Pleiten, Pech und Pannen

ERP-Projekte im Mittelstand – die neun größten Hürden

19.05.2014
Von Thorsten  Behrens
Schnellere Prozesse, geringere Kosten, höhere Einnahmen: Die Erwartungen, die Mittelständler mit der Einführung einer neuen ERP-Software verbinden, sind oftmals hoch. Doch damit ein ERP-Projekt optimal umgesetzt werden kann und nicht scheitert, braucht es mehr als nur eine gute Softwareauswahl.

Die gute Nachricht zuerst: Nur wenige ERP-Projekte im Mittelstand scheitern gänzlich. Dass ein Unternehmen fünf-, sechs- oder gar siebenstellige Summen ausgibt, ohne letztlich mit einem funktionierenden ERP-System belohnt zu werden, kommt kaum vor. Nicht selten jedoch dauern die Projekte weit länger oder kosten wesentlich mehr als ursprünglich berechnet, oder aber sie decken nur einen Teil der ursprünglichen Zielvorstellungen ab. Woran aber liegt das?

Hürde 1: Unternehmensstrategie fehlt

Das wichtigste Hindernis für die erfolgreiche Einführung einer ERP-Software liegt in der unternehmerischen Denkweise selbst, genauer gesagt in einer nicht vorhandenen oder nicht genügend durchdachten Unternehmensstrategie. Viele Mittelständler gehen davon aus, dass sie mit Hilfe von neuen Technologien anstehende Probleme bewältigen können und vergessen dabei, dass diese Technologien lediglich Werkzeuge sind, die ihre Nutzer bei deren Herausforderungen unterstützen. Sie funktionieren somit lediglich im Rahmen einer Koexistenz zur eigentlichen Unternehmensphilosophie. Fehlt diese jedoch, kann auch die beste Software keinen Erfolg garantieren. Im Fokus jedes Mittelständlers muss also vor jedem IT-Projekt zunächst die Entwicklung einer eigenen Unternehmensstrategie stehen. Welche neuen Geschäftsbereiche sollen eröffnet werden? Welche Märkte sollen angegangen werden? Wo möchte das Unternehmen wann stehen? Welche grundsätzliche Richtung wollen die Verantwortlichen einschlagen? Welche Wettbewerbsvorteile hat die Gesellschaft und wie sollen diese Vorteile erweitert und definiert werden? Derartige Zieldefinitionen sind die Basis für jedes erfolgreiche ERP-Projekt. Ohne sie ist auch die beste Lösung zum Scheitern verurteilt.

Hürde 2: ERP-Strategie fehlt

Auf Basis dieser Zielvorstellungen muss nun die IT-Strategie – und in diesem Rahmen natürlich die ERP-Strategie – ausgearbeitet werden. Damit werden zum Beispiel Arbeitsabläufe festgelegt. Welche Prozesse sollen optimiert werden und wie lassen sie sich mit Hilfe der ERP-Lösung optimieren? Wo will die Gesellschaft ihre Effizienz steigern und ist dies mit Hilfe von IT möglich respektive wie ist dies möglich? Fehlt die ERP-Strategie, leidet die Qualität des ERP-Projekts. Anders gesagt: Nur eine langfristige ERP-Strategie erlaubt es, die Software optimal zu nutzen und deren Erfolg für die nächsten Jahre sicher zu stellen.

Hürde 3: IT Strategie passt nicht zur Unternehmensstrategie

Ein weiterer Fehler ist die fehlende Anpassung der IT-Strategie an die sich verändernde Unternehmensstrategie. Im Laufe der Jahre ändern sich Zielsetzungen und Bedingungen, denen ein Mittelständler unterliegt. Neue Produkte kommen auf den Markt. Alte Märkte entfallen, andere entstehen. Wettbewerber verschwinden, andere tauchen auf. Vielleicht wechseln auch Produktionsbedingungen oder aber das Alleinstellungsmerkmal der eigenen Produkte ist plötzlich überholt und muss angepasst werden. Wird in diesem Zusammenhang nicht gleichzeitig die IT- und damit die ERP-Strategie angepasst, ist die funktionierende Koexistenz von IT- und Unternehmensstrategie nicht mehr gewährleistet.

Hürde 4: Analysephase wird unterschätzt

Ein potentieller Schwachpunkt ist auch die Analyse eines ERP-Projekts. Diese Phase setzt voraus, dass sich ein Unternehmen der eigenen Geschäfts- und IT-Strategie bewusst ist. Doch häufig ist den Verantwortlichen nicht klar, warum sie die ERP-Lösung im tieferen Sinne einsetzen und welche Schritte dazu notwendig sind. Wenn das Projekt ein Erfolg werden soll, müssen diese Punkte allerdings erarbeitet werden. Kernprozesse und Kerngeschäftsfelder des Kunden, die die neue Software zwingend abbilden muss, müssen definiert werden. Zudem muss der Zeitaufwand berücksichtigt werden, den die Datenmigration respektive Altdatenbereinigung benötigt. Auch die Vorgehensweise im Umgang mit Bewegungsdaten will festgelegt werden und vieles mehr: Was passiert mit Vorgängen, die vor dem Stichtag der Umstellung in Auftrag gegeben wurden, aber danach erst abgeleistet und verrechnet werden? Wie sollen offene Rechnungen behandelt werden? Was ist bei Restleistungen zu berücksichtigen? Zwischen fünf und 100 Manntagen werden je nach Größe des Unternehmens für die Analysephase veranschlagt, in der der Kunde gemeinsam mit den IT-Experten die eigenen Prozesse und Ziele strukturiert und im Rahmen eines methodischen Vorgehens analysiert. Dieser Zeitaufwand wird häufig unterschätzt. Außerdem besteht die Gefahr, die Ergebnisse der Analyse während des Projektes aus den Augen zu verlieren. Auch dies endet schlimmstenfalls mit einer Zielverfehlung im Projekt.

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