Fast wie Fachhandel

Facebook macht kindisch

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Kunden sind nur zu kurzen Momenten der Aufmerksamkeit fähig und fordern wie Kleinkinder ständig Rückmeldung ein. Facebook-Nutzer auch, das hat die Hirnforscherin Susan Greenfield herausgefunden.

Facebook und Twitter haben eine Generation von Selbst-Besessenen geschaffen, die nur zu kurzen Momenten der Aufmerksamkeit fähig sind und wie Kleinkinder ständig Rückmeldung einfordern. Davor warnt die Hirnforscherin Susan Greenfield von der Oxford University. "Unser Gehirn passt sich evolutionär an Veränderungen der Umgebung an - auch an Social Networks. Was derzeit die exzessiver Internet-Nutzung bringt, gibt Anlass zur Sorge", so die britische Expertin.

Einige der Blüten, die Social Networks hervorgebracht haben, sind in den Augen der Forscherin gefährlich statt nur seltsam. Darunter etwa die vielen Twitter-Banalitäten. "Niemand interessiert es, was man gerade gefrühstückt hat. Derartige Tweets erinnern stark an ein kleines Kind, das von der Mutter die Rückversicherung verlangt: Schau Mama, was ich gerade mache!" Grundlage dieser Infantilisierung seien existenzielle Probleme der Nutzer, ist Greenfield überzeugt.

Ebenso geben manche Facebook-Nutzer den Anschein, sie wollten Mini-Celebritys werden, deren Alltag ständig von anderen beobachtet und bewundert wird. Sorgen bereitet Greenfield hier, dass sich viele Jugendliche zunehmend nur darüber definieren, was andere über sie wissen und denken. "Die Fähigkeit zur Selbstreflexion geht dabei teilweise völlig verloren. Besondere Momente lösen statt Emotionen den Gedanken aus, dass sie Facebook-würdig sind, und teils tun Menschen nur mehr Dinge, die gute Postings werden."

Bedenklich sei die Situation deshalb, da das auf Klicks und Kontakte ausgerichtete Leben ebenso wie exzessives Computerspielen das Gehirn neu "verkabeln". "Speziell Jugendliche haben immer häufiger ein Problem damit, beim Gespräch den Blickkontakt zu halten oder die Stimme und Körpersprache des Gegenübers richtig zu deuten. Autisten fühlen sich in der Bildschirmwelt viel glücklicher, da hier Empathie kaum gefordert wird. Doch auch insgesamt sinkt das Mitgefühl für andere."

Greenfield verweist dabei auf zwei aktuelle Studien. So haben etwa chinesische Forscher um Kai Yuank bei 18 Jugendlichen gezeigt, dass infolge einer Internet-Sucht das Volumen der grauen Zellen in fünf Gehirnregionen abnimmt. Wie sie in der Zeitschrift "PLOS One" berichten, hängt das Ausmaß der Veränderungen mit der Dauer der Sucht zusammen. Eine weitere Untersuchung beweist den radikalen Rückgang von Empathie unter Studenten seit der Jahrtausendwende.

Das Social Web per se ist nicht das Problem, sondern dessen Nutzung, betont Greenfield. "Twitter leistet wundervolle Dienste wie etwa rasche Mobilisierung, und vielleicht können Social Networks auch den IQ steigern und beim Lernen helfen. Doch Information ist nicht Wissen und schneller Zugang nicht Verstehen. Fakten allein bringen nichts, sondern müssen richtig zugeordnet und verbunden werden." Mäßigung sei somit das Gebot der Stunde. "Facebook und Co sind im 21. Jahrhundert eindeutig Teil des Kommunikations-Portfolios. Leben und Beziehungen in der realen Erfahrungswelt sind aber weiterhin unverzichtbar."

Studie zu Internetsucht und Gehirnveränderung: http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0020708 (pte/haf)

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