diskutieren.

Herr Naunin, warum eignet sich die Software von SAP für den Mittelstand?

Andreas Naunin: Wir arbeiten in Deutschland mit 2.700 mittelständischen Kunden sehr erfolgreich. Unsere Lösung zeichnet sich durch breite Branchenabdeckung und hohe Flexibilität aus. Auch unsere Einführungszeiten sind mittelstandsfreundlich.

Herr Dewald, warum sind Ihre Office- und Classic-Line-Produkte, aber auch Ihre CRM-Software beim Mittelstand so beliebt?Peter Dewald: Da möchte ich mit der Frage: „Wie definiere ich Mittelstand?“ beginnen. Denn dann reden wir über ein Spektrum von einer Ein-Mann-Firma bis hin zu Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern, die wir alle in unterschiedlicher Weise abdecken können. Wir sind schon immer nur im Mittelstand tätig gewesen. In Deutschland bedienen wir etwa eine Viertelmillion Kunden mit unseren Produkten – mit einer großen Anzahl von Wartungsverträgen. Wir sind gerade im Mittelstand wahrscheinlich am besten positioniert, sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Das bedeutet: Die Kunden können mit uns mitwachsen. Wenn sie aus einem Mittelstandssegment ins nächsthöhere wechseln, können sie weiterhin beim gleichen Hersteller bleiben.

Wir sind ein Zwitter aus einem internationalen und einem lokalen Unternehmen. Unsere Software ist, mit Ausnahme der CRM- und BI-Produkte, sehr lokal. Wir entwickeln in Deutschland Software für den deutschen Markt, was nicht heißt, dass wir nicht auch Kunden ins Ausland begleiten können. Uns interessieren primär die Bedürfnisse der deutschen Kunden, die nach Softwareanpassungen durch unsere Partner oder durch unsere Consultants befriedigt werden.

Herr Leibrandt, Microsoft hat nicht ganz so viele ERP-Kunden im Mittelstand wie Sage, aber immerhin etwas mehr als 15.000.

Werner Leibrandt: Wir definieren den Mittelstand anhand der vorhandenen PC-Endgeräte. Unternehmen mit 25 bis 500, maximal 600 PCs bezeichnen wir heute als Mittelstand. Das können lokal agierende oder international tätige Kunden sein. Wir haben, wie Sie richtig bemerkt haben, etwas mehr als 15.000 ERP-Installationen zurzeit in Deutschland. Die tausend-fache Kombination aus unserer Betriebssystemlösung und den zusätzlichen Produkten zeichnet uns aus. Wir betrachten die Gesamtlösung beim Kunden und differenzieren uns dadurch von den anderen Anbietern, dass wir vom Betriebssystem über die Bürokommunikation bis zum ERP-System alles aus einer Hand anbieten. Unser Vertriebsweg, der ausschließlich auf Partnern aufbaut, ist unsere wertvollste Verkaufsquelle. Durch ihre Spezialisierung sind unsere Partner heute in der Lage, auf Augenhöhe mittelständische Kunden überall in Deutschland zu beraten. Auch mit den Branchenlösungen unserer Partner können wir uns sehr gut positionieren.

Können Sie das bestätigen, Herr Henrich?

Rainer Henrich: Das kommt auf den Hintergrund des Microsoft-Partners an. Wir haben in Deutschland eine relativ breite, historisch gewachsene ERP-Partner-Landschaft. Auf der gibt es Partner, etwa aus dem Systemhausumfeld, die sich breiter positionieren und mehrere Bereiche abdecken können. Die Integration zwischen Betriebssystem, Kommunikationslösung und ERP-Lösung wird zunehmen. Das wünschen sich auch die Kunden. Deswegen glaube ich, dass wir mit Microsoft sehr wohl auf den richtigen Partner setzen.

Herr Schelkle, lassen sich Sage-Produkte genauso gut integrieren?

Walter Schelkle: Wir haben uns bereits vor 15 Jahren für Sage entschieden, so früh wie kaum ein anderer. Auch den Umstieg von KHK zu Sage haben wir nie bereut. Das war ein positiver Schritt für uns. Sage Software ist für uns als ECS ein Teil der Lösung, die wir dem Kunden anbieten. Neben Kopiergeräten, Druckern und weiterer Hardware ist es eben auch ein ERP-System oder eine CRM-Lösung. So können wir den Kunden zufriedenstellen. Deswegen ist für uns das Portfolio von Sage sehr wichtig. So können wir uns am Markt positionieren und unsere eigenen Schwerpunkte setzen, etwa im Produktionsbereich.

Herr Kirbis, solange wie ECS mit Sage können Sie noch nicht Business-One-Partner sein, diese SAP-Mittelstandslösung gibt erst seit zwei Jahren am Markt. Was hat Sie dazu bewogen, sich für SAP und diese relativ neue Software zu entscheiden?

Alexander Kirbis: Wir haben uns SAP zugewandt, weil der Konzern im Jahr 2002 angekündigt hatte, den Mittelstand zu erobern. SAP wollte sein etabliertes Segment (oberer Mittelstand, Anm. d. Red,) nach unten abrunden. Wir konnten bereits ERP-Erfahrung im unteren Mittelstand vorweisen und adressieren Unternehmen zwischen zwei und 100 Anwendern. Business One war für uns das ideale Einstiegsprodukt, diese Klientel leicht zu bedienen. Das SAP-Produkt ist – was die Prozesse betrifft – sehr einfach gehalten, sodass wir damit unsere Kunden zufriedenstellen können. Gleichzeitig können wir damit nach oben skalieren. Denn neben dem Produkt für einfache Prozesse – Business One – offerieren wir auch vorkonfigurierten SAP-Branchenlösungen (All-in-One, Anm. d. Red.), die auch sehr komplexe Prozesse darstellen können. Und deshalb war SAP der ideale Partner für uns.

Herr Naunin, die SAP-Lösung für den unteren Mittelstand gibt es noch nicht so lange. Die Zahl der Business-One-Partner ist mit 84 in Deutschland überschaubar. Hinzu kommen 164 All-in-One-Partner. Wie wollen Sie im Mittelstand gegen Ihre Wettbewerber vorgehen. Wollen Sie mehr Partner gewinnen, oder glauben Sie, dass die Partnerzahl selbst gar nicht so entscheidend ist und dass man auch mit den bestehenden Partner wachsen kann?

Naunin: Wir wollen beides. Ganz am Anfang steht die Wettbewerbsfähigkeit. Mittelständler treffen ihre Entscheidungen auf Basis von Zuverlässigkeit, Funktionsabdeckung und Gesamtkosten. Hier haben wir im unteren Mittelstand ganz klare Wettbewerbsvorteile. Anfang des Jahres haben wir angekündigt, unsere Produkteinführungskosten signifikant zu senken. Es gibt Beispiele für ERP-Komplett-Implementierungen in 100 Tagen. In stark vorkonfigurierten Projekten sind wir auch schon auf 40 Tage runtergegangen. In homogenen Bereichen, etwa bei der All-in-One-Branchenlösung für die Weinwirtschaft von Herrn Kibis, konnten wir sogar innerhalb von 20 Tagen das ERP-System komplett zum Laufen bringen.

Das ist die erste Säule unserer Mittelstandstrategie, außerdem bieten wir unseren Kunden Berechenbarkeit, was Folgekosten betrifft. Wir warten unsere Releases acht Jahre lang, dabei vier Major Releases parallel, dazu bieten wir einen Full Service dazu. Drittens: Wir wollen unsere Partner ermutigen, zu vertikalisieren. Im Mittelstand müssen viele Branchenanforderungen abgedeckt sein.

Der Mittelständler möchte ein Komplettpaket bekommen, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wie er seine Prozesse individuell ausgestalten muss. Je kleiner das Unternehmen ist, desto weniger Ressourcen sind dafür vorhanden. Der mittelständische Kunde will einen verlässlichen Partner im stabilen Projekt haben und seinen Aufwand möglichst gering halten. Diese Ziele verfolgen wir.

Branchenspezifische Inhalte bauen wir, so weit es geht, in Standardprodukten ein, sodass in einigen vertikalen Märkten die Branchenabdeckung im Standard bereits bei 95 Prozent liegt und der Veredelungsaufwand sich stark in Grenzen hält. Dadurch bleibt das Investment des Partners in vertikale Ausprägungen entsprechend niedrig. Der Schulungsaufwand bei einem vorkonfigurierten Paket ist für den Partner niedrig, so werden wir neue Partner gewinnen.

Wir haben jetzt die Arbeiten abgeschlossen, um mit stark vorkonfigurierten Paketen in den unteren Mittelstand zu gehen, ob mit Business One oder All-in-One, das hängt von den Anforderungen des Kunden ab. Mit diesen drei Säulen – starke Unterstützung der Partner, Vorkonfiguration, niedrige Einführungskosten und hohe Branchenabdeckung – werden wir signifikant wettbewerbsfähiger und Marktanteile gewinnen.

Herr Dewald, was sagen Sie zu den Einführungszeiten von SAP All-in-One und Business One?

Naunin: Business One haben wir schon in 48 Stunden eingeführt!

Dewald: Na ja, das soll es geben, aber machen wir uns nichts vor. Da müssen wir ein bisschen unterscheiden. Business One und All-in-One sind zwei unterschiedliche Bereiche. Wenn wir über das Massengeschäft reden, dann ist es Business One. Da sind die Massen aber nicht zu sehen, bei allem Respekt. Grundsätzlich reden wir in diesem Umfeld von ein paar Tagen Einführungszeit. Das ist Standard. Was anderes kann sich unser Kunde in der Regel auch nicht leisten. Natürlich gibt es auch vertikale Applikationen mit Zusatzlösungen von uns oder vom Handelspartner. Da kann es auch mehr werden. Aber unser klassisches Geschäft in diesem Segment sind Installationen mit einem Gesamtaufwand für den Kunden im unteren fünfstelli-gen Bereich. Unter den 2,8 Millionen Unternehmen in Deutschland mit weniger als 20 Mitarbeitern wird es sicherlich einige wenige geben, bei denen es auch mal ein bisschen länger dauern kann. Aber unsere Ansprüche an die Einführungszeit, genauso an die Wartung danach, an das Einhalten der Kosten und die einfache Pflege durch den Händler sind genauso hoch, wenn nicht sogar höher.

Kirbis: Eine Business-One-Einführung in 48 Stunden ist eigentlich eine Seltenheit. Das war nur der Beweis dafür, dass so etwas im Prinzip funktioniert. Von unseren rund 160 Business-One-Installationen haben wir auch zahlreiche – mit maximal fünf Usern – teilweise in drei bis fünf Tagen vollendet, mit Anpassung. Denn die Einführungszeit von Business One hängt sehr stark vom Anpassungsbedarf ab. Mit Bordwerkzeugen passen wir die Lösung auch in vier Tagen an. Vom Einführungsaufwand her sehe ich da im Prinzip gegenüber einem Sage-Produkt keinen großen Unterschied. Natürlich können wir All-in-One nicht in zwei Tagen einführen, Business One schon. Unsere Brauchenlösung für Krematorien führen wir an einem Tag ein – inklusive Schulung und Datenkonvertierung.

Dewald: Sie haben nun einen erheblichen Aufwand betrieben, um ihrem Image entgegenzutreten, dass alles so wahnsinnig lange dauert und teuer ist. Das war für uns noch nie das Thema. Unsere Einführungszeiten waren schon immer überschaubar, darüber muss-ten wir mit unseren Kunden nicht reden.

Kirbis: Bei Business One war das auch nie ein Thema für uns!

Henrich: Die Diskussion geht ein bisschen am eigentlichen Thema vorbei. Es wird jeder von uns Beispiele von Zwei- oder Fünf-Tage-ERP-Einführungen nennen können. Und dann können wir uns darüber streiten, wie komplex derartige Projekte sind. Herr Kirbis, Sie sagen vollkommen zu Recht, wie wenig in zwei Tagen machbar ist. Dazu muss das System stark vorkonfiguriert und für den Kunden leicht erlernbar sein, damit er tatsächlich sofort damit produktiv arbeiten kann.

Und mit welchem Aufwand kann ich die notwendigen Anpassungen vornehmen? Packt man nun mehr Funktionen ins ERP-

System ein? Das kann Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen. Derartige Diskussionen interessieren den Kunden nicht. Er will, dass wir ihn verstehen; und unsere Branchenkompetenz muss mit der Größe des Kunden linear zunehmen. Für kleinere Kunden ist die lokale Nähe zum Partner wichtig. Außerdem sollten seine Implementierungs- und Folgekosten im abgesteckten Rahmen bleiben. Doch da ist der Mittelständler interessanterweise flexibler, als man denkt. Er ist zwar kostenbewusst, aber wenn man ihm nachweisen kann, dass man ihn nicht nur versteht, sondern auch die Lösung liefern kann, die er benötigt, dann wird er sich nicht wegen eines halben Tages Einführungszeit querstellen. Aber es muss im Rahmen bleiben.

Kirbis: Wir reden gerade über das Einstiegssegment. Das werden Sie, Herr Henrich, mit Ihren Microsoft-Lösungen auch nicht adressieren – die Ein- oder Zwei-User-Installationen. Das ist ein Teil vom Kerngeschäft bei Sage, nicht von uns. Ihrem Fokus auf Regionalität bei kleinen Kunden kann ich nicht beipflichten. Auch ein kleiner Indus-triebetrieb mit zehn Usern und 30 Mitarbeitern möchte seine Prozesse genauso gut berücksichtigt wissen wie ein größeres Unternehmen. Da ist ein lokal benachbarter Partner meiner Ansicht nach nicht so ausschlaggebend. Ich sehe eher den Kompetenzfaktor.

Henrich: Ich glaube schon, dass dies so ist. Wenn Sie einen Hamburger Kunden mit zehn Usern von München aus bedienen wollen, dann wird Branchenkompetenz in den Hintergrund treten angesichts der am Projektvolumen gemessen hohen Reisekosten. Für einen größeren SAP-Kunden ist es hingegen völlig egal, woher der Berater kommt.

Leibrandt: Sie haben Recht, Herr Henrich, das mit der Bauchladenmentalität und dem Nebenbei-Geschäft ist vorüber. Die Anforderungen an den Mittelstand heute sind klar: Kostenorientiert, mehrwertbringend, zukunftssicher sollen die neuen Lösungen sein. Der Kieler Partner eines mittelständischen Kunden aus München wird die Ausnahme bleiben. Der Mittelständler guckt supergenau auf die Kosten und sucht sich nach Möglichkeit einen Partner aus seiner Region. Und wenn er die gewünschte Kompetenz dort nicht findet, dann wird er zuerst die unmittelbare Nachbarschaft absuchen.

Wir decken mittlerweile 120 Branchen ab – durch unsere Partner. Deren vertikales Knowhow ist unser größter Hebel dort und mit Sicherheit einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren.

Der Kunde betrachtet ferner nicht nur die reinen ERP-Implementierungskosten, sondern denkt auch darüber nach, wie er seine anderen Systeme integrieren kann, etwa die Bürokommunikation. Dann muss er einen Partner finden, der sich auch dort auskennt und in der Lage ist, so ein System vernünftig zu betreuen.

Daraus wird schnell ein Komplettpaket. Und dann sind wir an dem Punkt, wo es um Partnerdichte, Branchenkompetenz und langfristige Betreuung geht. Das fordern Kunden heute mit Recht ein, egal ob sie zwei oder 200 Arbeitsplätze installiert haben wollen.

Herr Schelkle ist da wohl anderer Meinung ...

Schelkle: Wir betreuen einen Hamburger Kunden mit zehn Usern von Weilheim aus. Bei Branchenlösungen ist der Kunde sehr wohl bereit, einen weit entfernten Partner zu beauftragen. Die von uns entwickelte Branchenlösung für den Kopierer- und Dienst-

leistungsbereich ist über ganz Deutschland verstreut. Denn was nützt dem Kunden ein Partner in seiner Nähe, wenn er nicht seine Sprache spricht? Dann ist der Kunde sehr wohl bereit, die höheren Anfahrtskosten in Kauf zu nehmen. Da wir auch regional tätig sind, bedienen wir sowohl die Ein-Mann-Firma als auch das Unternehmen mit 100 Usern. Da agieren wir als Systemhaus – was immer man auch darunter versteht.

Dewald: Die Problematik mit Kundennähe und Spezialisierung existiert, das gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. In dem schönen Beispiel von Herrn Schelkle liegt die Herausforderung, mit vertikalen Know-how einen Kunden in Flensburg von Freiburg aus zu bedienen. Auch bei 120 Branchenlösungen und den vielen Partnern – Microsoft hat das Problem auch. Da kann man zwar mit dem Mehrwert argumentieren, aber wenn der Kunde nicht darauf eingeht, wird es schwierig. Dann sind wir beim Thema „Partnerschaften zwischen Handelspartnern“. Natürlich brauche ich dafür eine bestimmte Menge an Fachhändlern. Diese können sich dann spezialisieren. Deswegen sind Kooperationen zwischen qualifizierten, autorisierten und entsprechend gesiebten Partnern wichtig. Doch wie steuert man einen derartigen Händlerverbund? Das ist nicht Aufgabe des Herstellers, ihm kommt lediglich die Vermittlerrolle zu. Manch einem seiner Partner muss dieser dennoch raten, nicht alles selbst zu machen und sich stattdessen einen anderen Partner zu suchen, der für ihn auch mal kleine und größere Sachen vor Ort erledigt. Dafür gibt es bei uns sehr viele gute Beispiele.

Schelkle: Diesen Floh hat auch uns Sage ins Ohr gesetzt. Wir kooperieren mit anderen Sage-Partnern in Bayern, tauschen Ressourcen und Know-how aus. Als kleiner Fachhändler kann ich nicht die ganze Betriebswirtschaft abdecken: von der Bilanzauswertung bis zur Lohnabrechnung. Also holen wir uns Know-how von woanders dazu, und das hilft unseren Kunden.

Leibrandt: Wir haben zurzeit 30.000 Partner in Deutschland und wissen, wie Partner-Business funktioniert, wie man Partnern bestimmte Kompetenzen vermittelt und sie so weiterentwickelt, dass möglichst nur ein Ansprechpartner beim Kunden präsent ist.

Aber es sind nicht alles ERP-Partner!

Leibrandt: Es ist richtig, aber die Zahl der Dynamics-Partner wächst beständig. Wir werden selbstverständlich nicht jeden Windows- oder Office-Händler zum Dynamics-Verkäufer weiterentwickeln. Wer aber ein bestimmtes Branchen- und Prozess-Know-how hat, ist dazu jederzeit herzlich eingeladen. Die Dichte des Partnernetzwerkes und die Qualität der Vertikalisierung werden dazu beitragen, dass wir schnell und erfolgreich unsere ERP-Produkte am Markt positionieren werden. 15.000 Installationen in Deutschland sind schon etwas. Es sind zwar noch lange nicht Ihre Installationszahlen, Herr Dewald, aber es kommt auch auf die Qualität der Partner und der Produkte an.

Deswegen glaube ich nicht, dass es allein auf das Branchen-Know-how des Partners ankommt. Klar ist es möglich, von Flensburg nach München ein Produkt zu verkaufen, aber wenn der Kunde die Wahl hat, wird er sich immer für den Partner aus seiner Region entscheiden.

Doch die regionale Präsenz allein reicht nicht. Man muss als Vertriebspartner den Kunden erst für sein Produkt gewinnen. Mit welchen Argumenten? Einige haben wir schon gehört: Die Kosten müssen stimmen, das Branchen-Know-how muss da sein, aber reicht das?

Kirbis: Ich habe mich für SAP entschieden, weil es in der dortigen Partnerlandschaft keine Kannibalisierung gibt. Die Anzahl der kompetenten SAP-Partner ist überschaubar, das Umfeld ist intakt, und das Networking unter den SAP-Partnern funktioniert.

Naunin: Wir reden hier über drei Marktsegmente: die kleinen Firmen, den unteren Mittelstand mit Jahresumsätzen von zehn bis 70 Millionen Euro und den oberen Mittelstand mit weniger als einer halben Milliarde Euro Umsatz. In diesem Segment hat SAP 36 Prozent Marktanteil. Im oberen Mittelstand sind wir bereits länger aktiv, und wir bewegen uns jetzt in den unteren Mittelstand. Die Profitabilitätsplattform für unsere Partner ist heute so zugeschnitten, dass diese gesundes Geschäft betreiben können – sowohl im Service- als auch im Lizenzbereich.

Im unteren Mittelstand gelten aber andere Gesetze. Da stimme ich den Kollegen zu, die auf regionale Nähe der Vertriebspartner pochen. Dann braucht man auch ein dichtes Netz von kleineren Partnern mit der entsprechenden Branchenexpertise. Da muss ich als Hersteller eine Mechanik zur Steuerung meiner Partner finden, sodass ich jederzeit die nötige Expertise dem Kunden zur Verfügung stellen kann. Das funktioniert im Netzwerk. Der Partner muss so gesteuert werden, dass er sein branchenspezifisches ERP-Wissen vorhält, aber gleichzeitig auf ein Netzwerk zurückgreift, mit dem er zusätzliche Services beisteuern kann. Nur dann kann er dem Kunden ein vernünftiges Paket anbieten. Um den gesamten Mittelstand zu adressieren, ist ein Partnernetzwerk wichtig, da stimme ich Ihnen zu.

84 Business-One-Partner kann ich aber relativ gut über das Land verteilen. Brauche ich da überhaupt ein Netzwerk?

Naunin: Unser Partner Kirbis ist ein gutes Beispiel dafür, wie man im Netzwerk arbeiten, auf SAP-Services zugreifen, regional vertreten und gleichzeitig in der Branche seine starke Stellung halten kann. Neue Branchen für sich zu gewinnen, das geht bei uns relativ schnell, weil wir branchenspezifisches Know-how in der Lösung haben. Unser Partner kann bis zu 95 Prozent der Branchenerfordernisse mit unseren Standardprodukten abdecken und den Rest selbst beisteuern und so die Lösung veredeln. So gewinnen wir sehr schnell weitere Partner dazu.

Im unteren Mittelstand, bei Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern, steht SAP im Wettbewerb mit Sage, Microsoft und anderen. Da werden fast immer Konkurrenzprodukte abgelöst. Oder gibt es dort auch Kunden ohne dezidierte ERP- und CRM-Lösungen?

Kirbis: Nur ganz wenige, in der Regel lösen wir kleinere Lösungen ab.

Dewald: Die Durchdringung mit PCs und Internet ist inzwischen kein Thema mehr, bei ERP-Software sieht es hingegen anders aus. Dass die Hälfte der Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern keine ERP-Software einsetzt, überrascht nicht. Aber auch ein Fünftel der Unternehmen zwischen 50 und 100 Mitarbeitern setzt keine ERP-Lösung ein. Viele von ihnen arbeiten mit einem Steuerberater, das ist bei ganz kleinen Firmen okay, aber nicht bei 100 Mitarbeitern. Diese Unternehmen wissen oft nicht, ob sie profitabel arbeiten, das erfahren sie erst zwei Monate nach Jahresabschluss. Deswegen brauchen diese Unternehmen ein eigenes ERP-System. Aber auch bei Firmen mit eigener ERP-Software sieht es schlecht aus, ein Viertel dieser Produkte ist älter als zehn Jahre, es gibt auch 20 Jahre alte Applikationen, zum Teil sind sie selbstgestrickt. Diese Firmen haben in der Regel keine eigene IT-Abteilung. Sie haben ihre Software durch das Jahr 2000 gebracht und Euro-fähig gemacht, nun steht die Mehrwertsteuererhöhung an. Da gibt es viel Potenzial – nicht unbedingt für Neuinstallationen (das sind nur 20 Prozent), aber in erheblichem Umfang für Ablösegeschäft.

Henrich: Da würde Herrn Dewald völlig zustimmen. Fragen müssen wir uns aber schon, warum 20 Prozent der Firmen im un-teren Mittelstand noch gar keine ERP-Software einsetzen. Schließlich bearbeiten wir dieses Marktsegment lange genug. Doch dieses Fünftel ist in gewisser Weise beratungsresistent, weil er es bis heute ohne ERP geschafft hat. Das ist nicht unser Zielmarkt, wir betreiben Ablösegeschäft. Da treffen wir häufig veraltete oder selbstgestrickte ERP-Lösungen an.

Schelkle: Warum bleiben diese Kunden so lange ihrer Lösung treu? Weil sie bisher nicht gefunden haben, was ihre Branchenspezifika abdecken würde. Wir nehmen nun die Standard-ERP-Software her, erweitern sie um eine vertikale Lösung und bieten dem Kunden ein Komplettpaket an: von der Angebotserstellung über ein CRM-System bis zum Personalwesen – und das alles auf seine Branche angepasst. Den Umstieg macht man ihm mit der Bereinigung der Datenbanken schmackhaft.

Naunin: Ich finde diese Beratungsresistenz so gut wie gar nicht vor. Es ist eher die Ohnmacht der kleinen Firmen, mit eigenen Bordmitteln die richtige Entscheidung für ein ERP-Produkt zu treffen. Nicht nur die Anschaffungskosten schrecken sie ab, sondern auch die Projekt- und Folgekosten. Viele negative Erfahrungen spielen da eine Rolle, deswegen sind positive Referenzen und Mund-zu-Mund-Propaganda so wichtig. Die kleinen Firmen haben oft Angst, eine Entscheidung zu treffen, die unter Umständen sogar ihre Profitabilität gefährden könnte.

Henrich: Da stimme ich Ihnen zu! Wie kann der Mittelständler die richtige Software auswählen? Das ist ein echtes Problem. Da sind wir auch gefordert, Transparenz in den Markt zu bringen. Der Mittelstand tut sich generell sehr schwer, eine Entscheidung für ein ERP-Produkt zu treffen, weil er eben über das dazu notwendige Wissen nicht verfügt.

Bedeutet dies, dass dem Vertriebspartner das Branchen-Know-how allein nicht ausreicht? Muss er dem Kunden auch noch eine outgesourcte ERP-Lösung anbieten?

Leibrandt: So weit würde ich nicht gehen. Es kommt auf die Service und Beratungsqualität des Partners an. Er muss vor Ort beim Kunden sicherstellen, dass die Software einwandfrei funktioniert. Es geht um Updates, um qualifizierte Weiterberatung und um die Mehrwertsteuererhöhung, Welche Module biete ich hierfür an? Wie kontinuierlich halte ich den Wartungsvertrag aufrecht? Oder komme ich jedes Jahr nur vorbei, um den Vertrag zu verlängern? Wir legen Wert auf Kompetenzen unserer Partner. Es geht nicht nur um die ERP-Software, sondern um die Gesamtlösung. Isolierte Systeme stellen den Kunden nicht zufrieden.

Kirbis: Also, ich sehe mich nicht als SAP-Händler, sondern als Lösungspartner. Ich verkaufe keine Software, sondern Lösungen. Man kann dem Kunden nicht mehr einfach nur die Box hinstellen, er braucht ein komplettes Lösungspaket. Das beginnt beim Implementieren und setzt sich über die gesamte Lebensdauer der Software fort. Mit Implementierungen allein könnten wir nicht überleben. Der kleine Mittelständler will fortlaufend betreut werden, sonst fühlt er sich ausgenommen. Andere Anbieter bitten den Kunden mit jedem neuen Release zur Kasse. Wir haben das vertraglich geregelt.

Dewald: Da sind wir uns einig: Qualifikation des Fachhandels ist notwendig. Das war nicht immer so akzeptiert. Wenn alle Hersteller das heute so handhaben, dann kommen wir wieder zurück zur Frage: Was kaufe ich jetzt bei welchem Fachhändler? Er muss autorisiert sein, und das geht nicht von heute auf morgen. Ich wundere mich immer, wenn ein Wettbewerber 400 neue Handelspartner einführt. Davon tragen nur 15 zum Umsatz bei, der Rest taugt nichts. Ein Handelspartner, der sich nicht anstrengt und sich nicht regelmäßigen qualifiziert, wird auf Dauer keine Chance haben.

Henrich: Es geht hier nicht um den Verkauf von Software. Das ist das Todesurteil für unser Geschäftsmodell. Es geht nur über den Service und dessen Qualität, nur so kann ich den Kunden an mich binden. Ein Projekt zu gewinnen ist eine Sache, den Kunden zu halten und langfristig zufriedenzustellen eine andere. Das ERP-Geschäft funktioniert anders als das klassische Business eines Systemhauses, das regional Infrastruktursoftware, Hardware, Netzwerkzubehör, IT-Security-Produkte und Dienstleistungen anbietet. Die ERP-Lösung bildet letztlich das Rückgrat des Unternehmens, und als Vertriebspartner muss ich dafür geradestehen. Mein Kunde muss auch mit der neuen Software sein Geschäft aufrechterhalten und sogar effizienter damit arbeiten können. Davon hängt sein Leben als Unternehmen ab. Das ist etwas anderes als Kistenschieben.

Es kommt darauf an, dass der Vertriebspartner über Branchenkenntnisse verfügt, das Produkt von A bis Z kennt und dem Kunden vermitteln kann, dass er eine langfristige Beziehung zu ihm aufbauen will, dass er bereit ist, ihn über Jahre hinweg zu betreuen.

Leibrandt: Der Partner muss ein Vertrauensverhältnis zu seinem Kunden aufbauen. Der Hersteller muss eine langfristige Strategie vorweisen und sich auf den Mittelstand einlassen, aber bitte nicht nach der Devise: „Wir kopieren ein großes Produkt auf ein kleines runter, wird schon irgendwo gutgehen.“ Es geht um Kontinuität und Zukunftssicherheit, die der Partner seinem Kunden vermitteln muss.

Kirbis: Apropos langfristige Strategie, Herr Leibrandt, wie viele Ihrer 15.000 ERP-Installationen stammen aus ihrer Navision-Vergangenheit?

Henrich: Dazu kann ich als Partner ein Feedback geben. Wir waren einer der ganz frühen Navision-Partner in Deutschland Anfang der neunziger Jahre. Das Geschäft dort hat sich für uns sehr kontinuierlich entwickelt. Natürlich haben wir viele Kunden aus der Zeit vor der Navision-Übernahme durch Microsoft. Es wäre schlimm, wenn wir sie nicht mehr hätten. So funkti-oniert unser Geschäft auch heute ganz hervorragend. Das eine schließt das andere nicht aus. Microsoft hat vielleicht das ERP-Business nicht von Anfang an verstanden, aber sehr schnell dazugelernt – auch mit unserer Unterstützung. So zehrt Microsoft heute nicht aus der Vergangenheit.

Schelkle: Zum Thema Langfristigkeit: Unsere Firma existiert seit 30 Jahren; seit 16 Jahren verkaufen wir ERP-Systeme. Die ersten Kunden sind uns noch immer treu. Warum? Weil wir nicht nur isolierte ERP-Lösungen liefern, sondern Systeme zur Abdeckung des kompletten Dokumentenverarbeitungsprozesses.

Kirbis: Diesen Trend sehen wir auch: Ende der neunziger Jahre haben wir uns aus dem Infrastrukturgeschäft zurückgezogen, jetzt sind wir dabei, den Infrastrukturbereich wieder zu reanimieren. Die Kunden wollen verstärkt wieder alles aus einer Hand bekommen.

Naunin: Dass langfristige Beziehungen zum Kunden über den Partner führen, da gebe ich Herrn Leibrandt Recht. Der Hersteller muss eine langfristige Produktstrategie verfolgen. Dann kann sich Kunde darauf verlassen, dass das von ihm eingesetzte Produkt möglichst lang technologisch gewartet wird. Denn jeder Major-Release-Wechsel bringt Kosten mit sich. Darüber hinaus muss der Hersteller kontinuierlich in seine Lösung investieren und den sich ändernden Marktanforderungen Rechnung tragen. So ist das Thema Internationalisierung auch für kleine Mittelständler ein Thema. Europa rückt zusammen. Plötzlich ist das Geschäft im Osten mit geringerem finanziellen Risiko möglich. Als Hersteller muss ich ein Produkt anbieten, das international skaliert und mit dem Geschäftsmodell des Kunden mitwächst.

Kirbis: In einem Betrieb mit größeren User-Zahlen ist das ausschlaggebend. Wenn ich dem Kunden zeigen kann, dass er mit dem gleichen Produkt weltweit arbeiten kann, dann habe ich ihn schon für mich gewonnen.

Leibrandt: Das sehe ich genauso, aber mit dem Nachsatz, dass ich dann einen Partner vor Ort haben muss. Wenn ich den Partner mit der nötigen Kompetenz und Qualifizierung in Russland nicht finde, nützt mir die beste Lösung nichts.

Sie könnten einen Partner von der Konkurrenz zu sich rüberziehen ...

Naunin: Zum einen haben wir international aufgestellte Partner, zum anderen können wir über unser Netzwerk Partner in anderen Ländern für Projekte gewinnen. Der deutsche Partner wendet sich an uns, und wir finden für ihn den Kooperationspartner im Zielland.

Kirbis: Das funktioniert wirklich gut! Ich habe keine Schwierigkeiten mit Installationen in China, in Finnland oder in Spanien, dort arbeite ich mit lokalen Partnern. Wir haben weltweit das gleiche Partnerkonzept, das zu vergleichbaren Qualitätsstandards in allen Ländern beiträgt.

Leibrandt: Axapta in China einzuführen war für uns eine der größten Herausforderungen der vergangenen drei Jahre. Dabei hat uns unser sehr gut funktionierender Vertriebskanal geholfen.

Henrich: Das kann ich bestätigen. Wir folgen unserem Kunden und suchen vor Ort den passenden Partner für ihn aus. Da verlassen wir uns nicht auf den Hersteller und pflegen unser Netzwerk selbst. Die internationalen Strategien von SAP und Microsoft ähneln sich. Beide Unternehmen wollen auf internationalen Märkten mit den gleichen Produkten präsent sein. Denn auch der kleinere Mittelständler, der in Tschechien oder Ungarn fertigt, muss internationale Software einsetzen. Das unterscheidet SAP und Microsoft von Sage, das seine Produkte für den lokalen Markt in Deutschland entwickelt. Da würde ich mich persönlich nicht so wohl fühlen, weil unsere Kunden nicht nur in Deutschland agieren.

Dewald: Über 90 Prozent der Mittelständler sind ausschließlich lokal tätig. Und die legen Wert darauf, dass ihre Probleme vor Ort gelöst werden – heute und nicht irgendwann. Da haben wir uns über die Jahre extrem gut entwickelt und gezeigt, dass wir einen deutlichen Vorteil haben, was Geschwindigkeit der Erweiterung und Funktionalität im lokalen Ansatz betrifft. Internationalität spielt eine Rolle. Aber deswegen brauchen wir nicht unbedingt ein weltweites Produkt, wir können lokal kostengünstiger arbeiten. Unsere Produkte sind auf jedes Land spezifisch zugeschnitten.

Henrich: Da stimme ich Ihnen wiederum zu. Man darf natürlich nie davon ausgehen, dass in allen Ländern die Anforderungen gleich sind. Es gibt lokale Spezifika, die eine ERP-Lösung natürlich abbilden muss.

Naunin: Wenn es irgendeine ERP-Lösung gibt, die für den weltweiten Einsatz geeignet ist, dann denke ich an SAP. Nicht, weil ich für das Unternehmen arbeite, sondern weil wir weltweit 35.000 Kunden haben, die die Lösungen international einsetzen.

Dewald: Wir sollten uns vielleicht auf den Mittelstand beschränken.

Naunin: Wie viel Internationalität braucht der Mittelstand? Wenn ein Unternehmen nur ein ausländisches Fertigungswerk einbinden möchte, dann ist der Aufwand hierfür begrenzt. Der Kern seiner Lösung bleibt unangetastet. Oder er setzt in jedem Land eine andere Lösung ein und löst das Ganze über Schnittstellen. Kleine Unternehmen kommen mit diesen Schnittstellen aber nicht zurecht. Daher ist die Fähigkeit einer ERP-Software, Funktionalität international zur Verfügung zu stellen, per se die richtige Antwort auf die Mittelstandsanforderung. Dabei müssen derartige Funktionen leicht anpassbar sein, es gilt, die Komplexität zu reduzieren.

Leibrandt: Da stimme ich Ihnen zu, Herr Naunin. Ein ERP-Produkt muss skalierungsfähig sein: Wenn der Kunde ins Ausland expandiert, muss er auch das Produkt dorthin mitnehmen können.

Schelkle: Das war für uns nie ein Thema. In einem aktuellen Projekt binden wir auch ein Schweizer Vertriebsbüro an die deutsche Zentrale an. Das funktioniert problemlos mit der französischen Oberfläche. Diese Möglichkeiten haben wir, auch in Englisch, aber nicht in Chinesisch. Das ginge nur über die erwähnten Schnittstellen.

Kirbis: Bei mehreren getrennten Systemen wird das extrem teuer.

Dewald: In dem einen oder anderen Fall mag das durchaus der Fall sein, in der Regel nicht. Denn wie lange wartet der Kunde auf die gewünschte Funktionalität, nur weil ein anderes Land höher in der Priorität steht? Da sind wir schlicht und ergreifend anderer Meinung.

Dass manche Kunden Wert darauf legen, dass all ihre Töchter weltweit das gleiche Produkt einsetzen, ist wahr, aber das sind Unternehmen, die in der Lage sind, dafür viel Geld auf den Tisch zu legen. Wir reden hier aber über den Mittelstand, der kostengünstige, sinnvolle und an seine Bedürfnisse angepasste Lösungen sucht. Den Fokus legen wir bewusst auf den lokalen Markt – mit unserem starken internationalen Background.

Kirbis: Lokale Begebenheiten werden in SAP-Produkten über Add-ons abgebildet, so etwa bei der Anlagebuchhaltung, die in die Kern-ERP-Lösung integriert wird. Die Strategie, ein Produkt weltweit auszuliefern, ist langfristig besser, als dem Kunden mehrere Inseln zur Verfügung stellen. Denn auch der kleine Kunde, der nun in Tschechien produziert, will dort die gleiche Lösung einsetzen wie in Deutschland.

Dewald: Wir reden jetzt aber über Ihre All-in-One-Installationen?

Kirbis: Nein, Business One!

Dewald: Dann müssten Ihre Zahlen aber in Deutschland, bei allem Respekt, anders ausschauen. Wenn Sie dort so einen Wettbewerbsvorteil sehen, dann können Sie nach sechs Jahren nicht eine Bilanz vorweisen, die in diesem spezifischen Segment nach wie vor marginal ist.

Kirbis: Es sind dreieinhalb Jahre!

Naunin: Wenn wir uns nach 16 Jahren treffen, dann finden wir sicherlich eine andere Situation vor.

Dewald: Oh! Aber die Kunden entscheiden heute, und sie entscheiden sich halt nun mal für andere Produkte. Wir reden hier nur über diesen kleinen Teil des Mittelstandsmarktes, um die Verhältnisse zurechtzurücken.

Henrich: Aber was ist nun der Mittelstand? Natürlich ist die Anzahl der Installationen in kleineren Unternehmen größer, aber der dabei erzielte Umsatz ist dementsprechend kleiner. Mit größeren Unternehmen erzielen Sie in wenigen Projekten mehr Umsatz.

Dewald: Sogar wenn wir den Umsatz hernehmen, sind wir international die am stärksten präsente Firma!

Henrich: Das gönnen wir Ihnen, Herr Dewald, in Ihrem Marktsegment funktioniert Ihr Geschäftsmodell. In unserem Marktsegment würde es nicht funktionieren. Wenn ich heute meinem Kunden erklären müsste, dass er in jedem Land eine andere Lösung einsetzen müsste, dann würde er mich vom Hof jagen.

Naunin: In Deutschland wird es ohnehin eine Konsolidierung geben, auch im Mittelstand. Dann brauchen wir die angesprochenen Skalierungseffekte. In größer werdenden Unternehmen wachsen die Anforderungen an die ERP-Software. Das Geschäft mit den drei Millionen kleinen Firmen wird es weiterhin geben. Diese Kunden brauchen eine lokale Lösung, die wir seit dreieinhalb Jahren offerieren. Wettbewerbsfähigkeit, Vermarktungsmacht und Bekanntheitsgrad spielen hier auch eine große Rolle, genauso wie die Mund-zu-Mund-Propaganda. In den unteren Mittelstand verkauft man nur über Empfehlungen und Referenzen. Man kann zwar über Marketingmaßnahmen den Bekanntheitsgrad steigern, aber damit kein Vertrauen beim Kunden erzeugen. Das schafft man nur mit positiven Erfahrungen in Projekten. Wir bieten eine attraktive ERP-Lösung mit einer modernen Architektur und glauben, dass die Anzahl unserer Installationen zunehmen wird: Aus den heute 1.200 werden bald 5.000. Wir werden noch eine Weile brauchen – ich weiß nicht, ob 16 Jahre oder weniger –, um dahin zu kommen (250.000 Kunden, Anm. d. Red.).

Henrich: Es muss im ureigenen Interesse der Hersteller sein, qualifizierte Partner zu haben. Daran misst sich auch der Erfolg des Herstellers. Eine schlechte Referenz macht viel kaputt, oft mehr, als ein anderer, zufriedener Kunde wieder gutmachen könnte.

Naunin: Einer, der unzufrieden ist, macht sogar fünfmal mehr kaputt als einer, der Zuwachs bringt.

Wie können wir das jetzt noch forcieren, dass zufriedene Partner und zufriedene Kunden über Mundpropaganda neue Partner und neue Kunden gewinnen?

Naunin: Nur über Qualität!

Kirbis: Marketingmaßnahmen gehören ebenfalls dazu, um die Brand Awareness zu steigern. Bei uns heißt es immer: SAP ist zu groß, zu teuer und zu komplex. SAP ist aber nicht teuer, nicht zu groß und auch nicht zu komplex. Aufgabe von SAP und seinen Partnern ist es nun, die Kunden zufriedenzustellen, um über Referenzen Multiplikatoreffekte zu erzielen.

Man müsste auch Kunden miteinander reden lassen?

Kirbis: Genau! Man könnte sogar einen Referenzkunden überzeugen, zu seinem Mitbewerber zu gehen und ihm etwas über seine Erfahrungen zu erzählen. Wenn man das schafft, dann weiß der potenzielle Neukunde, dass er mit dieser Software arbeiten kann.

Henrich: Da ist der Mittelständler erstaunlicherweise gar nicht mal so scheu. Er fühlt sich sicherer, wenn er sich durch einen persönlichen Besuch oder ein Telefonat Gewissheit verschafft. Das ist ihm wichtiger als die Frage, ob das jetzt ein direkter Wettbewerber ist oder nicht.

Kirbis: Einen Erzfeind wird er nicht unbedingt in seine Firmenräume reinlassen, er fühlt sich aber in seinem Bestreben bestätigt, wenn er erfährt, dass seine Branche zu Investitionen bereit ist.

Ein abschließendes Statement ...

Schelkle: Ich war das erste Mal bei einer derartigen ERP-Diskussion dabei. Für mich war es sehr interessant, die Thematik aus Herstellersicht dargestellt zu bekommen. Es hat mich bekräftigt, weiterhin so zu arbeiten wie bisher. Qualität ist das A und O, der Kunde steht im Mittelpunkt. Man muss die Lösung an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Da sind wir auf dem richtigen Weg.

Kirbis: Dem kann ich mich nur anschließen. Worüber ich mich jedes Mal amüsieren kann, sind die verschiedenen Definitionen des Mittelstands. Unsere Probleme sind im Regelfall die gleichen: Wie kann ich mein Kundensegment richtig adressieren und dort erfolgreich agieren? Da spielt es keine Rolle, ob ich als Fachhandelspartner oder als Systemhaus am Markt agiere. Die Herausforderungen sind nahezu identisch: beim einen ein bisschen internationaler, beim anderen weniger. Mit der Strategie von SAP sind wir auf dem richtigen Weg.

Leibrandt: Wir sind in ein anderes Marktsegment eingestiegen und haben Partner für die Gesamtlösung beim Kunden begeistern können. Für den Mittelstand ist dieser ganzheitliche Ansatz ganz entscheidend. Dabei spielen auch Kos-ten und eine langfristige Kunde-Partner-Beziehung eine Rolle.

Es gibt unterschiedliche Facetten des Mittelstands. Wir haben ein skalierbares Modell , das bei einem Einzelarbeitsplatz anfängt und bei Global Playern aufhört. Das ist unser Geheimnis. Wir geben dem Kunden die Gewissheit, eine sichere Investitionsentscheidung zu treffen. Alle Teilnehmer dieser Dis-kussionsrunde sind sich einig darüber, was der Kunde von uns erwartet. Wir sind unterschiedlich in der Art und Weise, wie wir diese Wünsche erfüllen.

Dewald: Ich kann es nur aus Herstellersicht beurteilen. Manches bestätigt sich. Wir bedienen den Mittelstand mit ERP- und CRM-Software schon seit langem. Andere Kundensegmente adressieren wir nicht, andere Applikationen offerieren wir ebenfalls nicht. Im Mittelstand gibt es genügend Wachstumsmöglichkeiten. Man muss nur sein Kundensegment und sein Produktportfolio ausbauen. ERP unterliegt im Mittelstand einem Wandel, aber unsere Partner gehen diesen Weg gerne mit. Wir fördern und fordern unsere Fachhändler, damit sie bei den Endkunden kompetent dastehen.

Henrich: Das kann ich nur bestätigen. Aus Partnersicht ist Folgendes wichtig: Man muss sich auf das ERP-Geschäft ganz und gar einlassen. So etwas geht nicht nebenbei. Ansonsten stimme ich der These zu, dass es eine Marktbereinigung geben wird. Da arbeiten wir schon mit den richtigen Herstellern zusammen, denn diese werden die Marktbereinigung vorantreiben und ihr kaum zum Opfer fallen.

Naunin: Ich fand diese Diskussion sehr konstruktiv und erfrischend. Wir haben drei Hersteller, die mit unterschiedlichen Ansätzen den Markt angehen. Wir nähern und treffen uns in den Marktsegmenten mit unterschiedlichen Strategien. Auch nach der heutigen Diskussion bin ich überzeugt, dass wir als ERP-Anbieter mit 34 Jahren Erfahrung gut aufgestellt sind. Dem Kunden bieten wir Flexibilität und schlanke Pakete. Es gilt, sein Vertrauen zu gewinnen. Der Mittelstand ist sehr kritisch und beobachtet den Markt sehr genau. Das war für mich sehr fruchtbar. Ich habe viel gelernt.

Damit sind wir ans Ende unserer Diskussion gekommen.

Vielen Dank.

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