Der Weg in die Selbstständigkeit

Erster oder anders sein

Michael Sudahl lebt in Stuttgart und arbeitet in Schorndorf. Der gelernte Banker und Journalist beschäftigt sich seit 20 Jahren mit den Themen Personal, Karriere und IT. Daneben berät er Firmen in internen und externen Kommunikationsfragen, erstellt Kundenmagazine, schreibt Fachartikel und moderiert Prozesse rund um die Felder Unternehmensstrategie, öffentliche Wahrnehmung und Unternehmenskultur. Darüber hinaus hat er eine mehrjährige Ausbildung zum Körpertherapeuten (Cranio) abgeschlossen und ist inzwischen ebenfalls als Coach und Trainer tätig. 
Freelancer in der IT-Branche sind Selbstständige aus Überzeugung. Eine Umfrage zeigt, dass neun von zehn Freiberuflern mit ihrer beruflichen Situation zufrieden sind. Laut Bitkom sind diese 80.000 IT-Spezialisten immer stärker gefragt. Doch trotz Fachkräftemangel warnt Personalberaterin Martina Stauch: "Selbstständige müssen Erste oder anders sein".

Trotz eines attraktiven Jobs als Cisco-Managerin hatte Martina Stauch die klare Vorstellung, sich selbstständig zu machen. "Diesen Schritt sollte niemand wagen, nur weil er mit seiner Arbeit unzufrieden ist", sagt die Münchnerin. Ein Erfolgskriterium für Selbstständige und Unternehmer ist aus ihrer Sicht eine Persönlichkeit, die Freude an neuen Ideen, Veränderungen und Verbesserungen hat, langfristige Strategien konsequent umsetzt und an den Erfolg denkt.

Wenn Kunden lukrative Aufträge anbieten, die knapp neben dem eigenen Portfolio liegen, wirkt das verführerisch. Doch Bestleistungen können Freiberufler in der Regel nur in ihren Spezialgebieten abliefern.
Wenn Kunden lukrative Aufträge anbieten, die knapp neben dem eigenen Portfolio liegen, wirkt das verführerisch. Doch Bestleistungen können Freiberufler in der Regel nur in ihren Spezialgebieten abliefern.
Foto: contrastwerkstatt - Fotolia.com

Wer lediglich einen anderen Job will, wird meist an den ersten Schwierigkeiten scheitern. Dagegen brennen die Erfolgreichen wirklich leidenschaftlich für ihre Vision und lassen sich auch von Stolpersteinen nicht aus dem Tritt bringen, sondern verfolgen diszipliniert ihren Weg.

Von den Besten lernen

So hat Martina Stauch beim US-amerikanischen IT-Konzern von den besten Führungskräfte gelernt, an Programmen der Stanford University teilgenommen und bereits ihre eigenen beiden Programme für Führungskräfteentwicklung und Organisationsberatung entwickelt und im Tagesgeschäft umgesetzt. Ohne diese "Schule" hätte sie den Sprung nicht gemacht. Denn sie ist überzeugt, dass ihre praktischen Erfahrungen über die verschiedenen internationalen Führungsebenen sie nach fünf Jahren Selbstständigkeit zur ausgelasteten Beraterin gemacht haben. Mittlerweile schätzen viele deutsche und europäische Kunden ihre Begleitung, wenn es darum geht, Visionen zu einer Unternehmenskultur zu entwickeln und die Kommunikationsstrategie wirklich auch im Alltag umzusetzen.

Personalberaterin Martina Stauch: "Um für meine Kunden ständig am Leistungslimit zu arbeiten, muss auch ich mich weiterentwickeln und neue Methoden aufgreifen."
Personalberaterin Martina Stauch: "Um für meine Kunden ständig am Leistungslimit zu arbeiten, muss auch ich mich weiterentwickeln und neue Methoden aufgreifen."
Foto: Martina Stauch

Während Stauch bewusst alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, gehen viele einen vorsichtigeren Weg. Die Gründung von Nebenerwerbsbetrieben ist laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 3,2 Prozent auf 249.000 gestiegen. Dagegen sank bundesweit die Anzahl neuer Kleinunternehmen auf 238.000 und größerer Firmengründungen auf 129.000. Das niedrigste Niveau seit 2003.

Grund dafür ist der solide Arbeitsmarkt, vermuten die Statistiker. Die Industrie- und Handelskammern bieten kostengünstige Gründerseminare für diejenigen an, die zunächst nebenberuflich ein Standbein aufbauen wollen. In Stuttgart etwa kommen zu den sechs Seminaren immerhin jeweils um die 40 Interessierte – vom Studenten, über Frauen nach der Familienzeit bis zu Angestellten. Dort geht es um handfestes: Gewerbeanmeldung, Geschäftsplan oder Sozialversicherungen.

Spezialisten sind stark nachgefragt

IHK-Berater Michael Weißleder agiert auch mal als "Spaßbremse", indem er unternehmerische Ideen einem Realitätscheck unterzieht und kritisch nachfragt. Entscheidend sind aus seiner Sicht, dass es einen Markt und Kunden für die Idee gibt. Hochgradige Spezialisierung gerade in der IT-Branche ist oft ein Engpass in Unternehmen. Entsprechend werden Projekte für Freiberufler aufgesetzt. Gründer müssen sich prägnant präsentieren können. Und auch wenn Ex-Arbeitgeber in der Regel vertraglich verhindern, dass wichtige Geschäftskontakte in die Selbstständigkeit mitgenommen werden –Branchenkenntnis ist natürlich ein Erfolgsfaktor für die Selbstständigkeit, findet Weißleder.

Aus diesem Grund ist Martina Stauch zunächst in der ITK-Branche geblieben. Trotzdem gibt sie zu, dass sie mit dem eigenen Netzwerk zunächst keine großen Aufträge an Land gezogen hat und die Kaltakquise ist für jeden Selbstständigen ein dickes Brett.

"Diese Rückschläge gehören dazu", findet die Beraterin, "die einen scheitern daran, die erfolgreichen wachsen auf diese Weise." Entscheidend ist, dass Letztere bei aller prinzipiellen Überzeugung bereit sind, ihr bisheriges Vorgehen detailliert zu analysieren, passendere Wege zu gehen und trotzdem konsequent zu bleiben.

Das gilt insbesondere wenn Kunden lukrative Aufträge anbieten, die knapp neben dem eigenen Portfolio liegen. Gerade zu Beginn wirkt das verführerisch. Doch erwartete Bestleistungen können nur in angebotenen Spezialgebieten geliefert werden. Das gilt vor allem in dem überbordenden Berater- und Trainermarkt: Eine schlechte Beratung und der Kunde ist weg, eine zweite schlechte und Ruf sowie Existenz sind in Gefahr.

"Unternehmer oder Selbstständige benötigen ein Wertesystem, innerhalb dessen sie sich bewegen", findet Stauch. Hat sie beispielsweise das Gefühl, dass sie eine Führungskraft nicht unterstützen kann, nimmt sie den Auftrag nicht an. "Das können harte Entscheidungen sein, aber sonst werden Berater unglaubwürdig und verlieren langfristig das Vertrauen ihrer Kunden", begründet Stauch. Weil sie Führungskräfte individuell nach ihren Fähigkeiten und in Bezug auf das Tagesgeschäft berät, erzielt sie schnell sichtbare Resultate. So konnte sie sich in den vergangenen fünf Jahren einen Namen machen und ist inzwischen auch in der Agrarindustrie oder industriellen Automation gefragt.

Flexibel sein ohne große Fixkosten

Gerade in kritischen Situationen können Netzwerke und Gesprächspartner wichtige Impulse liefern. Seit vier Jahren bietet in München das Combinat 56 eine ideale Bürogemeinschaft für gegenwärtig rund 100 Existenzgründer, Selbstständige und kleine Unternehmen, darunter viele IT-Affine. Initiatorin Sina Brübach selbst arbeitete als selbstständige Marktforscherin so lange in den eigenen vier Wänden. "Viele Selbstständige suchen ein flexibles Büro, das sie ohne große Fixkosten und je nach Auftragslage mieten können", so die promovierte Sozialwissenschaftlerin.

Sina Brübach, Initiatorin von Combinat 56: "Viele Selbstständige suchen ein flexibles Büro, das sie ohne große Fixkosten und je nach Auftragslage mieten können."
Sina Brübach, Initiatorin von Combinat 56: "Viele Selbstständige suchen ein flexibles Büro, das sie ohne große Fixkosten und je nach Auftragslage mieten können."
Foto: Sina Brübach

Dazu benötigen sie hin und wieder Besprechungs- oder Tagungsräume – all das bietet der Coworking-Space in Schwabing. Vor allem entwickelt sich ein Büroalltag mit Kollegen, Geburtstags- und Weihnachtsfeiern, dazu vier bis sechs Vernissagen, die die umtriebige Kommunikationsfrau organisiert. Die Küche entwickelt sich wie in vielen Unternehmen zum Austauschzentrum, gleich, ob es um die GEZ-Anmeldung geht oder eine Aufmunterung bei einem unternehmerischen Durchhänger. Markenberater empfehlen beim Cappuccino eine stärkere Profilierung, Texter schauen schnell mal über eine wichtige Mail und Erfahrenere geben ihre Kenntnisse weiter.

Auch nach fünf Jahren entwickelt sich Martina Stauch ständig weiter: arbeitet etwa mit einem Mentor und einem Supervisor zusammen, greift neue Methoden auf und besucht selbst verschiedene Trainings. "Das ist ein Muss und Qualitätskriterium im Beratungsberuf. Um mich kontinuierlich zu verbessern und für meine Kunden ständig am Leistungslimit zu arbeiten", so die Münchenerin. Denn ihr unternehmerisches Credo lautet: Erste oder anders sein. (tö)

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