Exklusive Computerpartner-Umfrage

07.01.1999

KEMPTEN: Wie sieht die generelle Situation im PC-Consumermarkt aus? Wie beurteilen Hersteller und Distributoren dieses Segment? Gerhard J. Pleil* beantwortet diese Fragen in einer Exklusiv-Studie für ComputerPartner.Während das PC-Consumergeschäft bis vor wenigen Jahren primär von spezialisierten PC-Herstellern wie Fujitsu und Packard Bell sowie von Retailketten wie Vobis betrieben wurde, sind heute auch führende Marken wie Compaq, IBM, HP und Siemens in dem lange verpönten Markt tätig. Dabei ist bekannt, daß hier nur wenig Geld verdient wird. Was sind die Gründe für diesen Meinungswechsel? Welche Entwicklungen zeichnen sich ab? Welche Auswirkungen hat das Consumergeschäft auf das Businessgeschäft? Um Antwort auf diese Frage zu erhalten, war es notwendig, die Meinung des Marktes - und hier vor allem der Hersteller selbst - auszuloten. Dazu dienten neben einem Fragebogen auch persönliche Gespräche mit den für das Consumergeschäft zuständigen Hersteller-Vertretern. Um Vergleichbarkeit zu erhalten, wurden dabei vier Kernfragen angesprochen.

Höhenflug oder Trend

Nach Aussagen der Marktforschungsinstitute wächst der PC-Consumermarkt gegenwärtig schneller als der Businessmarkt. Die erste Frage lautete:

Halten Sie diese Entwicklung für einen vorübergehenden Höhenflug oder einen mittelfristigen Trend ?

Der PC-Consumermarkt ist ein mittelfristiger Wachstumsmarkt. Das ist die fast einstimmige Meinung von Herstellern, Distributoren und Experten, wenn auch die Begründung sehr differenziert ausfällt.

Hansjörg Frey, Leiter Consumer Geschäft Deutschland/Österreich bei IBM, begründet die positive Einschätzung dieses Marktes mit der vergleichsweise geringen PC-Dichte in Deutschland (etwa 30 PCs pro 100 Einwohner gegenüber zirka 57 PCs in den USA) sowie der geringen PC-Ausstattung in deutschen Schulen und sieht darin noch einen großen Nachholbedarf. Darüberhinaus würde die zunehmende Verbreitung des Internets für einen entsprechenden PC-Sog sorgen. Der Mitbewerb stimmt dieser Auffassung in seltener Einmütigkeit zu. So etwa Karl Tucholski, Marketing-Manager für den Unternehmensbereich Consumer Products bei Compaq, der fest daran glaubt, daß der PC in den nächsten Jahren sämtliche Lebensbereiche durchdringen wird. Regine Stachelhaus, Vertriebsdirektorin Consumer Produkte bei HP, setzt hier noch einen drauf und sieht zusätzlich bereits einen Trend zum Zweit-PC in der häuslichen Sphäre. Am Beispiel des Apple-Rechners "iMac" werde deutlich, daß mit zielgruppengerechten Produkten neue Käuferschichten erschlossen werden können, meint Stefan Kühn, Sales Manager Distribution und Retail bei Apple Deutschland. Diese Anwender hätten zuvor nicht an den privaten Einsatz eines PCs gedacht, würden jetzt aber zunehmend ihre Hemmungen verlieren. Herbert Schönrock, Vice President Consumer PC bei Siemens in Augsburg, erwartet im PC-Consumermarkt mittelfristig die gleichen Wachstumsraten wie im Businessmarkt. Allerdings hätte sich hier eine Trendwende zugunsten des Consumerbereiches ergeben, wo die Zuwachsraten früher deutlich unter denen des Businessmarktes gelegen hätten. Fast deckungsgleich fällt auch die Einschätzung von Peter Bundgard, CHS-Geschäftsführer, aus, der von einem 50:50-Anteil ausgeht. Kurz und bündig auch die Antwort der beiden Fernost-Vertreter: Sowohl Wilfried Thom, Direktor Produktmarketing bei Acer, als auch Klaus Elias, Geschäftsführer und Vice President Corporate Sales beim Consumer-Marktführer Fujitsu, sprechen übereinstimmend von einem "mittelfristigen Trend".

Etwas differenzierter fällt die Antwort von Hans Stettmeier, Direktor Geschäftsbereich Consumer Customer Unit (CCU) bei Microsoft, aus. Kurzfristig würde der Trend aufgrund des Nachholbedarfes gegenüber den USA sicher noch anhalten. Mittelfristig möchte er jedoch aufgrund möglicher Marktabschwächungen und neuer Distributionsformen keine Prognose abgeben. Die insgesamt positive Markteinschätzung wird von den Vertretern der Distributoren weitgehend geteilt: Sowohl Peter Becker, Vorstand der Peacock AG, als auch Michael Urban, Geschäftsführer der Actebis Deutschland GmbH, sowie Michael Kaak, Vorsitzender des Vorstandes bei Macrotron, sehen im PC-Consumergeschäft einen mittelfristigen Wachstumsmarkt.

Der einzige, der nicht in diesen Chor der generellen Übereinstimmung einstimmt, ist Ernst Holzmann, General Manager Business Development bei der NEC Deutschland GmbH. Er hält die Entwicklung auf dem PC-Consumermarkt für einen vorübergehenden Höhenflug, der sich in absehbarer Zeit wieder nivellieren dürfte.

Fazit: Die überwältigende Mehrheit der Herstellervertreter und Marktinsider gibt dem PC-Consumermarkt das Prädikat "mittelfristiger Wachstumsmarkt" und sieht aufgrund des erheblichen Nachholbedarfs in Deutschland gute Wachstumschancen.

Anteil des Consumer-Geschäfts am Umsatz

Kernfrage Nummer zwei beschäftigt sich mit der Rolle, die der Consumermarkt im Rahmen der Gesamtstrategie der Unternehmen spielt:

Wie hoch schätzen Sie den Anteil des Consumergeschäftes an Ihrem Gesamtumsatz?

Für die Vertreter der Firmen Acer, Apple, Actebis, Compaq, IBM, HP, Microsoft und Siemens stellt der Consumermarkt "eine wichtige Rolle" im Rahmen der PC-Gesamtstrategie dar. Bei diesen Anbietern liegt der Anteil, gemessen am Gesamtumsatz, bei zirka 20 Prozent, wobei Acer mit zirka 30 Prozent deutlich höher liegt. Besonders zufrieden mit der Entwicklung zeigen sich Apple (iMac), Actebis, HP und Siemens, die in diesem Segment deutlich zugelegt haben.

Eine Sonderrolle im Consumermarkt nimmt Fujitsu ein. Dort rangiert das Consumergeschäft als eigenständiges Business Center gleichberechtigt neben dem Profigeschäft und hat daher auch strategisch eine außerordentlich hohe Bedeutung. Das kommt auch im Umsatzanteil von zirka 52 Prozent in Deutschland (Europa zirka 45 Prozent) zum Ausdruck. Bestreben von Fujitsu ist es heute, die Positition im Businessmarkt auszubauen. Während sich die meisten Marktteilnehmer auskunftsfreudig zeigten, herrschte bei Packard Bell Funkstille. Das mag damit zusammenhängen, daß sich der einstige Consumer-Highflyer zu einem defizitären Sorgenkind entwickelt hat und der Marktanteil des Unternehmens in Deutschland seit Jahren rückläufig ist. Zum wiederholten Male mußte jetzt die Mutter NEC mit einer Finanzspritze aushelfen. Trotzdem sollte man darüber nicht vergessen, daß Packard Bell weltweit immer noch zu den führenden Anbietern im Consumermarkt zählt und zirka 70 Prozent der Umsatzerlöse auf diesem Segment erzielt.

NEC steht dem Consumergeschäft konsequenterweise reserviert gegenüber. Der Anteil am Gesamtumsatz wird auf nur zirka zehn Prozent beziffert.

Eine unterschiedliche Bewertung ist bei den Distributoren zu registrieren. Während CHS dem Consumergeschäft wenig Bedeutung beimißt und den Umsatzanteil auf zirka acht bis zehn Prozent taxiert, wird dieser Markt von Actebis, Peacock und Macrotron als "wichtig" eingestuft. Actebis verweist auf zirka 25 Prozent Umsatzanteil, und selbst der Broadliner Macrotron erwirtschaftet im Consumermarkt zirka 18 Prozent seines Gesamtumsatzes.

Fazit: Bei den meisten PC-Herstellern und Distributoren hat der PC-Consumermarkt eine wichtige strategische Bedeutung im Rahmen ihres PC-Gesamtkonzeptes und liegt im Schnitt bei zirka 20 Prozent des Gesamtumsatzes. Noch höhere Umsatzanteile erzielen Hersteller wie Acer, Fujitsu und Packard Bell, bei denen das Consumergeschäft seit jeher eine Schlüsselrolle einnimmt.

Consumer- beeinflusst Bunsinessmarkt

Im Mittelpunkt des PC-Consumergeschäftes stehen aus Sicht des Kunden primär die Faktoren Preis und Ausstattung. Die Ertragsmöglichkeiten sind daher nur sehr bescheiden. Die dritte Kernfrage lautet daher:

Welche Motive haben Sie veranlaßt, diesen Markt trotz aller Ertragsprobleme zu bedienen?

Daß im Consumermarkt nur wenig oder gar kein Geld verdient wird, gilt unter Fachleuten als offenes Geheimnis. Dennoch wird dieser These von Compaq und IBM widersprochen. IBM vertritt dazu die Meinung, daß sich mit der "richtigen, auf diesen speziellen Markt abgestimmten Produkt- und Vertriebstrategie auch in diesem Segment die notwendigen Margen erzielen lassen". Fast deckungsgleich das Compaq-Statement: "Durch intelligente Geschäftsmodelle ist man auch heute noch in der Lage, den Consumermarkt zu bedienen, und das zu vertretbaren Kosten."

Wenn an diesen beiden Aussagen auch Zweifel angemeldet werden können, so herrscht beim zweiten Teil der Ausgangsfrage (Motive für das Engagement im Consumermarkt) doch weitgehende Übereinstimmung. Fast alle Herstellervertreter sehen eine klare Wechselwirkung zwischen dem Consumer- und dem Businessmarkt: Vergrößerung des Einkaufsvolumens, Senkung der durchschnittlichen Herstellkosten, Aufbau von Brand Awareness (Bekanntheitsgrad/ Image), Steigerung des Marktanteils, Gewinnung der Kunden von morgen - das sind die wichtigsten Argumente, die querbeet immer wieder zu hören sind. Macrotron sieht es darüberhinaus als Verpflichtung, den gesamten Markt zu bedienen und dabei auch Marktsegmente mit niedrigeren Erträgen nicht zu negieren. Distributoren, die nur "cherry picking" (die Rosinen aus dem Kuchen holen) betreiben, würden früher oder später Schwierigkeiten mit ihren Herstellern und Lieferanten bekommen.

Fazit: Nicht die (geringen) Ertragsmöglichkeiten, sondern Ausstrahlung und Wechselwirkungen des Consumergeschäftes auf den Businessmarkt sind die wesentlichen Motive der Anbieter für ihr Engagement in diesem Marktsegment. Die damit verbundenen Vorteile (Beispiel: Brand Aware-ness) würden die Nachteile (Beispiel: geringe Margen) kompensieren.

Der abschließende Teil der Studie beschäftigt sich mit der Vertriebsstrategie im PC-Consumergeschäft. Die Fragen lauteten: Welche spezifischen Vertriebskanäle nutzen Sie im Rahmen Ihres Consumergeschäftes?

Sehen Sie hier Konfliktpotential mit Ihren traditionellen Vertriebskanälen (zum Beispiel Händler)?

Auch hier zeigt sich quer durch die Hersteller- und Distributorenlandschaft ein weitgehend einheitliches Bild. Im Mittelpunkt des Consumervertriebs steht bei allen Anbietern der klassische Retailkanal, wobei Fachmärkte wie die Media-Markt, Saturn und Pro Markt vor allen anderen dominieren. Auch Vobis und Comtech werden hier des öfteren als Vertriebskanal genannt. Dagegen fanden Verbrauchermärkte wie Aldi, Lidl, Real und andere kaum Erwähnung, obwohl gerade Aldi mit seinen "PC-Schnäppchen-Aktionen" unübersehbare Spuren im Markt hinterlassen und sogar in die Top-Rennlisten Eingang gefunden hat. Hier halten sich fast alle Hersteller bedeckt, als Hersteller wird gerne auf die Medion AG verwiesen, obwohl Lidl bekanntermaßen auch von Fujitsu beliefert wird. Retailkanäle haben in diesem Segment eine große Marktmacht und wissen sie auch entsprechend zu nutzen. Dies gilt nicht nur für den "bestmöglichen" Preis, sondern auch für Werbekostenbeteiligungen und großzügige Zahlungsziele. Wer hier als Lieferant mithalten will, muß einen langen Atem haben und versuchen, die geringen Margen durch den Abverkauf hoher Stückzahlen zu kompensieren.

Eine Konfrontation mit dem Händlerkanal wird dagegen unisono verneint. Dazu seien die jeweiligen Produkte und Zielgruppen viel zu unterschiedlich. Händler, die sich gegen Retailer positionieren und den Preiskampf riskieren würden, hätten ohnehin keine Chance. Aufgabe des Fachhandels - und damit sind Computerwiederverkäufer, Systemhäuser und Value Added Reseller gemeint - sei das beratungsintensive Lösungsgeschäft mit den damit verbundenen Dienstleistungen. In zahlreichen Gesprächen mit Händlern haben wir diese Auffassung bestätigt bekommen. Die Händler haben sich heute mit dem Retailkanal abgefunden, den sie nicht mehr als ihren Hauptkonkurrenten betrachten. Einige Händler begrüßten diese Aktivitäten sogar, da damit eine generelle Marktausweitung und Bedarf für spätere Dienstleistungen generiert würden.

Dagegen wurde die Abgrenzung der jeweiligen Produktlinien vereinzelt als unzureichend kritisiert.

Fazit: Dominierender Vertriebskanal im Consumergeschäft sind die Retail-Ketten und hier vor allem die Media-und Saturn-Märkte. Konflikte zwischen Retail und Fachhandel werden übereinstimmend aufgrund unterschiedlicher strategischer Ausrichtungen verneint.

Zusammenfassung

Als Summary dieser Studie bleibt festzuhalten, daß sich der Consumermarkt im Rahmen des PC-Gesamtmarktes etabliert und strategisch erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Mittelfristig wird ihm ein erhebliches Wachstumspotential attestiert. Wie es in vier oder fünf Jahren aussehen wird, wagt heute angesichts des hohen Innovationstempos der Informationstechnologie noch niemand vorauszusagen. Hersteller, die heute eine Spitzenposition im PC-Markt anstreben oder diese halten wollen, kommen am ertragsschwachen Consumermarkt nicht vorbei. Denn die Wechselwirkung zwischen Consumer- und Businessmarkt und der damit verbundene Nutzen für das PC-Gesamtgeschäft wiegt diesen Nachteil mehr als auf.

Hans Stettmeier, Director CCU, Microsoft GmbH:

"Der Höhenflug des PC-Consumergeschäfts hält kurzfristig wegen des Nachholbedarfs in deutschen Haushalten noch an."

Ernst Holzmann, General Manager Business Development bei NEC Deutschland GmbH:

"Die Entwicklung des PC-Consumergeschäfts ist ein vorübergehender Höhenflug."

Karl Tucholski, Marketing Manager Consumer Products bei Compaq, glaubt fest daran, daß der PC in den nächsten Jahren sämtliche Lebens-bereiche durchdringt.

Regine Stachelhaus, Vertriebsdirektorin Consumer Produkte bei Hewlett-Packard, sieht den Trend zum "Zweit-PC".

* Gerhard J. Pleil ist Inhaber der Unternehmensberatung PMI

in Kempten und Autor des Buches "Überlebensfaktor Dienstleistung".

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