Exotisches Erfolgsrezept: Bruschas "Prinzip des chinesischen Menüs"

14.06.2001
Transtec, gern als "der kleine Dell von Deutschland" bezeichnet, hatte im vergangenen Jahr große Probleme: Der Markt stagnierte, die Integration der Schweizer Tochter kam nicht voran, man schrieb rote Zahlen. Die Kehrtwende hat man geschafft, eine neue Struktur soll wieder Wachstum schaffen.

Bernhard Bruscha, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Transtec AG, wird von der Branche misstrauisch beäugt. Schließlich ist er seit zwei Jahrzehnten ziemlich erfolgreich, das ist irgendwie verdächtig. Findet Bruscha nicht und zeigt der IT-Branche deshalb verbal die Zähne: "Was uns vom Wettbewerb unterscheidet? Keine Ahnung, wir haben keinen."

Tatsächlich bewegt sich Transtec mit Speziallösungen und maßgeschneiderten Konfigurationen, die erst nach Auftragseingang gefertigt und direkt an die professionellen Anwender vertrieben werden, in einer Marktnische. "Wir agieren nach dem Prinzip des chinesischen Menüs", so der Erklärungsversuch von Bruscha. "Auf der einen Seite haben Sie Huhn, Rind, Gemüse. Auf der anderen die Curry-, Süßsauer- und Kokos-Soße. Wir sind diejenigen, die Ihnen das dann passend zusammenstellen. Wir machen es notfalls auch exotischer, aber spätestens beim Känguru ist Schluss."

Vom Hype am Neuen Markt geblendet

Das eigene Süppchen zu kochen, wurde lange von Erfolg gewürzt. Seit 20 Jahren agiert Transtec erfolgreich im Markt, ist an der Börse, hat inzwischen rund 400 Mitarbeiter. Man ist europaweit unter anderem in der Schweiz, Österreich, Frankreich und UK mit eigenen Tochtergesellschaften vertreten. Die Umsatz- und Ertragskurve ging stetig nach oben - bis zum Jahr 2000. Bruscha trägt es mit Fassung und Humor: "Die Ergebniszahlen waren betragsmäßig okay. Nur das Vorzeichen war falsch." Der Hype am Neuen Markt hat Transtec mitgerissen, sagt Bruscha offen: "Es gab eine Markterwartung des Wachstums." Wie viele andere Firmen des Neuen Marktes begab sich auch Transtec deshalb auf Einkaufstour und machte prompt die gleichen Fehler wie der Rest: "Wir haben zu wenig darauf geachtet, ob die neue Tochter strategisch zu uns passt, sondern mehr auf den Umsatz geschielt", gibt der Vorstandsvorsitzende zu. "Zum Glück haben wir nicht unser ganzes Geld dafür ausgegeben, sondern verfügen noch über ein gesundes Polster." Laut Geschäftsbericht betrugen die liquiden Mittel des Unternehmens zum Bilanzstichtag 3,8 Millionen Euro.

Ein Großteil des Ergebnisrückgangs ist somit der Fusion der Schweizer Tochtergesellschaften Transtec Computer AG und Datacomp AG zuzuschreiben. Als man sich des Problemkindes im Nachbarland annehmen wollte - "die Lagerbestände waren ein bisschen hoch" -, kam die Stagnation im IT-Markt dazu. Dabei, beschwert sich Bruscha, seien Akquisitionen ohnehin sehr schwierig: "Es dauert im Normalfall ein bis drei Jahre, bis man das neue Unternehmen integriert und das Finanzielle verdaut hat." Durch die besonderen Umstände habe man sich dann auch noch von dem Gedanken, die profitable Distribution der Tochter zu verkaufen, verabschieden können. "Die hatten alle genug eigene Probleme und haben dankend abgewunken".

Transtec seit dem ersten Quartal wieder im Plus

Doch all das ist laut Bruscha längst verdaut, man habe schon im Krisenjahr die "richtigen Maßnahmen" ergriffen: Von den 100 Mitarbeitern in der Schweiz sind noch 40 übrig, das gesamte Produkt-Portfolio wurde bereinigt, die Logistik zentralisiert. So werden inzwischen alle europäischen Niederlassungen von Tübingen aus beliefert. Das erste Quartal 2001 sei auch wieder ausgeglichen, sagt der Transtec-Chef und ist sich sicher: "Nächstes Jahr werden wir wieder wachsen."

In den guten Jahren habe das Wachstum zwischen 15 und 30 Prozent betragen und da will Transtec wieder hin. In diesem Jahr soll der Umsatz schon mal um 15 Prozent auf 190 Millionen Euro steigen. Das Wachstum soll von Innen kommen, in naher Zukunft seien keine Zukäufe mehr geplant, versichert Bruscha, langfristig ausschließen möchte er sie aber nicht. "Wir wollen aber erst mal unsere neue Organisation auf die Straße bringen", sagt er.

So wurde zum 1. April das breite Spektrum selbst gefertigter Produkte in die drei zentralen Divisionen "Microsoft-Systeme", "Unix/Linux-Systeme" und Storage-Lösungen untergliedert. Eine vierter Bereich ist für Netzwerk- und Peripheriegeräte zuständig.

Künftig fokussiert sich die Microsoft-Abteilung auf indivduell konfigurierte PCs, Workstations und Server im professionellen Umfeld von Windows NT und Windows 2000. Die Unix/Linux-Division ist auf PCs, Sparc-Workstations, Server und Cluster-Lösungen spezia-lisiert, während die Storage-Leute beispielsweise Ansprechpartner für Raid-Systeme, NAS/SAN-Lösungen, Storage-Server und Autoloader sind. Die Netzwerkdivision bietet unter anderem Netzwerkprodukte, Speichermodule für PCs und Unix-Systeme.

Durch die Aufteilung sollen die Kunden Zugriff auf spezielles Know-how, maßgeschneiderte Services und spezifische Beratungs-leistungen bekommen, man werde flexibler und damit schneller reagieren können und vor allem das umfassende Angebot der Transtec für den Kunden übersichtlicher machen, glaubt der Manager. In erster Linie will Transtec wohl aber endlich auch als Vollblut-Hersteller ernstgenommen werden.

Tec2B setzt auf E-Procurement-System

Damit die Rechnung aufgeht, wurde im vergangenen Jahr kräftig in die Tochter "Tec2B" investiert, die sich im Segment Online-Direktvertrieb von Standard-IT-Produkten für B2B-Kunden positioniert und als eigenständiges Unternehmen am Markt agiert. Offiziell gibt es die Tochter seit August 2000, richtig losgelegt hat man aber erst vor einem Monat, sagt Vorstand Gabriele Instenberg. "Bis dahin waren wir noch mit der Entwicklung beschäftigt." Das Ergebnis ist laut der Managerin eine "intelligente elektronische Beschaffungslösung" soll für mehr Wirtschaftlichkeit beim Einkauf von IT-Standardprodukten sorgen. Etwa 30.000 IT-Standardprodukte offeriert man den professionellen Kunden in dem Online-Shop-System derzeit. Preise und Verfügbarkeit werden bei jeder Bestellung neu abgefragt und kommen "real time" aus den Warenwirtschaftssystemen der Lieferanten. Natürlich habe man auch Transtec-Ware im Angebot, selbstverständlich könne man damit leben, dass ein anderer Anbieter billiger ist und den Zuschlag des Kunden bekommt, sagt Instenberg: "Unser Modell funktioniert nur mit absoluter Neutralität." Obwohl bei verschiedenen Herstellern und Distributoren eingekauft wird, bleibt Tec2B alleiniger Ansprech- und Vertragspartner für den Kunden und übernimmt damit auch die Gewährleistung für das gesamte Sortiment. Für Instenberg ist dies das entscheidende Erfolgskriterium: "Beim Großteil der bekannten Modelle gibt es verschiedene Gewährleistungspartner. Deswegen funktionieren die meisten Marktplätze nicht." Tec2B habe hingegen im April bereits eine Million Hits verzeichnet und sich schon 1.500 registrierte Kunden erarbeitet.

Rundum-Angebot für professionelle Anwender

Man habe aber noch mehr zu bieten, nämlich das "E-Procurement": Mit der Anbindung des Angebots an die ERP-Umgebung des Kunden können die Prozesskosten um bis zu 70 Prozent reduziert werden, sagt die Managerin. Gespart wird am Kostenfaktor Nummer eins: der Arbeitszeit. Während in normalen Unternehmen jede Bestellung geprüft, genehmigt, durchgeführt und verbucht werden müsse, das Produkt anschließend vielleicht noch zwischengelagert und von einem Mitarbeiter durch die Gänge gefahren wird, sind die Prozesse bei Tec2B standardisiert: Das Unternehmen kann in seinem "Shop" beispielsweise vorgeben, welche Produkte beziehungsweise bis zu welchem Budget die jeweiligen Mitarbeiter bestellen dürfen, Dienstleistung kann gleich mitgebucht werden. Den Service übernimmt dann die ITP GmbH, ebenfalls eine 100-prozentige Transtec-Tochter. Hier könne man noch keine Referenzen vorweisen, das erste Feedback sei aber durchweg positiv. Bei den ersten Gehversuchen habe es die üblichen Kinderkrankheiten schon gegeben, räumt die Tec2B-Chefin ein: "Ich denke manchmal, da müsste noch was kommen, aber es läuft wunderbar." 30 Entwickler haben sechs Monate an dem System gearbeitet, wie viel man investiert hat, will sie nicht sagen: "Wir haben jedenfalls weit weniger dafür ausgegeben als andere, weil das IT-Potenzial bereits bei uns im Hause vorhanden war."

Im kommenden Jahr soll die Marke ausgebaut werden, die Gewinnzone hat man für Ende 2002 anvisiert. Dass die Kunden beim Schlagwort "E-Business" zurückweichen werden, nur weil es an der Börse kriselt, glaubt Instenberg nicht: "Gerade die ,alten’ Großunternehmen stehen dem Thema inzwischen positiv gegenüber. Man muss die Wirklichkeit betrachten. Tatsache ist, dass immer mehr Geschäfte im Internet getätigt werden, die Innovation kommt." Die Marktbereinigung sei ohnehin gesund, das sei so ähnlich, wie mit der Eisenbahn. "Im 19. Jahrhundert gab es etwa 960 Gesellschaften, jetzt gibt es drei oder vier. Die Bereinigung war nicht das Ende der Eisenbahn, sondern ihr Durchbruch." Tec2B werde zu den Gewinnern zählen, glaubt die Managerin, die früher bei der Landesbank Baden-Württemberg den Bereich Directbanking geleitet hat. "Transtec zählt quasi zur Old Economy, ist seit 20 Jahren im Markt. Mit dem Hintergrund werden wir bei Tec2B auch keine Anfängerfehler machen." Zudem habe man sich den Verbraucherschutznormen verschrieben, so Instenberg: "Der Kunde geht bei uns kein Risiko ein. Wir sind ja auch kein x-beliebiges Startup-Unternehmen."

www.tec2b.com

www.transtec.de

ComputerPartner-Meinung:

Um Transtec braucht man sich keine Sorgen machen: So richtig gut ging es im vergangenem Jahr keinem börsennotierten Unternehmen. Auch wenn sich Bruscha recht locker gibt, hat er die Gefahr rechtzeitig erkannt und die fällige Umstrukturierung rasch durchgezogen. Vermutlich wird Tec2B auch einige Erfolge verbuchen können. Die Idee ist zwar nicht neu, aber Bechtle beweist seit Jahren, dass man mit einem solchen Online-Shop-System auch Geld verdienen kann. (mf)

TRANSTEC

Facts & Figures

Im vergangenen Geschäftsjahr musste die börsennotierte Transtec AG einen Knick in ihrer Erfolgsgeschichte hinnehmen. Nach Angaben der Tübinger stieg der Umsatz im letzten Jahr zwar um 5,8 Prozent von 175 Millionen auf 185,2 Millionen Euro. Doch unter dem Strich blieb im Gegensatz zu den Vorjahren nichts übrig. Nach IAS belief sich das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit auf minus 6,1 Millionen Euro, im Vorjahr war es ein Plus von 6,8 Millionen. Hatte man 1999 noch einen Jahresüberschuss von 4,1 Millionen Euro vorzuweisen, wurde im vergangenen Geschäftsjahr ein Jahresfehlbetrag von vier Millionen verbucht. Für dieses Jahr plant das Unternehmen einen Umsatz von 190 Millionen Euro beziehungsweise ein Plus von 15 Prozent. (mf)

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