Experten widersprechen Gartners Vorwurf der "Outsourcing-Falle"

04.07.2002
Gartner warnt potenzielle Outsourcing-Kunden: Hände weg von langfristigen Verträ-gen, die bringen letztendlich mehr Ärger, als die kurzfristige Kostenersparnis wert ist. ComputerPartner konfrontierte Outsourcing-Anbieter mit dieser harschen Aussage.

Laut der neuesten Analyse von Gartner wird der Markt für IT-Services dieses Jahr maximal um 2,3 Prozent wachsen - das geringste Wachstum seit zehn Jahren. Der Wettstreit um die Kunden wird sich nach Ansicht der Marktforscher intensivieren, und genau hier liegt die Gefahr für den Kunden: Die Jagd nach kurzfristigen Einsparungen wird 2002 und 2003 laut Gartner zu Rekordjahren unvorteilhafter Verträge machen.

Sollten die europäischen Unternehmen auf der Basis heutiger kurzfristiger Kostenreduktion weiterhin langfristige Outsourcing-Verträge abschließen, würden sie laut Gartner aber automatisch in eine Falle tappen. Langzeitverträgen fehle üblicherweise die notwendige Flexibilität, um der dynamischen Natur der aktuellen Geschäftsentwicklung Rechnung zu tragen. Die Analysten warnen davor, dass genau diese Unflexibilität letztendlich zu höheren Kosten führen wird.

Eine weitere Gefahr lauere hinter günstigen Angeboten. Wenn die Preise unrealistisch niedrig wirken, dann sind sie es vielleicht auch. "Wenn der Servicevertrag zum Discount-Preis angeboten wird, werden die Kunden wahrscheinlich nicht das A-Team bekommen, sondern wohl nur die Hinterbänkler ohne die notwendige Projekterfahrung", ist sich Roger Cox, Vice President Sourcing Management bei Gartner, sicher.

"Moooooment" würde Loriot an diesem Punkt rufen. Ähnlich reagieren auch deutsche Outsourcing-Anbieter auf die Gartner-Warnung. "Ein Kunde bekommt immer die Leistung, die er selbst vertraglich festgelegt hat, egal welchen Preis er gezahlt hat", erklärt Frank Dzierzol, Geschäftsführer der Frankfurter Outsourcing-Beratung Clearview Consulting GmbH, bestimmt. Seiner Ansicht nach muss sich der Kunde nur an drei Regeln halten. "Erstens, er muss wissen, was er will. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Denn wer seine Bedürfnisse nicht kennt, geht unter. Zweitens muss er wasserdichte Verträge abschließen, in denen jede Forderung und Bedingung genau definiert wird." Wenn Verträge zu schwammig formuliert seien, könnten nachträglich auftretende Meinungsunterschiede "die Beziehung beider Partner ansäuern". Und erst wenn diese beiden Punkte geklärt sind, "kann man drittens das eigentliche Projekt angehen, ohne Angst und ohne den Outsourcing-Blues zu singen."

Das Klientel von Clearview ist gehobener Mittelstand ab etwa 1.000 Mitarbeiter. Das Beratungsunternehmen geht in der Regel von drei bis sechs Monaten Vorbereitungs- und Consultingzeit aus, Beratungen bei schwierigeren und umfassenderen Projekte können aber auch schon mal bis zu einem Jahr dauern.

Johannes Meier, Sprecher des Compunet-Vorstands, kann die elementare Wichtigkeit einer exakten Bedarfsdefinition nur bestätigen. "Das ist aber manchmal ein heißer Ritt, denn eigentlich sind genau die Firmen die geeignetsten Outsourcing-Kunden, die bereits über ein gutes IT-Management verfügen." Kunden, die hingegen dringend externe Hilfe benötigen, würden seltener ihr Problem erkennen und hätten auch keine oder nur wenige IT-Fachleute in den eigenen Reihen, die als Schnittstelle zum Outsourcing-Partner geeignet seien. "Bei der Bedarfsdefinition muss man neben festgelegten Zielen aber auch mit Annahmen arbeiten, muss Änderungen definieren und deren Kosten einplanen. Diese Flexibilität sollte auf partnerschaftlicher Ebene eingebaut werden."

Der übliche Grund für ein Outsourcing-Projekt, egal ob es nur einen kleinen Teilbereich oder die gesamte IT betrifft, ist seiner Ansicht nach in der Regel die Produktivitätssteigerung eines Unternehmens. Dabei sei es sehr leicht, vor dem Projektstart den Ist-Zustand zu messen. Für die laufende Qualitätskontrolle benötige man hingegen fein abgestimmte Tools, mit denen Probleme erkannt und vermieden werden können. Damit erhalte man auch jederzeit die nötige Flexibilität, egal, über welchen Zeitraum der Vertrag läuft. Ähnlich agiert auch IBM Global Services, das aktuell einen Zehn-jahresvertrag mit der Fluggesellschaft Finnair abgeschlossen hat.

Für Manfred Quatvasel, Geschäftsführer des Bechtle-Systemhauses in Heilbronn, gilt hingegen eine Laufzeit von einem Jahr als ideal. "Dann wird neu verhandelt." So werde auch in langjährigen Partnerschaften für die nötige Flexibilität gesorgt. Konzeption und Ausarbeitung ist für ihn ein eigenständiges Projekt, das der Kunde unabhängig vom tatsächlichen Outsourcing-Geschäft von Bechtle erhalten kann, gegen entsprechendes Entgelt natürlich. Ob er sich dann im Anschluss für Bechtle oder einen anderen Anbieter entscheidet, ist seine Sache. Wichtig für Quatvasel ist die "gelebte Partnerschaft". Auch Meier bestätigt, dass bei einem guten Outsourcing-Vertrag beide Partner ein sehr intimes, vertrauliches Verhältnis aufbauen. Deshalb glaubt keiner an die Gefahr, dass allein der Preis entscheidet. Meier erklärt vielmehr, dass sich mögliche Discountanbieter, die Marktanteile um jeden (Niedrig-)Preis kaufen, selber schaden, denn "wer erst einmal einen bestimmten Preispunkt beim Kunden festlegt, kommt da kaum noch von weg."

www.gartner.com

www.clearview.de

www.compunet.de

www.bechtle.de; www.ibm.de

ComputerPartner-Meinung:

Bei der Entscheidung für ein Outsourcing-Projekt spielen beim Kunden unterschiedliche Komponenten mit: Auf der einen Seite stehen Kostensenkung, Produktionssteigerung, erhöhte Profitabilität, auf der anderen Seite aber auch die langjährige Verbundenheit mit Mitarbeitern, die nun eventuell zum Outsourcer wechseln müssen, Unsicherheiten, ob die IT zum Kerngeschäft gehört, und Unzulänglichkeiten der Kunden, ihre Situation selbst zu erkennen. Hier steckt ein großes Potenzial für Outsourcing-Profis mit Fachwissen und - ganz wichtig - Menschenkenntnis. (go)

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