Europa ruft: Wer wachsen will, muß über deutsche Grenzen hinausdenken

25.04.1997
MÜNCHEN: Wie so manch anderer Distributor in Deutschland hegt die Erdinger eld Datentechnik derzeit rege Expansionspläne innerhalb Europas. Manfred Sokat, seit Anfang des Jahres als Geschäftsführer des Großhandelsunternehmens (Festplatten, Netzwerk- und Tele-kommunikationssysteme) verantwortlich für die strategische Ausrichtung, nimmt in einem Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau Stellung zu Zielen des Unternehmens und seinen Europa-Plänen.? Bevor wir das geplante Europa-Geschäft unter die Lupe nehmen - es kursieren derzeit Gerüchte, Sie würden die Niederlassung in Erding samt Vertrieb und Verwaltung schließen und nach Stuttgart umziehen. Stimmt das?

MÜNCHEN: Wie so manch anderer Distributor in Deutschland hegt die Erdinger eld Datentechnik derzeit rege Expansionspläne innerhalb Europas. Manfred Sokat, seit Anfang des Jahres als Geschäftsführer des Großhandelsunternehmens (Festplatten, Netzwerk- und Tele-kommunikationssysteme) verantwortlich für die strategische Ausrichtung, nimmt in einem Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau Stellung zu Zielen des Unternehmens und seinen Europa-Plänen.? Bevor wir das geplante Europa-Geschäft unter die Lupe nehmen - es kursieren derzeit Gerüchte, Sie würden die Niederlassung in Erding samt Vertrieb und Verwaltung schließen und nach Stuttgart umziehen. Stimmt das?

SOKAT: Nein! Ich weiß von dem Gerücht, eine Reihe von Partnern hat sich schon bei uns gerührt. Also endgültig: Die Geschäftsleitung - ich und einige Mitarbeiter, die es wünschen also - zieht nach Stuttgart. Der Vertrieb bleibt aber in Erding, für unsere Handelspartner ändert sich also nichts, ihre Ansprechpartner sind und bleiben alle noch vor Ort und erreichbar.

? Nachdem Ihr Vorgänger - "Mister eld", Hans Geyer, aus dem Unternehmen ausschied - was waren Ihre ersten und wichtigsten Amtshandlungen?

SOKAT: Zum einen habe ich den Kommunikationsbereich in Angriff genommen und verstärkt. Wir sind heute - und die Behauptung stammt nicht von mir, sondern vom Hersteller - weltweit der größte SMC-Distributor. Für ATI liegen wir auch gut im Rennen und wir wollen noch weitere Hersteller - wie beispielsweise Shiva - ins Sortiment holen. Da stehen wir derzeit noch in Verhandlungen. Der nächste Schritt: Die ganzen Arbeitsabläufe innerhalb des Betriebs mußten noch rationalisiert werden...

?Da rollen in der Regel Köpfe. Haben Sie Mitarbeiter entlassen oder werden Leute gehen müssen?

SOKAT: Seltsam, daß der Begriff "Rationalisierung" hier immer mit Entlassungen in Zusammenhang gebracht wird... Nein, wir werden unseren Mitarbeiterstamm eher noch aufstocken, nicht verringern. Derzeit arbeiten wir mit rund 40 Mitarbeitern, das wird eher steigen. Ich meinte mit Rationalisierung mehr die Abläufe. Personal sparen wir allerdings bei einem neuen Projekt: In Fellbach beispielsweise wird - wenn alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen - im Mai/Juni ein Lager ans Netz gehen, in dem kein Mensch mehr arbeitet. Da haben wir dann Platz für fast 30.000 Artikel. Da ist effektives Arbeiten wirklich möglich: Heute beispielsweise können wir am Tag etwa 500 Kartons transportieren - wenn das Lager läuft, werden 800 Kartons pro Stunde möglich.

? Das sind natürlich Dimensionen... Punkt drei auf Ihrer To-do-Liste war dann der Aufbau des Europa-Geschäftes?

SOKAT: Ja genau. Wenn in Europa die Grenzen fallen, wird Deutschland nichts anderes mehr sein, als ein Bundesstaat unter vielen, der beliefert werden will. Wie in den USA - da vertreibt man ja auch nicht nur beispielsweise in Kalifornien und läßt die anderen Staaten außen vor.

? Aber noch ist es ja nicht so weit. Ist denn in Deutschland kein Geschäft mehr zu machen - kann ein Distributor hier nicht mehr wachsen?

SOKAT: Im Grunde ist das genau der Punkt: Hier ist nur noch Wachstum durch Verdrängung möglich. Deutschland ist völlig überdistributiert - was sich für einige wie Peacock oder Escom auch bitter bemerkbar gemacht hat. Da ist der Schritt über die Grenzen hinaus doch ein ganz natürlicher. Auch wenn der - letztendlich - auch wieder in eine Sackgasse führen kann.

? In welche?

SOKAT: Da führen verschiedene Wege hin. Zum einen - Wenn Sie als Broadline-Distributor ohne solide Kapitaldecke zu schnell investieren, beispielsweise einfach Niederlassungen streuen, ohne auf Mentalitäten oder andere Vertriebsgegebenheiten in diesen Ländern zu achten...

? ... dann werden diese Niederlassungen - unter herben finanziellen Verlusten - so schnell wieder dichtgemacht, wie sie eröffnet wurden...

SOKAT: Genau. Oder manche ziehen in diesen Ländern einfach nur eine Produkt-Spedition auf. Bestellungen über Electronic Commerce und die Systeme einfach weiterschieben.

? Und da stellt sich dann die Frage nach der Profitabilität.

SOKAT: Es geht auf jeden Fall ganz sicher nicht, daß einer im Unternehmen aufsteht und sagt "Heute werden wir pan-europäisch".

? Jetzt wissen wir also, wie es nicht geht. Welche Fehler werden Sie nicht machen?

SOKAT: (lacht). Schwierig, schwierig. Wir werden sicher auch Fehler machen. Aber nichts überstürzen, vor allen Dingen. Wichtig ist, je nach Land mit unterschiedlichen Strategien einzusteigen. Und das klappt am besten über Partnerschaften. Nicht im klassischen Sinn, daß wir irgendein dort ansässiges Distributionsunternehmen kaufen. Das machen nämlich einige: Sie übernehmen Firmen, die aus irgendeinem Grund nicht laufen und glauben, daß sie das schon in den Griff bekommen. Uns schwebt eher eine Partnerschaft vor, bei der man sich an einem florierenden Unternehmen beteiligt. Die kennen die örtlichen Gegebenheiten, haben schon einen Kundenstamm und wissen mit der jeweiligen Mentalität umzugehen.

Natürlich könnte man hergehen und in einem dieser Länder ein eigenständiges Vertriebsbüro einrichten. Aber wenn ich einen guten Partner finde, bin ich doch mit einem Schlag zwei Schritte weiter.

? Stehen auf ihrer Liste eher westeuropäische Länder wie Frankreich, England, Spanien oder Italien, oder orientieren Sie sich mehr im osteuropäischen Umfeld?

SOKAT: Unterschiedlich. Frankreich beispielsweise halte ich für den schwierigsten Markt. Der ist durch nationale Unternehmen schon ausgelastet. Frankreich steht demnach nicht auf der Liste. England ist zu nah an den US-Markt gebunden, die beziehen über Amerika - was durch die gemeinsame Sprache ja auch recht naheliegt. Spanien und Portugal sind interessant. Der Bereich läßt sich eventuell sogar besser anpassen, als der italienische - Süditalien ist schwer zu handhaben.

Osteuropa halte ich für mehr als interessant. Nicht Länder wie Ungarn, da sind schon zu viele andere. Aber so im Hinblick auf das prognostizierte Wirtschaftswachstum: Das könnte wirklich klappen. Da gibt es noch eine Menge nackter Flecken auf der Distributionskarte.

? Machen Sie - wie viele andere Distributoren auch - den Umweg über Österreich?

SOKAT: Österreich als Tor zum Osten hat meiner Ansicht nach in dieser Funktion ausgedient. Die osteuropäischen Länder öffnen sich selber, da brauchen Sie keinen Umweg mehr. Und Österreich an und für sich: Ich halte das Kaufpotential dort nicht für so groß, daß es auf meiner Prioritätenliste oben stehen würde.

? Für die Europa-Expansion braucht man - wie schon gesagt - das nötige Spielgeld. Wie sieht es da bei der eld aus - und welchen Stellenwert messen Sie dem Pan-Europageschäft bei?

SOKAT: Wir haben eine grundgesunde Finanzposition. Wenn unsere Gewinnentwicklung so weitergeht, wie bisher, habe ich da überhaupt keine Sorge. Und zum Stellenwert: Wenn es intern darum geht, ein neues Vertriebsbüro zu eröffnen, dann hat ein pan-eurpäisches Büro klaren Vorrang vor einem nationalen.

Zur Startseite