Exzellente Chancen für IT-Freiberufler

20.03.1998

MÜNCHEN: Noch vor wenigen Jahren galten sie als Exoten und Eigenbrötler: Die Einzelunternehmer in der IT-Welt, die sich allein über ihr Know-how eine Existenz als Berater und Dienstleister aufbauen. Plötzlich scheint der Markt die Liebe zu dieser Unternehmergruppe entdeckt zu haben. Ein Run auf freiberufliche IT-Experten hat eingesetzt, die Marktbedingungen sind gut wie nie zuvor. Stefan Rohr* hat sich diese Entwicklung genauer angesehen.Seit es in der IT-Welt den Freiberufler gibt, wirft diese spezialisierte Berufs- und Unternehmergruppe viele Fragen zu den Bedingungen auf, die diesen immer noch so "eigenen" Markt beeinflussen und bestimmen. Trotz der momentanen Blütezeit sieht sich der freiberufliche IT-Experte mit einem immer härteren Wettbewerb und wiederkehrenden rezessiven Wirtschaftssituationen (in denen zu allererst bei den externen Leistungen gespart wird) konfrontiert.

Das Wachstum dieses einst als klein und "speziell" zu bezeichnenden Berufsstands hat in den vergangenen Jahren überproportional zugenommen. Auch wenn statistische Erhebungen hierzu noch keine exakten und verläßlichen Zahlen vorweisen können, läßt sich eines schon allein durch die Beobachtung des IT-Arbeitsmarkts feststellen: Die freiberufliche Tätigkeit - als flexibles Äquivalent zu einer Festanstellung - erfährt enormen Zuwachs, was auch bei immer mehr festangestellten IT-Experten zu einem Interesse an einer Veränderung in die Freiberuflichkeit führt.

Die Zahl der IT-Freiberufler wächst

Allein in Großbritannien verdreifachte sich die Zunft der IT-Freelancer innerhalb von wenigen Jahren. Die Basis für dieses anschauliche und zum Teil auch verwunderliche Wachstum wird sicher durch eine zunehmende Anspannung innerhalb des Arbeitsmarkts selbst geprägt. Viele der heutigen Freiberufler (nicht nur in der IuK-Industrie) fanden ihren Einstieg in die Selbständigkeit nur durch die schwierige Situation geschrumpfter Anstellungsmöglichkeiten und sahen lediglich in der Verselbständigung ihres Know-hows und dem unternehmerischen Angebot ihrer Leistungen als "Einzelfirma" einen Ausweg. Wie jeder weiß, ist das nicht nur in Großbritannien der Fall, sondern gerade in Deutschland eines der großen Probleme unserer Wirtschaft. So zeichnet sich auch hierzulande ein Freiberufler-Boom ab, insbesondere innerhalb der IT-Welt, in der es besonders leicht möglich ist, sich selbständig zu machen. Eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten, ein immer größer werdender Bedarf in Unternehmen sowie Dienstleistungsfirmen und der Wettbewerbsdruck durch die Öffnung der Grenzen sorgen dafür, daß der IT-Freiberufler auf ein weites Betätigungsfeld stößt, in dem er heute bereits wesentlich sicherer sozial und wirtschaftlich abgesicherter ist, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. So "locken" bereits Firmen mit äußerst attraktiven Vertragsangeboten Freiberufler bestimmter Fachgebiete und sichern sich selbst sogenannte "Beschäftigungs-garantien" zu (siehe Debis). Daß dabei der Charakter der Freiberuflichkeit nahezu auf den Kopf gestellt wird, scheint eher Nebensache, und den Freiberuflern ist das nur mehr als recht.

Die freiberufliche Tätigkeit als marktangepaßte "Dienstleistung"

Der Trend für Freiberufler hält an. Erstaunlich ist es zum Beispiel, daß sich immer mehr junge IT-Spezialisten in die Freiberuflichkeit einreihen, teilweise sogar Universitätsabsolventen, die "beste" Chancen auf einen lukrativen und attraktiven (festen) Arbeitsplatz hätten und dennoch dem freiberuflichen Weg den Vorzug geben. Einerseits ist es sicherlich der Reiz, innerhalb der Selbständigkeit auch die erhoffte "Freiheit", Unabhängigkeit und optimale Aussichten auf eine entsprechend hohe "Entlohnung" zu erzielen. Andererseits muß man sich klar damit auseinandersetzen, daß der Markt selbst die Freiberuflichkeit fördert oder sogar fordert. Durch die immer breiter werdende Palette von Spezial-Funktionen, Aufgabengebieten, Techniken und den damit zusammenhängenden unausweichlichen Spezialisierungen ist es den unter Kostendruck stehenden Unternehmen kaum noch möglich, für alle Eventualitäten und Anforderungen jeweils den/die richtigen Experten einzustellen und Arbeitsplätze vorzuhalten. Wie bei anderen, ähnlich gelagerten Problemen ist das die Chance für Dienstleister. Ein IT-Freiberufler ist somit eine der geeignetsten Formen, Bedarf und Bedingungen, Notwendigkeiten und Ausschlüssen zu begegnen. Er wird eingesetzt, wenn er gebraucht wird, wird abgebaut, wenn die Aufgabe erfüllt ist. Möglichkeiten und Effizienz, die im Rahmen der Gesetzgebung bei festangestellten Mitarbeitern einfach nicht möglich sind.

Bei der Freiberuflichkeit handelt es sich also um eine hochmoderne und marktangepaßte Dienstleistung, die beiden Seiten enorme Vorteile bringt. Allein schon aus diesem Grunde wird es der Wirtschaft künftig kaum noch möglich sein, auf die Vorteile beim Einsatz freiberuflicher Spezialisten zu verzichten. Und die Gruppe der Freiberufler selbst wird die Vorteile und Vorzüge dieser Tätigkeitsform ausbauen und sich hierin manifestieren.

Dienstleistungsunternehmen und IT-Berater brauchen Freiberufler

Innerhalb der IT-Arbeitswelt zählen seit wenigen Jahren die IT-Dienstleistungsunternehmen zu den wichtigsten Arbeitsplatzanbietern. Sie überflügeln bereits das Angebot der "allgemeinen" Wirtschaftsunternehmen in der Anzahl zu besetzender (fester) Stellen um einen beträchtlichen Teil. Gerade aber die IT-Dienstleistungs-firmen unterliegen aus betriebswirtschaftlichen Verpflichtungen heraus dem Zwang, eine nicht unerhebliche Anzahl des Projektpersonals auch durch flexible Potentiale, die Freiberufler, zu besetzen, um das Risiko zu minimieren. Bei Projektende stehen diese Potentiale dann nicht mehr auf der "Pay-Roll".

Deshalb ist die Branche der IT-Berater und IT-Dienstleister sicher das bei weitem lukrativste Marktsegment für die Beschäftigung und Auslastung der freiberuflichen Kapazitäten. Grob geschätzt kann man davon ausgehen, daß die Unternehmen dieser Branche in der Regel einen Anteil von 20 bis 40 Prozent freiberuflicher Kräfte vorhalten. Ein also nicht unerheblicher Markt, der durch die steigende Anzahl der IT-Dienstleistungsfirmen nur noch größer werden kann.

Der IT-Freiberufler hat somit exzellente Marktaussichten, zumindest was die Beschäftigungspotentiale anbelangt. Allerdings drängen durch diesen Faktor und die rundherum vorherrschende Arbeitsmarktsituation auch entsprechend mehr Spezialisten in die Freiberuflichkeit. Damit entsteht - im Einklang mit dem Angebot - ein erhöhter Wettbewerb für die IT-Einzelunternehmer. Die zudem anstehenden Wettbewerbs-geschehnisse durch die Öffnung der europäischen Grenzen und die Aufnahme weiterer Länder (insbesondere aus dem Osten Europas) in den Wirtschaftsverbund werden diese Situation noch verschärfen. Wenngleich auch die Tätigkeit als Einzelunternehmer viele Verpflichtungen im Bereich Marketing/Vertrieb, Betriebs-wirtschaft/Steuern oder Weiterbildung mit sich bringt, erscheint die Frage nach dem "marktgerechten" Honorar immer noch am vordringlichsten. Diese Fokussierung ist zwar unternehmerisch nicht unbedingt korrekt, allerdings verständlich. Das Honorar ist nun einmal der 1:1-Ersatz für das bisherige Gehalt und bildet die wirtschaftliche Grundlage des IT-Freiberuflers. Allerdings läßt sich die Höhe des Honorares nicht durch Würfeln oder eine Glaskugelbefragung festlegen. Daumenpeilungen sind dabei ebenso gefährlich wie unsinnig und marktfremd. In einem sich festigenden Markt haben bestimmte Leistungen oder Kenntnisse auch bestimmte Werte. Wenn eine Mehrheit in einem speziellen Sektor 120 Mark pro Stunde verlangt, ist der Anbieter (bei gleicher Leistung und Eignung), der 130 Mark fordert, schnell aus dem Wettbewerb.

Die lange vorherrschende Undurchsichtigkeit in Sachen Stunden- oder Tagessätze wird zunehmend abgebaut. Nicht nur durch Honorarstudien (r&p Hamburg, IT-Freiberufler 1998), sondern auch durch die immer offener betriebene Abstimmung von Endpreisen, die Auftraggeber der IT-Dienstleistungshäuser ihren Anbietern innerhalb der Einkaufsverhandlungen abverlangen. Und dabei zählt mehr und mehr jede einzelne Mark, die in der Honorarkette eingespart werden kann oder muß.

Marktkenntnisse zur Sicherung der eigenen Existenz

Deshalb müssen sich besonders freiberuflich Tätige mit dem Marktgefüge auseinandersetzen, um die eigene Existenz langfristig zu sichern. Es gilt zu prüfen, ob die eigene Leistung in Verbindung mit Kosten, Konditionen den vorherrschenden Bedingungen entspricht. Einsteiger, die das freiberufliche Beraterdasein gern glorifizieren oder überschätzen und deshalb Schritte ohne ausreichende Kenntnisse von den vorherrschenden Bedingungen vollziehen, benötigen objektive Orientierungshilfen, die helfen, Fehler zu vermeiden und das eigene Konzept mit marktfähigen Konditionen zu gestalten. Wer beispielsweise Existenzgründerkredite von seiner Hausbank oder aus öffentlichen Mitteln beziehen möchte, wird professionelle Kalkulationen, Ertragsprognosen sowie ein glaubhaftes marktorientiertes Marketing- und Vertriebskonzept vorzuweisen haben. Diese Grundlagen sind allerdings nur dann nützlich, zukunftssicher und dadurch effizient, wenn man sich auch an repräsentativen, marktüblichen Bezugsgrößen orientiert.

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p

management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/Speyer/

Hannover/Bremen.

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