"Es war eine schwere Geburt, aber das Kind gedeiht prächtig"

06.06.2002
Vier Anbieter von Linux-Distributionen, die deutsche Suse AG, die US-amerikanische Caldera, Turbolinux sowie Conectiva aus Brasilien gaben Ende letzter Woche bekannt, dass sie von nun an enger zusammenarbeiten wollen, um noch in diesem Jahr eine einheitliche Linux-Plattform für Geschäftskunden anzubieten.

United Linux wird aus einem einheitlichen Code bestehen, also dem gerade aktuellen Kernel, einigen wichtigen Programm-Bibliotheken, einer Benutzeroberfläche und ein wenig Zusatzsoftware wie etwa einem Web-Browser. Alle anderen Programmpakete wie Office-Suites, Grafiksoftware oder Datenbanken können die einzelnen Teilnehmer der Initiative je nach Belieben hinzufügen. Es wird also eine CD mit United Linux geben, sowie weitere Scheiben mit Spezialprogrammen. Das Ganze wird sich dann Suse-, Caldera-, Turbolinux- oder Conec-tiva-Distribution nennen - "powered by United Linux".

Es ist vorgesehen, dass das "neue" Linux sowohl auf der kompletten E-Server-Linie von IBM als auch auf AMDs 32- und 64-Bit-Plattfomen sowie auf Intels 32-Bit- und Itanium-Prozessoren laufen wird. Außer den genannten Chipherstellern haben Borland, Computer Associates, Fujitsu Siemens, Hewlett-Packard, NEC, Progress und SAP ihr Interesse am vereinheitlichten "Business-Linux" gezeigt.

Zahl der Distributionen wird abnehmen

Von ihrer Initiative erhoffen sich die vier Gründungsmitglieder eine baldige massive Reduzierung der am Markt vorhandenen Linux-Distributionen (derzeit über 100!) und damit eine bessere Akzeptanz des Open-Source-Betriebssystems in den Unternehmen. Das lockere Konsortium bleibt offen für weitere Teilnehmer. Fraglich bleibt dennoch, ob sich Red Hat daran beteiligen wird. Zu den etwa neun Monate dauernden Verhandlungen war der marktführende Linux-Distributor nicht eingeladen: "Es ist uns schon schwer genug gefallen, vier Parteien unter einen Hut zu bringen, sodass wir uns dafür entschieden haben, es vorerst bei diesen zu belassen", erläutert Suse-Chef Gerhard Burtscher seine Entscheidung für die begrenzte Zahl an Teilnehmern.

Immerhin hat Calderas CEO Ransom H. Love Red Hat und Mandrake zwei Tage vor der Öffentlichkeit über die United Linux-Inititative informiert und hofft nun stark, dass beide möglichst bald dem Konsortium beitreten. "Es wäre schade, wenn dem nicht so wäre, denn die Schwangerschaft war schwer genug, aber das Kind gedeiht nun prächtig". Love muss es wohl wissen; immerhin ist er siebenfacher Vater.

1.0 kommt im November

Unabhängig davon, ob sich noch weitere Anbieter an der Initiative beteiligen werden, steht die Produkt-Roadmap weit gehend fest. Noch in diesem Monat startet die Testphase der Alpha-Version. Im nächsten Quartal erscheint dann die Beta-Version, und United Linux 1.0 kommt im November heraus. Etwa ein Jahr später soll dann die Version 2.0 folgen. Und die nächste Version der Suse Linux Enterprise Edition wird bereits auf dem Einheits-Linux basieren.

Von ihrer engen Zusammenarbeit erhoffen sich die vorerst vier beteiligten Firmen natürlich auch Kos-tenersparnisse, denn nun muss nicht mehr jede von ihnen einzeln Installationsskripte erstellen, Kompatibilitätstest durchführen und für die Auswahl der richtigen Komponenten sorgen. Das übernimmt nun eine von allen vier Teilnehmern gemeinsam getragene Entwicklungsabteilung mit etwa 150 Mitarbeitern und Hauptsitz in Deutschland. Die daraus hervorgehenden Synergieeffekte erlauben den Unternehmen, Kräfte für die Entwicklung von weiter gehenden Anwendungen freizusetzen.

Neue Chancen für Channel-Partner

Auch für Channel-Partner bietet ein United Linux ein gutes Verkaufsargument, denn damit sind die unterschiedlichen Distributionen, zumindest was deren Kern angeht, absolut identisch. Auf der ganzen Welt wird die gleiche Linux-Version verwendet, lautet hier das Ziel. Der Fehler, der bereits bei Unix passiert ist, nämlich dessen Aufspaltung in unterschiedliche, Hardware-spezifische Derivate, soll damit im Falle Linux auf jeden Fall vermieden werden.

Und auch eine erste Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Linux-Anbietern zeichnet sich bereits ab: Während Suse mit ihrer Enterprise Edition vornehmlich Großunternehmen und damit Implementierungspartner wie IBM Global Services oder T-Systems adressiert, versucht sich Caldera eher im Retail-Markt.

www.unitedlinux.com

ComputerPartner-Meinung:

Ein "Einheits-Linux" soll auf den Markt kommen und der Vielfalt an Distributionen den Garaus machen. Zwar belebt der Wettbewerb das Geschäft, im Falle des Open-Source-Betriebssystems macht dies aber wenig Sinn. Denn ein jeder Hersteller, wollte er seine Software für die Linux-Plattform anbieten, musste sich entscheiden: Zertifiziere ich mein ERP-Paket oder Datenbank für die Red-Hat- oder Suse-Distribution oder gar für beide? Und was ist mit Turbolinux, der beliebten Linux-Spielart im asiatischen Raum? Sollte nun Red Hat über seinen Schatten springen und tatsächlich dem United-Linux-Konsortium beitreten, stün- den die Chancen für weiteres Vordringen des lizenzfreien Betriebssystems in den Unternehmen nicht schlecht. (rw)

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