Europäische Währungsunion: Es ist fünf vor zwölf

12.12.1997
MANNHEIM: Bei den Vorbereitungen auf den Euro haben viele Unternehmen zu lange gewartet. Auch wenn bis zum geplanten Beginn der Europäischen Währungsunion (EWU) nur noch ein Jahr verbleibt, sind viele deutsche Unternehmen noch unzureichend informiert und stehen oftmals erst am Beginn der konkreten Vorbereitungen. Autor Dr. Friedrich Heinemann* erläutert wichtige Grundlagen und widmet sich praktischen und strategischen Fragen zur Euro-Einführung aus Sicht der Unternehmen.Eine aktuelle Umfrage des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München belegt, daß sich erst ein knappes Viertel der deutschen Unternehmen als detailliert Euro-kundig bezeichnen. Hinter diesem Gesamtbild verbirgt sich eine besonders erschreckende Tatsache: Gerade kleine und mittlere Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl bis 200 Mitarbeiter sind zu etwa 85 Prozent unvorbereitet - im Gegensatz zu den Großunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, von denen auf dem Weg zur Euro-Einführung schon etwa jedes zweite sehr weit vorangeschritten ist.

MANNHEIM: Bei den Vorbereitungen auf den Euro haben viele Unternehmen zu lange gewartet. Auch wenn bis zum geplanten Beginn der Europäischen Währungsunion (EWU) nur noch ein Jahr verbleibt, sind viele deutsche Unternehmen noch unzureichend informiert und stehen oftmals erst am Beginn der konkreten Vorbereitungen. Autor Dr. Friedrich Heinemann* erläutert wichtige Grundlagen und widmet sich praktischen und strategischen Fragen zur Euro-Einführung aus Sicht der Unternehmen.Eine aktuelle Umfrage des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München belegt, daß sich erst ein knappes Viertel der deutschen Unternehmen als detailliert Euro-kundig bezeichnen. Hinter diesem Gesamtbild verbirgt sich eine besonders erschreckende Tatsache: Gerade kleine und mittlere Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl bis 200 Mitarbeiter sind zu etwa 85 Prozent unvorbereitet - im Gegensatz zu den Großunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, von denen auf dem Weg zur Euro-Einführung schon etwa jedes zweite sehr weit vorangeschritten ist.

Erstaunlich ist die Tatsache, daß auch Unternehmen aus den Wirtschaftszweigen noch unzureichend vorbereitet sind, die im allgemeinen als Euro-Gewinner gelten: Das gilt auch für die EDV-Branche. Hier kann man den Eindruck gewinnen, daß bislang der Jahr-2000-Problematik eine ungleich höhere Aufmerksamkeit geschenkt wurde als dem Euro. Und das, obwohl der Euro immerhin ein Jahr früher kommen soll als der Jahrtausendwechsel und hinsichtlich seiner Komplexität wohl den vielfachen Schwierigkeitsgrad der - sicher ebenfalls nicht trivialen - Jahrtausendproblematik ausmacht.

Zwei beliebte Ausreden

Der Zeitverlust ist inzwischen bedenklich, lediglich ein Jahr verbleibt noch bis zum Starttermin. Was sind die Gründe für diese riskante Passivität? Vor allem zwei Entschuldigungen sind immer wieder zu hören. Entschuldigung Numero eins lautet: "Der Euro kommt nicht zum 1. Januar 1999, das Projekt wird verschoben oder geht noch ganz den Bach hinunter - also warte ich lieber erst einmal ab." Entschuldigung Numero zwei: "Der Euro kommt zwar bald, aber es ist doch noch so vieles ungeklärt; der Gesetzgeber muß erst einmal seine Hausaufgaben machen, bevor ich konkret in die Vorbereitungen einsteigen kann."

Was ist dran an diesen Ausreden? Zur Verschiebungsdebatte: Jawohl, es ist inzwischen völlig unstrittig, daß es zu einer Verschiebung kommt - der 1. Januar 1999 ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Das beweist der Blick auf den Kalender: Der 1. Januar ist ein Feiertag und dann kommt ein Wochenende. Der Euro kann also erst am 4. Januar 1999 starten. Eine Verschiebung, die über den 4. Januar 1999 hinaus geht, wird es jedoch definitiv nicht geben. Zwar spielt die Verschiebungsdebatte noch eine gewisse Rolle in der deutschen Innenpolitik im Hinblick auf Landtagswahlen und die Bundestagswahl 1998; auf der europäischen Ebene geht es aber im Grunde nur noch um die Frage, welche Länder denn nun von Beginn an teilnehmen werden. Hier sollte sich also niemand mehr irgendwelchen Illusionen hingeben: Die Uhr tickt.

Auch der Verweis auf die noch ungeklärten Rahmenbedingungen dürfte inzwischen keine überzeugende Ausflucht mehr darstellen. Der europäische und der nationale Gesetzgeber haben vieles konkretisiert, was vor einem Jahr noch vager Diskussionsgegenstand war. Eine Euro-Verordnung der EU ist bereits seit dem Sommer 1997 geltendes Recht. Im Bundeskabinett ist der Entwurf zum Euro-Einführungsgesetz mit vielen konkreten Regelungen beraten und auf den parlamentarischen Weg geschickt worden. Viele Detailfragen beispielsweise im Rechnungswesen und im juristischen Bereich sind geklärt oder doch weitgehend entscheidungsreif.

Vor diesem Hintergrund sollte kein Unternehmen die Euro-Vorbereitungen noch weiter aufschieben. Warten kostet Geld, und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen werden die ganz konkreten Euro-Umstellungskosten um so höher ausfallen, je später die Vorbereitungen anlaufen. Ein später Start bedeutet einen dann hektischen, fehlerträchtigen Start, bei dem es im eigenen Unternehmen und bei den assistierenden Partnern (Berater, Juristen, EDV-Fachleute) zu preistreibenden Engpässen kommen wird.

Euro ist auch strategische Herausforderung

Zum anderen kann das Warten aber auch eine andere Art von - noch viel gravierenderen - Kosten verursachen, nämlich Marktanteilsverluste. Denn hier liegt eine zentrale Erkenntnis bei der Euro-Vorbereitung: Die Einführung einer europäischen Währung ist nicht nur ein technisch-organisatorisches Problem. Darüber hinaus bringt die EWU

eine Marktveränderung mit sich, die je nach Branche und Unternehmen eine umfassende Neuorientierung notwendig machen kann.

Mit anderen Worten: Der Euro ist vor allem auch eine Herausforderung für die Unternehmensstrategie. Es ist möglich, daß heute gültige strategische Grundsätze ab 1999 nicht mehr gelten. In manchen Branchen wird sich nämlich durch das Ende der DM der Markt von einem deutschen zu einem europäischen Markt mit neuen Mitbewerbern aber auch neuen Absatzchancen wandeln. Gerade bei derartigen Veränderungen ist es unabdingbar, rechtzeitig Schlußfolgerungen zu ziehen.

Im folgenden sollen nun kurz die wichtigen Grundlagen der Euro-Einführung - Zeitplan, Kandidatenkür, gesetzliche Regelungen - beschrieben werden, wie sie sich im Jahr eins vor der EWU darstellen. Dann werden die praktischen und strategischen Fragen der Euro-Einführung aus der Sicht der Unternehmen und hier insbesondere auch aus Sicht der EDV-Branche beleuchtet.

Der Zeitplan für den Übergang zu einer europäischen Währung ergibt sich aus dem Maastrichter Vertragswerk und den seitdem erfolgten weiteren Präzisierungen. Die Stunde der Wahrheit schlägt im Mai 1998.

Zehn oder elf Staaten sind mit im Boot

Am langen Wochenende vom 1. bis zum 3. Mai werden gemäß Maastricht-Vertrag der EU-Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden, welche Länder an der Währungsunion teilnehmen. Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage der Empfehlung des Rates in der Zusammensetzung der Wirtschafts- und Finanzminister.

Entscheidungsgrundlage sind die Berichte des Europäischen Währungsinstituts und der Europäischen Kommission. Das Europäische Währungsinstitut und die Kommission prüfen in ihren Berichten, ob die EU-Staaten einen hohen Grad an dauerhafter Konvergenz - gemessen an den Konvergenzkriterien - erreicht haben. Trotz dieser Berichte verbleibt die politische Entscheidung über den Teilnehmerkreis dann am Ende aber bei den Staats- und Regierungschefs.

Die Konvergenzkriterien zeigen heute bereits recht deutlich, welche Länder voraussichtlich von Beginn an teilnehmen werden. Mit der Inflations- und Zins-Obergrenze hat heute lediglich Griechenland noch ein Problem. Beim Schuldenstand, der bekanntlich einen Höchstwert von 60 Prozent in Relation zum Sozialprodukt nicht übersteigen soll, sieht die Lage dagegen eher düster aus. Allerdings gibt es hier weit auslegbare Ausnahmeklauseln. Es reicht demnach auch aus, wenn der Schuldenstand zwar über 60 Prozent liegt, aber hinreichend schnell rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert. Alles deutet darauf hin, daß die Politik gewillt ist, diesen Interpretationsspielraum zu nutzen, um eine möglichst große Währungsunion zu ermöglichen. Weniger Probleme gibt es beim berühmten Defizitkriterium (die "Drei-komma-null-Debatte" ist ja jedem Zeitungsleser geläufig). Hier sind inzwischen fast alle Staaten im Zielbereich oder nur knapp darüber.

Neben den Ergebnissen des Konvergenztests ist zu berücksichtigen, daß drei Staaten derzeit an der EWU überhaupt nicht teilnehmen wollen: Es handelt sich um Großbritannien, Dänemark und Schweden. Diese drei Länder sind die sogenannten "Opt-outs", die sich vorläufig die Währungsunion lieber von außen betrachten und möglicherweise dann nach zwei oder drei Jahren hinzustoßen. Griechenland ist das einzige Land, das gegen seinen eigenen Willen nicht dabei sein kann, vor allem wegen seiner Probleme mit einer noch zu hohen Inflationsrate. Lediglich bei Italien ist heute noch unklar, ob es pünktlich mit von der Partie sein kann oder nicht. Der hohe Schuldenstand und vor allem das - trotz vieler ehrlicher und auch mancher unsauberer - Konsolidierungsbemühungen noch zu hohe Defizit lassen den Mai 1998 für Italien einen spannenden Monat werden. Insgesamt ist also heute bereits mehr oder weniger sicher, daß im Januar 1999 eine große Währungsunion mit zehn oder sogar elf EU-Staaten an den Start gehen wird.

Der Euro-Countdown

Nach der Entscheidung über den Teilnehmerkreis folgt ein Drei-Phasen-Übergang von der DM zum Euro. Die Phase A reicht von der Mai-Entscheidung bis zum 31.12.1998. Daran schließt sich die Phase B an, die bis Ende 2001 dauert. Die Abschlußphase C beginnt spätestens am 1. Januar 2002 und endet spätestens am 1. Juli 2002.

In der Phase A (Mai bis Ende 1998)

- beginnt die Herstellung der Euro- Banknoten und -Münzen,

- wird die Europäische Zentralbank (EZB) errichtet und deren Direktorium ernannt,

- werden die Vorbereitungen für die Durchführung der europäischen Geldpolitik abgeschlossen.

Der frühe Beginn der Produktion von Banknoten und Münzen ist notwendig, weil für den gewaltigen Auftrag (etwa 12 Milliarden Banknoten und etwa 60 Milliarden Münzen) nur begrenzte Kapazitäten vorhanden sind. Die Produktion von Geld kann aufgrund des inzwischen dabei herrschenden hohen Sicherheitsstandards bekanntlich nicht von jeder Druckerei "um die Ecke" erledigt werden. Spannend wird diese Phase vor allem auch hinsichtlich der Entscheidung über die Besetzung des EZB-Präsidentenamts werden, wo ja derzeit eine deutsch-französische Kontroverse über die Konkurrenz zwischen einem niederländischen und einem französischen Kandidaten verläuft. Nachdem der Niederländer Duisenberg seit langem eigentlich als klarer Favorit galt, haben die Franzosen ihren Notenbankchef Trichet ins Rennen geschickt - aus Angst vor einem zu "deutschen" Chef der EZB. Beobachter an den Finanzmärkten verfolgen diese Auseinandersetzung aufmerksam, weil ein Franzose als EZB-Chef sicher nicht als Hinweis auf einen besonders harten Euro gelten würde.

Zu Beginn der Phase A, so wurde vor einigen Monaten beschlossen, sollen auch bereits die festen Umrechnungskurse zwischen den EWU-Teilnehmerländern verkündet werden. Man wird also im Mai 1998 bereits erfahren, zu welchem Kurs die Relation von DM zu französischem Franc ab 1. Januar 1999 endgültig eingefroren wird. Zwar kann dieser Kurs in der zweiten Jahreshälfte 1998 noch schwanken. Eine allzu große Abweichung von der vorangekündigten Parität sind aber nicht mehr möglich, weil kein Spekulant einen Anreiz hat, die Devisenkurse noch zu weit von dem spätestens ein halbes Jahr später geltenden Wert fort zu treiben.

Ein für die praktischen Vorbereitungen vor allem in der Software wichtiges Detail: Der Umstellungskurs von DM zu Euro wird im Mai 1998 noch nicht verkündet werden. Diesen genauen Kurs wird man erst am 31.12.1998 festlegen können - eine unschöne Lösung für eine termingerechte Anpassung der Systeme.In der Phase B (1. Januar 1999 bis 31.12.2001)

- werden zu Beginn die Umrechnungskurse der Teilnehmerwährungen untereinander unwiderruflich festgesetzt; außerdem werden die genauen Umrechnungskurse zwischen nationalen Währungen und Euro verkündet,

- beginnt die EZB mit der Festlegung und Ausführung der Euro-Geldpolitik,

- wird das TARGET-System in Betrieb genommen, das Kernstück der neuen europäischen Zahlungsverkehrs-Infrastruktur,

- ist der Euro noch nicht als Bargeld, aber als Giralgeld verfügbar.

Der letzte Punkt macht die Phase B zur einem Zeitraum, der erhebliche Anforderungen an das betriebliche Rechnungswesen und die EDV-Systeme stellt.

Die Doppelwährungsphase

Drei Jahre lang werden in Deutschland DM und Euro im unbaren Bereich parallel verwendet werden. Es gilt der Grundsatz "kein Zwang - kein Verbot". Man kann den Euro nutzen, muß aber nicht. Ein Geldkreislauf, der bislang im inländischen Zahlungsverkehr in einer Währung abgewickelt wurde, wird damit für drei Jahre zum Doppelwährungskreislauf.

Natürlich sind DM und Euro in ökonomischer und auch juristischer Betrachtung dann bereits eine Währung. In der praktischen Abwicklung sind beide Benennungen der gleichen ökonomischen Realität aber genau zu unterscheiden. Werden etwa Euro-Rechnungen bezahlt, als ob es DM-Beträge seien, dann erhält der Lieferant nur etwa die Hälfte des in Rechnung gestellten Wertes überwiesen. In dieser Phase kann es also notwendig werden, in manchen Bereichen des Rechnungswesens Doppelwährungsfähigkeit herzustellen.

Im Nachhinein ist sicher das Urteil gerechtfertigt, daß dieses Nebeneinander von zwei Währungen der denkbar teuerste Weg der Umstellung ist. Dahinter steht aber eine politische Entscheidung: Dadurch, daß die Europäer noch ein paar Jahre ihre alten Geldscheine mit sich herumtragen, können sie sich an die neue Realität langsam gewöhnen. Im Grunde also handelt es sich bei dieser Doppelwährungsphase um eine - teuer bezahlte - Beruhigungspille der Politik für die Bürger.

In der Phase C (spätestens 1.1.2002 bis spätestens 1.7.2002)

- werden Euro-Banknoten und -Münzen in Umlauf gebracht und

- die alten, nationalen Geldzeichen aus dem Verkehr gezogen.

Dauer und Terminierung der Abschlußphase C werden möglicherweise noch verändert - die endgültige Entscheidung darüber dürfte in Kürze getroffen werden. So ist etwa zu überprüfen, ob der Bargeldumtausch tatsächlich Anfang Januar 2002 beginnen soll - eine Zeit, in der im Handel mit Inventuren, nachweihnachtlicher Kauf- und Umtauschwelle Hochkonjunktur herrscht. Sinnvoller erscheint der Umtauschbeginn in einer ruhigen Jahreszeit, etwa im März. Es stellt sich außerdem die Frage, ob man für die Phase C tatsächlich sechs Monate benötigt oder ob auch eine kürzere Zeitspanne in Frage kommt. In jüngster Zeit mehren sich allerdings die Anzeichen, daß die Bargeldeinführung doch wohl im Januar beginnen wird. Eine endgültige Entscheidung über die Terminierung der Phase C soll bis Anfang 1998 getroffen werden.

Phase C wird aus Sicht besonders des Einzelhandels durch den Umlauf von zweierlei Sorten Bargeld eine besondere Herausforderung darstellen. Am Ende der Phase C verliert das alte DM-Bargeld den Charakter eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Keine Sorge sollte sich aber jemand machen, der auch später noch einmal einen alten DM-Schein findet - dieser kann immer noch bei der Bank gegen eine Euro-Gutschrift eingereicht werden.

Euro-Verordnungen: Fakten geschaffen

Der europäische Gesetzgeber hat bereits Fakten geschaffen und die Rahmenbedingungen für die Euro-Einführung spezifiziert. Eine erste EU-Verordnung ist bereits in Kraft getreten, die zweite folgt unmittelbar nach der Entscheidung über den Teilnehmerkreis im Mai kommenden Jahres. Euro-Verordnungen bieten die Gewähr, daß der rechtliche Charakter des neuen Geldes in der gesamten Währungsunion einheitlich geregelt ist. Die Verordnungen ersparen es dem nationalen Gesetzgeber aber nicht, in einer umfassenden Anpassung auch das nationale Recht auf Euro-Kurs zu bringen. In Deutschland geschieht das vor allem mit dem Euro-Einführungsgesetz.

Die "Euro-Verordnung I" ist seit 20.6.97 unmittelbar geltendes Recht (siehe Kasten "Euro-Verordnung I"). Mit dieser Verordnung sind juristisch wichtige Prinzipien festgelegt. Außerdem enthält sie wichtige Vorschriften, die von sehr konkreter Bedeutung für die anstehenden Anpassungen im Rechnungswesen und in der EDV sind. Juristisch ist vor allem das Prinzip der Vertragskontinuität von Bedeutung. Damit wird Rechtssicherheit über die Fortgeltung von Verträgen erreicht, die auf DM oder Franc lauten. Diese werden ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten in Euro-Verträge uminterpretiert. Ein Restrisiko besteht hier allerdings im Hinblick auf Verträge mit Drittstaaten: Ein US-Unternehmen mit einer Vertragsbeziehung zu einem deutschen Partner etwa ist nicht an die Euro-Verordnung gebunden. Hier ist denkbar, daß es zu Fällen der außerordentlichen Vertragskündigung kommen kann. Ist der Gerichtsstand dann beispielsweise New York, dann ist heute noch nicht absehbar, inwieweit der amerikanische Richter dem in der Verordnung festgelegten Grundsatz der Vertragskontinuität folgen wird. Es ist möglich, daß er einer Argumentation "Euro ist etwas ganz anderes als die DM - der Vertrag ist hinfällig geworden" folgt. Aus diesem Grunde empfehlen sich in Vertragsbeziehungen mit Partnern außerhalb der EU klärende DM-Euro-Überleitungsklauseln, um Schwierigkeiten nach der Euro-Einführung zu vermeiden.

Die Vorschriften der Euro-Verordnung I über die Genauigkeit und Technik der Umrechnung ist bei allen Umstellungs- und Umrechnungsprozeduren zu berücksichtigen. Aufgrund der Tatsache, daß in der betrieblichen Software eben nicht beliebig viele Stellen hinter dem Komma verfügbar sind, können sich Umrechnungsergebnisse unterscheiden, je nachdem ob das Verfahren der Verordnung oder aber ein - theoretisch, aber eben nicht praktisch - äquivalentes Rechenverfahren verwendet wird. Hier könnte es dann zu Schwierigkeiten kommen, wenn nach 1999 der Wirtschaftsprüfer etwas genauer hinsieht.

Die "Euro-Verordnung II" wird nur in den Teilnehmerländern der EWU gelten (im Gegensatz zur Euro-Verordnung I, die in der gesamten EU gilt) und kann daher erst in Kraft treten, wenn im Mai 1998 die Teilnehmer gekürt worden sind. Schon heute existiert allerdings ein präziser Entwurf (siehe Kasten "Euroverordnung II"):

Mit dieser Verordnung ist die etwas bizarre Situation von parallelen Währungen in der Übergangsphase rechtlich sauber definiert.

Das Euro-Einführungsgesetz

Nicht nur der europäische Gesetzgeber hat gearbeitet, auch der wesentliche Beitrag des nationalen Gesetzgeber liegt für Deutschland zumindest im Entwurf vor: das "Gesetz zur Einführung des Euro". Zählt man die Gesetze, Verordnungen und sonstige rechtliche Vorschriften zusammen, in denen die DM erwähnt wird, dann sind zigtausende von Gesetzen anzupassen.

Vieles läßt sich aber glücklicherweise durch pauschale Überleitungen lösen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Bereiche, in denen detaillierte Anpassungen vorgenommen werden müssen. Diese Bereiche werden zum großen Teil im Euro-Einführungsgesetz angegangen. Dieses Gesetz wird unter anderem folgende Elemente umfassen:

- Diskontsatz-Überleitungsgesetz

- Öffnung des Mahnverfahrens für den Euro

- Öffnung des Gesellschaftsrechts für den Euro

- Öffnung des Bilanzrechts für den Euro

- Möglichkeit der Börsennotierung in Euro

- Umstellung von Schuldverschreibungen auf den Euro

- Anpassung des Währungsrechts

Ohne im einzelnen auf alle juristisch komplexen Umstellungsproblem einzugehen, sei hier exemplarisch nur kurz die Problematik der Diskontsatz-Überleitung skizziert: Unzählige Gesetze, Verordnungen aber auch privatrechtliche Verträge nehmen Bezug auf den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. Ab Januar 1999 wird es keinen derartigen Zinssatz mehr geben. Die EZB wird keinen Diskontkredit vergeben, so daß ohne eine Hilfe des Gesetzgebers sämtliche Bezugnahmen auf den Diskontsatz plötzlich ihren Sinn verloren hätten und die entsprechenden Verträge und Gesetze in dieser Hinsicht unbestimmt wären. Um hier ein rechtliches Chaos zu vermeiden, wird es im Rahmen des Euro-Einführungsgesetzes das Diskontsatzüberleitungsgesetz geben. Der Gesetzgeber gibt hier eine vertragliche Anpassungshilfe: Der Entwurf sieht vor, daß an die Stelle des Diskontsatzes für eine dreijährige Übergangszeit als Ersatz der sogenannte "Basiszinssatz" tritt. Dieser soll in viermonatigen Abständen an die Entwicklung der Zinsen der EZB angepaßt werden. Als Referenzgröße wird das geldpolitische Steuerungsinstrument der EZB bestimmt, das dem Charakter des alten Diskontsatzes am ehesten entspricht. Ähnliche Referenzgrößen werden auch für den Lombardsatz und die Frankfurt Interbank Offered Rate (FIBOR) vorgesehen.

Deutsche Finanzverwaltung: Die Bremser

Während also der Gesetzgeber dabei ist, seine Hausaufgaben zu erledigen, gilt dies leider nicht für die Exekutive, die Verwaltung. Es heißt, daß sich derzeit die Beamten des Bonner Finanzministeriums nur sehr ungern auf Euro-Seminare für Unternehmer begeben.

Der Hintergrund: Die deutsche Finanzverwaltung tut sich enorm schwer mit ihrer eigenen, ganz konkreten Euro-Vorbereitung. Bisherige Marschrichtung ist, daß die Finanzämter darauf beharren wollen, daß Steuererklärungen bis Ende 2001 ausschließlich nur in DM abzugeben sind. Diese starre Haltung bereitet vielen Unternehmen, die früh auf Euro umstellen wollen, erhebliches Kopfzerbrechen. Von der Handhabung des Fiskus wird der gesamte staatliche und halbstaatliche Bereich wie etwa Rentenversicherungen und Krankenkassen sein Handeln abhängig machen. Wenn alle diese Akteure aber bis zum Ende der Phase B auf einer DM-Rechnung beharren, dann kann ein Unternehmen kaum komplett früher auf Euro umstellen. Bei allen Meldungen an diese Stellen wäre ja weiterhin die Verwendung der DM zwingend.

In den letzten Wochen keimt aber Hoffnung auf eine unternehmensfreundlichere Handhabung durch die Finanzverwaltung. Brüssel und auch einige Nachbarn machen Druck auf Bonn. So hat etwa die österreichische Finanzverwaltung bereits definitv erklärt, daß Steuererklärungen ab dem 1. Januar 1999 auch in Euro abgegeben werden können. Inzwischen haben sich mit Thüringen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland schon eine Reihe von Bundesländern für eine frühzeitige Euro-Akzeptanz der Finanzverwaltung ausgesprochen. Hier ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Am Anfang steht die Analyse

Was ist aber nun aus diesen allgemeinen Vorgaben für die konkreten Vorbereitungen der Unternehmen abzuleiten? Am Anfang jeder Euro-Vorbereitung steht die Analyse. Und hier sind zwei Erkenntnisse zentral.

Erstens: Die Euro-Einführung ist keine eindimensionale Aufgabe von EDV- und Rechnungswesens-Experten. Fast alle Unternehmensbereiche sind betroffen, insbesondere auch die strategische Planung und das Marketing.

Zweitens: Es gibt für die unternehmerische Euro-Einführung kein Patentrezept, sondern nur individuelle Antworten. Jedes Unternehmen muß also eine Betroffenheitsanalyse durchführen, welche die Grundlage für die spezifische Euro-Vorbereitung bietet.

Aus diesen Gründen kann auch der schönste bunte Euro-Leitfaden nur eine Orientierungshilfe bieten und beispielsweise mittels Checklisten helfen, die richtigen Fragen im Unternehmen zu stellen. Die Antworten müssen dann intern erarbeitet werden. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß in diesem Prozeß intensiv Gespräche mit den externen Partnern - Kunden, Lieferanten, Finanzverwaltung, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten etc. - geführt werden müssen. Nur eine Euro-Strategie, die mit den Partnern abgestimmt ist, hat Erfolg.

Ein erster Schritt der individuellen Betroffenheitsanalyse unter strategischem Aspekt ist die Auseinandersetzung mit der Wirkung des Euro auf die deutsche Volkswirtschaft insgesamt und dann auf die eigene Branche. Zu den gesamtwirtschaftlichen Folgen: Welche Vorteile sind mit dem Euro für die Unternehmen in Deutschland verbunden? Mit der EWU nähert sich der Europäische Binnenmarkt einen weiteren großen Schritt an das Vorbild des amerikanischen Binnenmarkts an. Die Währungsgrenzen, die bislang in vielen Branchen Handelshemmnisse darstellen, fallen fort. Im Binnenhandel der EWU-Länder gehören alle Wechselkursrisiken und die damit verbundenen Kosten der Vergangenheit an. Allerdings hängt das Ausmaß dieser Verbesserung davon ab, wieviel und welche Länder an der EWU teilnehmen werden. Besonders die Teilnahme Italiens würde aus Sicht deutscher Exporteure eine deutliche Veränderung bedeuten. Während in der Vergangenheit aufgrund der starken Schwankungen des Lira-Kurses die eigene Wettbewerbsfähigkeit relativ zu den italienischen Unternehmen eine völlig unberechenbare Größe war, so kehrt mit der EWU-Teilnahme des Landes Planungssicherheit ein.

Mit der Euro-Einführung werden außerdem manche bislang noch ausschließlich auf den DM-Bereich orientierte kleine und mittlere Unternehmen grenzüberschreitend denken lernen: Im eigenen Währungsgebiet, dem "Euroland", befinden sich ab 1999 plötzlich neue potentielle Absatzmärkte.

Mehr Verhandlungsmacht gegenüber der Hausbank

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Chancen des mit dem Euro entstehenden großen einheitlichen Kapitalmarkts. Bei Geldanlagen, Kreditinanspruchnahme oder Versicherungsverträgen innerhalb des neuen Währungsgebiets spielen Wechselkurserwägungen keine Rolle mehr. Damit kommt es zur Angleichung der Zinssätze. Die Zinsen für Anleihen und Kredite, die im Hinblick auf die Bonität des Schuldners, die Laufzeit und andere Merkmale identisch sind, müssen in einem einheitlichen Währungsraum gleich sein.

Damit sind große Umwälzungen für den Markt der Finanzdienstleistungen absehbar: Banken, Versicherungen und andere Anbieter von Finanzdienstleistungen werden ihre Produkte zunehmend auch grenzüberschreitend anbieten. Die bislang dafür in der Regel geltenden Voraussetzungen - Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung, die spezielle Produkte in der jeweiligen Landeswährung anbieten - entfallen.

Weil alle Unternehmen, Privatpersonen und Banken innerhalb der EWU in der gleichen Währung denken und agieren und die Entfernungen dank der modernen Kommunikationsmittel kaum noch eine Rolle spielen, wird es zu einer starken Europäisierung in dieser Branche kommen (siehe Kasten "Beispiel: Betriebsmittelkredit").

Die Folge der Europäisierung der Finanzbranche liegt auf der Hand: Der Wettbewerbsdruck unter den europäischen Banken wird zunehmen. Das dürfte insbesondere für den Bereich der Geschäftskunden gelten.

Hier liegt ein nicht unwesentlicher Nutzen der Währungsunion besonders auch für die kleinen und mittleren Unternehmen. Während Großunternehmen Finanzierungsfragen schon lange global behandeln, gilt das noch nicht in gleichem Maße für den Mittelstand. Sobald der Euro Realität wird, ist jedes Kreditinstitut in der EWU unter dem Währungsaspekt auch eine potentielle Geschäftsbank für einen deutschen Mittelständler. Der intensivere Wettbewerb wird Druck auf die Zinsspannen der Kreditinstitute ausüben - zugunsten niedrigerer Soll- und höherer Habenzinsen auch für Unternehmen mit bisher geringer Verhandlungsmacht.

Insgesamt kommen mit dem Euro bessere Zeiten für die Refinanzierung mittelständischer Unternehmen. Oftmals wird die übervorsichtige Kreditpolitik deutscher Banken beklagt, bei der es besonders junge und innovative Unternehmen schwer haben, das notwendige Fremdkapital aufzubringen. Der Wettbewerb im Euro-Raum dürfte diese Probleme abmildern und die Refinanzierungssituation verbessern.

So weit in einigen groben Zügen einige gesamtwirtschaftliche Euro-Folgen von betriebswirtschaftlicher Relevanz. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß für die deutsche Volkswirtschaft insgesamt wichtige Wirkungen der Währungsunion für einzelne Branchen unter Umständen kaum eine Bedeutung haben. Von daher ist es notwendig, zwischen Branchen mit unmittelbarer, starker und solchen mit eher indirekter, schwacher EWU-Betroffenheit zu unterscheiden. Abgesehen von diesen allgemeinen Aussagen können je nach Branche mit der Umstellung auf die europäische Einheitswährung ganz verschiedene Spezialeffekte verbunden sein.

Softwarebranche als Euro-Gewinner

Wie steht es nun mit der EDV-Branche? Hier ist insbesondere der Softwarebereich stark vom Euro tangiert. Der Grund: der Euro und die Euro-Tauglichkeit stellen eine wesentliche Neuanforderung an das eigentliche Produkt. Den Softwareherstellern winkt dank der Einführung des Euro und des dadurch notwendigen Umstellungsbedarfs ihrer Kunden - dazu zählen beispielsweise Kreditinstitute, Versicherungen, öffentliche Hand, Automatenindustrie, Handwerker, Privatpersonen und freie Berufe wie Steuerberater, Ärzte, Anwälte - ein Zusatzgeschäft.

Erforderlich ist die Umstellung bestehender EDV-Anwendungen auf die neuen Anforderungen etwa im Zahlungsverkehr, im Rechnungswesen, in der Kostenkalkulation sowie in der Personalwirtschaft (u.a. Gehaltsabrechnungen).

Eine zumindest teilweise Doppelwährungsfähigkeit der Systeme wird für die Übergangsphase notwendig werden. Außerdem entsteht Bedarf für zusätzliche Programme, die zum Tag X gespeicherte Betragsdaten in die neue Währung umrechnen. Zusätzlich wird sich ein enormer Schulungsbedarf ergeben. Hier liegt also eine echte Chance für Softwareanbieter, aber auch ein erhebliches Risiko: Ein Unternehmen, das heute noch Euro-untaugliche betriebliche Software anbietet, könnte bald in existentielle Schwierigkeiten geraten. Hier ist es eher schon "fünf nach zwölf" als "vor".

Besondere Chancen dürften sich für die Anbieter von umfassender betrieblicher Standardsoftware ergeben. Der Höhenflug der SAP-Aktie ist auch Euro-bedingt. Von der Entscheidungsalternative der Kunden "Anpassung oder Ersatz der bestehenden Software?" wird ein solcher Anbieter in besonderer Weise profitieren können. Für die Softwarehersteller kommt es zur Realisierung aller Euro-Chancen darauf an, ihre Produktpalette rechtzeitig zu aktualisieren und - wenn notwendig - zu bereichern. Gegebenenfalls müssen die verfügbaren Kapazitäten an Sachmitteln und qualifiziertem Personal aufgestockt werden. Engpässe treten bereits heute auf.

Euro und Preispolitik

Unabhängig von der Branche verändert die EWU die Preistransparenz und das Preisgefüge in Europa. Daraus können sich auf der Absatz- und Einkaufsseite erhebliche Marktveränderungen ergeben, die im Rahmen der strategischen Analyse zu untersuchen sind.

Bislang konnten bis zu einem gewissen Grad unterschiedliche Preise für dasselbe Gut in verschiedenen EU-Staaten "unter dem Schleier" verschiedener Währungen verborgen werden. Zwar konnte auch bisher jeder, der über einen Taschenrechner und die aktuellen Devisenkurse verfügt, Preise in der EU vergleichen. Dennoch wird erst mit dem Euro das europäische Preisgefüge vollständig transparent. Ohne Rechenaufwand erkennbar, stechen Preisunterschiede unmittelbar ins Auge.

Mit der Preistransparenz steigt prinzipiell auch der Druck auf die Angleichung von Preisen für identische Güter. Hinzu kommt, daß ein Anbieter in seiner Preispolitik sich nicht mehr auf das Argument des Wechselkursrisikos berufen kann, wenn er in verschiedenen EU-Staaten verschiedene Preise einfordert. Auf der Beschaffungsseite werden Preisangebote aus verschiedenen EWU-Staaten auch deshalb besser vergleichbar, weil diese Angebote nicht mehr unter dem Vorbehalt von Wechselkursveränderungen stehen.

Der Druck auf die Preisangleichung wird von Branche zu Branche, von Markt zu Markt unterschiedlich sein. Er wird überall dort vergleichsweise stark ausfallen, wo die Währungsunion dazu führt, daß bisher national vergleichsweise stark abgeschottete nationale Märkte ein Stück weit "europäischer" werden. Mit der EWU könnte sich vor diesem Hintergrund auch das Re-Importgeschäft stark ausweiten und so für viele Güter ein weiterer Druck in Richtung Preisangleichung entstehen (siehe Kasten "Beispiel: Versandhandel"). Auch wenn die Transparenz des europäischen Preisgefüges mit dem Euro stark zunimmt - eine völlige Einebnung aller Preisunterschiede ist jedoch auch mit der Gemeinschaftswährung nicht zu erwarten. Folgende Gründe können unter anderem für unterschiedliche Preise - auch nach Beginn der EWU - sorgen:

- unterschiedliche Mehrwertsteuersätze,

- Transportkosten,

- objektive oder subjektive Unterschiede in der Produktqualität.

Gerade der letzte Punkt kann mithelfen, eine strategische Antwort auf den Euro im Bereich der unternehmerischen Preispolitik zu finden. Auch in Zukunft wird es möglich sein, auf verschiedenen Märkten in der EU unterschiedliche Preise zu setzen, wenn sich die Güter in ihrer Qualität regional unterscheiden oder das zumindest vom Kunden so empfunden wird. Qualitätsunterschiede können beispielsweise in einem verschiedenartigen Kundendienst in den verschiedenen Absatzmärkten begründet liegen. Gerade hier liegt ein Ansatzpunkt für Unternehmen, die bislang in Europa eine starke Preisdifferenzierung betrieben haben und darauf auch in Zukunft angewiesen sind. Durch eine Strategie der regionalen Qualitätsdifferenzierung können Preisunterschiede auch in Zukunft legitimiert werden.

Der Druck auf Preisangleichung und die damit einhergehende Wettbewerbsverschärfung ist aus der Sicht des Verbrauchers eine positive Entwicklung. Für den Unternehmenssektor ergeben sich aus dieser Tendenz Chancen und Risiken. Ein im europäischen Vergleich günstig anbietendes deutsches Unternehmen kann in anderen Staaten der EWU Marktanteile gewinnen. Umgekehrt könnten deutsche Unternehmen mit einer relativen Hochpreisstrategie mit dem Euro in die Defensive geraten und sich neuen Konkurrenten ausgesetzt sehen. Das sind Veränderungen im Wettbewerbsumfeld, die strategisch von wesentlich größerer Bedeutung sein können als die mit der EWU verbundenen einmaligen Umstellungsprobleme.

Die Preistransparenz wird nicht nur auf den Absatz-, sondern auch auf den Beschaffungsmärkten Veränderungen mit sich bringen: Es wird attraktiver, nach preiswerteren Bezugsquellen im EU-Ausland zu fahnden, weil die dort gebotenen Preise sich nicht mehr durch Wechselkursveränderungen von einem zum anderen Tag grundlegend verändern können.

Wann umstellen?

Doch nun noch zu einem technisch-organisatorischen Bereich der Euro-Umstellung. Aus dem Zeitplan und der oben beschriebenen Doppelwährungsphase folgt, daß jedes Unternehmen im Rahmen der Euro-Analyse auch eine Antwort auf die Frage nach dem richtigen Umstellungszeitpunkt finden muß. Auch hier sind wiederum keine pauschalen Antworten möglich, aber einheitliche Checklisten können abgearbeitet werden (siehe Kasten "Zeitpunkt der Umstellung auf Euro").

Wesentlich dürften hier vor allem auch die Vorgaben wichtiger Kunden sein. Einige Großkunden könnten hier die Lieferanten eventuell zu einer schnellen Euro-Umstellung zwingen. Siemens etwa hat im September in einem Brief an alle Geschäftspartner seine Strategie erläutert und diplomatisch verpackt, jedoch sehr deutliche Hinweise auf zukünftige Geschäftsbeziehungen gegeben. So heißt es dort: "Die Umstellung der Konzernwährung erfolgt zum 1. Oktober 1999. Ab dem Zeitpunkt werden wir es begrüßen, wenn unsere Geschäftspartner ihre Geschäftsbeziehungen mit uns verstärkt in Euro abwickeln" und "ab dem Jahre 2000 werden wir in zunehmendem Maße den Euro als Transaktionswährung im Verkehr mit unseren Geschäftspartnern bevorzugen". Hier wird deutlich, daß das juristische Prinzip "kein Zwang, kein Verbot" nicht unbedingt die Realität der Marktzwänge widerspiegelt, denen kleinere Unternehmen über kurz oder lang nach Beginn der EWU gegenüber stehen werden.

Dr. Friedrich Heinemann ist Euro-Experte am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim. (Foto: Siemens)

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