EU-Online-Rechtsprechung gibt Verbrauchern Rückendeckung

12.09.1999
BRÜSSEL: Auch wenn nationale Interessensvertretungen zum Teil lauthals protestieren und die wichtigsten Grundzüge für den Onlinehandel bereits existieren, will Brüssel mit der E-Commerce-Richtlinie, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, den Verbraucherschutz weiter stärken.

Seit Jahren diskutieren Verbände, Unternehmen, Politiker und Rechtsexperten über die rechtlichen Grundlagen für den Internet-Handel. Die neue EU-Richtlinie für den Onlinehandel soll weiter Abhilfe schaffen und das Geschäft im Internet vor allem für die Anbieter absichern. Sie soll einen einheitlichen und übergreifenden Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr schaffen und die freie Erbringung von Dienstleistungen der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellen. Als Dienst wird dabei "jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung" bezeichnet.

Innerhalb des Regelwerks geht es unter anderem um eine Frage, die zu den erwähnten Polarisierungen geführt hat: die Haftung des Anbieters, also des Service-Providers, der lediglich die durchleitende Infrastruktur für den Handel zur Verfügung stellt. Hier geht es bei Streitfragen um den Gerichtsstand, wenn unerlaubte Geschäfte über die bereits gestellte Infrastruktur getätigt werden.

Nach einer geltenden Richtlinie, der im Mai die EU-Kommission wie auch die nationalen Justizminister zugestimmt hatten, können Onlinehändler bei gesetzeswidrigem Handeln nur in deren Heimatstandorten belangt werden - was aber noch nichts über den Gerichtsstand aussagt, wenn es zu vertraglichen Auseinandersetzungen kommt. Während die E-Commerce-Richtlinie die Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Verbrauchers stärken will, bestehen vor allem deutsche Verbände und Unternehmen auf einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Onlinediensten (also nicht Onlinehandel) an deren Ursprungsort. Das Argument: Onlineanbieter könnten sonst in jedem beliebigen europäischen Staat von einem Verbraucher verklagt werden. Vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen würde diese Regelung abschreckend wirken.

Diese Ansicht vertritt auch der Göttinger Professor für Informationsrecht, Gerald Spindler: "Damit verläßt die von der EU beabsichtigte Neuregelung der internationalen Gerichtszuständigkeit für Verbrauchersachen anerkannte Grundlagen des internationalen Zivilprozeßrechts." "Allerdings", so ein Experte der auch auf Medienrecht spezialisierten internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance, "wird die Richtlinie trotz der Einwände wie geplant von der Kommission verabschiedet." Und das wird laut EU-Kommission noch in diesem Jahr geschehen. Sabine Maass, eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, bezweifelt indes eine Einigung noch in diesem Jahr. Im gleichen Atemzug verweist sie auf bereits bestehende nationale und europäische Regelungen, die als rechtlicher Rahmen für Onlinehandel im Grunde genommen bereits ausreichend seien.

Gemeint sind das deutsche Teledienstegesetz (TDG) und das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG), vor allem aber die EU Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997, die sich im Zweifelsfall günstig für den Verbraucher auswirken.

Für Harald Summa, Geschäftsführer des Deutschen Electronic-Commerce- Forums, sind die Aktivitäten nicht ausreichend praxisnah. "In Brüssel versucht man, mit einer allgemeingültigen Formel viele Detailfragen zu beantworten, die aufgrund ihrer einzigartigen Problemstellung häufig erst beantwortet werden können, wenn sie konkret auftauchen."

DREI SÄULEN IN EUROPA

Um E-Commerce voranzutreiben, müssen zunächst alle rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Während zwei der drei Rechtssäulen bereits oder so gut wie verabschiedet sind (Fernabsatz- und E-Commerce-Richtlinie), kümmert man sich in Brüssel noch um die dritte Säule, das Signaturgesetz.

In Deutschland sind alle drei Rahmenbedingungen bereits vorhanden, denn hierzulande gibt es neben dem TDG und dem IuKDG seit drei Jahren ein Signaturgesetz. Allerdings wird es aufgrund mangelnder Praxistauglichkeit kaum angewandt. Was wirklich in den Ausschüssen in den Brüsseler Bürotürmen ausgebrütet wird, dringt gegenwärtig nur ansatzweise an die Öffentlichkeit. Eines scheint aber sicher: Im Internet-Handel erhält der Verbraucherschutz eine besondere Bedeutung. (up)

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