Souveräner Umgang mit Daten

Fakt oder Fake? – Orientierung im Datenwust

Kommentar  28.02.2018
Wolfgang Kobek ist VP EMEA beim Business Intelligence-Anbieter Qlik. Als früherer Geschäftsführer der DACH-Region hat er viele Unternehmen dabei unterstützt, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Datenanalyse und -visualisierung umzusetzen. Er sagt: BI ist keine Nische, sondern bietet Vorteile gleichermaßen für den Mittelstand und Großkonzerne, für die Fertigungsindustrie ebenso wie den Dienstleistungssektor und natürlich sämtliche Fachabteilungen im Unternehmen.
Branchenkenntnis, Marktentwicklung oder digitale Geschäftsmodelle setzen datenkundige Mitarbeiter voraus. Der aktuellen Data-Equality-Studie zufolge ist diesbezüglich aber noch viel zu tun. Und am besten fängt jeder bei sich selber an.

Zweifellos war die umfassende Bildung von immer mehr Menschen einer der wirksamsten Treiber der Industrialisierung. Nun, da nach Dampfmaschine, Fließband und elektronischer Steuerung die datenbasierte, vernetzte und intelligente Industrie 4.0 Fahrt aufnimmt, spielt Bildung erneut eine fundamentale Rolle – genauer gesagt: die Bildung durch, mit und über Daten.

Datenkompetenz – die neue Bildung

Wieso? Weil der souveräne Umgang mit Daten – echte Datenkompetenz – immer notwendiger wird, um den ständig wachsenden digitalen Möglichkeiten Richtung zu geben. Und um optimalen Daten-Nutzen zu erkennen, durch Innovation zu ermöglichen und zu fördern. Ein Beispiel sind „Smart Cities“: Wenn Autos den Häusern, Heizungen und Wasserkochern ihrer Besitzer in Echtzeit ihre Position mitteilen und zuhause schon optimales Raumklima und heißes Teewasser auf die Dame oder den Herrn des Hauses warten, dann ist das nicht nur komfortabel, sondern auch Konsequenz eines tiefen Verständnisses dafür, was Daten möglich machen.

Datenkompetenz bedeutet auch, in der Fülle verfügbarer Informationen das Relevante zu finden.
Datenkompetenz bedeutet auch, in der Fülle verfügbarer Informationen das Relevante zu finden.
Foto: lassedesignen - shutterstock.com

Datenkompetenz beschränkt sich jedoch nicht auf Programmierer und Entwickler von IoT-Anwendungen. Daten umgeben längst das Leben aller – in Job, Alltag oder Hobby. Ob Selbstvermessung mit Fitness-Trackern, ob Newsfeeds und Social-Media-Kanäle, die das Bild der Wirklichkeit prägen oder die Digitalisierung von immer mehr Arbeitsschritten in der Wertschöpfungskette von Unternehmen: Daten erschließen neue Einblicke, öffnen Perspektiven, ändern Abläufe, begründen neue Geschäftsmodelle und lassen wie nie zuvor Prognosen in die Zukunft zu. Aber sie verlangen uns auch einiges ab.

Auf der Suche nach der verlorenen Relevanz

Auch das meint nämlich Datenkompetenz: In der Fülle verfügbarer Informationen das Relevante zu finden. Und sich nicht überrollen zu lassen von einer Flut an erdrückendem Input – der den erhofften „roten Faden“ mehr verbirgt als unterstreicht. Dass das keineswegs banal ist, beweisen neue Zahlen der groß angelegten Data-Equality-Untersuchung unter 5.000 Berufstätigen in ganz Europa. Demnach schätzen sich nur 17 Prozent der Europäer als "datenkompetent" ein. In Deutschland ist der Befund noch alarmierender als im europäischen Durchschnitt: Hier trauen sich lediglich 14 Prozent der Befragten einen souveränen Umgang mit Daten zu.

Wie wenig die große Bedeutung von Daten auch und gerade am Arbeitsplatz anerkannt wird und wie wenig Nutzen Unternehmen noch immer aus ihrem Data Lake ziehen, beweisen folgende Zahlen: 85 Prozent der ausführenden Mitarbeiter angeben, dass mehr Daten und besseres Datenverständnis ihnen helfen würden, ihre täglichen Aufgaben zu erledigen. Allerdings sind gerade einmal 49 Prozent der Ansicht, auch wirklich adäquaten Zugriff auf hilfreiche Datensätze zu haben.

Genau das umgekehrte Bild zeigt sich in der Chefetage: Unter Führungskräften bestätigen 79 Prozent, Zugang zu allen relevanten Daten zu haben. Ausgerechnet unter den Top-Level-Kräften herrscht jedoch deutlicher Nachholbedarf, mit den Daten tatsächlich souverän und nutzbringend umzugehen (24 Prozent).

Unter anderem der renommierte “Economist” spricht von Daten als dem "neuen Öl" – eine Metapher für das wirtschaftliche, innovative und letztlich gesellschaftliche Potenzial, das in digitalen Informationen liegt. Jedenfalls dann, wenn die Daten richtig genutzt werden. Denn ein Datenwust, der permanent wächst und über mobile Devices überall zugänglich ist, jedoch keine Orientierungspunkte mehr bietet, wird eher zur Belastung.

Dazu nochmals die Data Equality Studie: Rund 45 Prozent der Europäer können demnach nicht mehr zwischen Fakt und Fake unterscheiden. Viele Menschen fühlen sich überrollt von Daten – und wissen all ihrer Informationen nicht mehr Herr zu werden. So fühlen sich zum Beispiel 50 Prozent der akademischen Job-Einsteiger bis 25 Jahre in Deutschland allein schon von der Fülle an täglichen Nachrichteninhalten überwältigt.

Datenkompetenz ist lernbar

Ein Grund dafür kann sein, dass Datenkompetenz in den meisten Ausbildungswegen kein wirklicher Lerninhalt ist. Auch an Hochschulen ist das Thema offenbar nicht sehr hoch aufgehängt. Wie die Autoren der Data Equality Studie herausgefunden haben, geben nur zehn Prozent der jungen Hochschulabsolventen an, datenkompetent zu sein. Der Wert liegt noch unter dem Durchschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung, von der sich rund 14 Prozent der Befragten als datensouverän erleben.

Was also tun, um Datenkompetenz zu steigern? Sicher wird die Bildung durch, mit und über Daten zunehmend in den Lehrplänen und Hochschul-Curricula verankert werden müssen. Doch Unternehmen sollten nicht einfach auf eine neue Riege an datenkompetenten Mitarbeitern warten.

Das müssen sie auch nicht, denn sie können selbst den souveränen Umgang mit Daten fördern. So können sie damit beginnen, eine bewusste „Daten-Kultur“ am Arbeitsplatz auf- und auszubauen. Und sie können auf unternehmenseigenes Training setzen. Die Mitarbeiter wird man dazu nicht lange überreden müssen, wie die Studienergebnisse aufzeigen: Demnach würden 65 Prozent der europaweit befragten Studienteilnehmer gerne mehr Zeit und Energie in die Verbesserung ihrer Datenfähigkeiten investieren – wenn es die Möglichkeit dazu gäbe.

Verbessern Sie Ihre Datenkompetenz

Eine große Mehrheit der Europäer setzt berechtigte Hoffnung in Sinn und Potenzial von Daten. Allein an den Möglichkeiten, professionell mit Daten zu arbeiten und die enthaltenen Einsichten – auch bislang verborgene – wirklich zu durchdringen, hapert es aber noch oft. Hier ist Datenkompetenz gefragt, die jedoch aktiv gefördert werden muss – übrigens nicht nur im Job, sondern auch zunehmend in Freizeit, Hobby und bei der Meinungsbildung. Wer seine Datenkompetenz verbessern möchte, ist mit folgenden ersten Schritten gut beraten:

• Betrachten Sie aktiv die Lebens- und Arbeitsbereiche, die Ihnen wichtig sind und in denen Sie mehr oder bessere Daten sowie Fähigkeiten zur Analyse und Weiterarbeit vermissen.

• Begeistern Sie auch andere in Ihrer Organisation dafür, eine Kultur der Datenkompetenz zu entwickeln.

• Suchen Sie jemanden, der mit Daten in Ihrer Organisation vertraut ist, und bitten Sie diese Person um Unterstützung – sowohl bei der Verbesserung Ihrer eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten als auch denen ihrer Kollegen.

• Hinterfragen Sie Informationen, mit denen Sie konfrontiert werden. Wenn Ihnen eine Grafik gezeigt wird seien Sie kritisch und stellen Sie sicher, dass Sie das, was Ihnen vermittelt werden soll, wirklich verstehen.

• Setzen Sie Datensets in Beziehung zueinander, um noch weitere Einsichten zu bekommen, aus denen dann Impulse zum Weiterforschen entstehen.

Fazit

Besonders am Arbeitsplatz kommt verbesserte Datenkompetenz letztlich allen zugute. Branchenkenntnis, Marktentwicklung, Technologietrends, digitale Geschäftsmodelle: Nur wer sich hier beizeiten datenkundig aufstellt, wird auch künftig wettbewerbsfähig sein. Entscheidend ist, alle, die mit Daten arbeiten möchten, entsprechend zu befähigen – rollenbasiert und compliant. Denn je mehr Mitarbeiter intuitiv in ganz unterschiedliche Datenquellen eintauchen, sie kombinieren und erforschen können, umso mehr gute Ideen liegen am Ende auf dem Tisch.

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