Fehlendes Liquiditätsmanagement: Hauptursache für Unternehmensinsolvenzen

12.06.2006
Viele Insolvenzen könnten vermieden werden, wenn die Firmeninhaber nicht nur eine handwerkliche oder technische, sondern auch eine betreibswirtschaftliche Ausbildung hätten.

Die Anzahl an Unternehmensinsolvenzen bewegt sich weiter auf hohem Niveau. Die renommierte Auskunftei Creditreform im nordrhein-westfälischen Neuss schätzt, dass in diesem Jahr zwischen 37.000 und 39.000 Unternehmen aufgeben müssen. Laut Prof. Dr. Rolf Dintner von der Technischen Universität Ilmenau (Thüringen) sind viele Pleiten vermeidbar. Nach Angaben des Leiters des Instituts für Betriebswirtschaft hat fehlendes Liquiditätsmanagement Schuld an den meisten Insolvenzen von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland.

"Oft haben die Inhaber eine handwerkliche oder technische Ausbildung, aber keine betriebswirtschaftliche", berichtet Dintner. Vermutlich deshalb würden viele kleine und mittlere Unternehmen dem Liquiditätsmanagement zu wenig Bedeutung beimessen. Doch für volle Kassen brauche es mehr als nur florierende Geschäfte. "Denn wenn die Zahlungsmoral der Kunden zu wünschen übrig lässt, die Hausbank die Kreditlinie senkt und die Betriebskosten steigen, können selbst Firmen mit gefüllten Auftragsbüchern in Zahlungsschwierigkeiten geraten", warnt er. Bei Zahlungsunfähigkeit drohe schnell das Aus.

Dr. Marc Evers vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Dachverband der 81 Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Deutschland, bestätigt: "In Zeiten von Rating und Basel II kommt dem Liquiditätsmanagement in Unternehmen eine zunehmende Bedeutung zu, um die Bonität des Unternehmens zu verbessern." Dies sei eine Herausforderung für viele mittelständische Unternehmen, die anders als Grossunternehmen nicht über eigene, spezialisierte Rechnungswesen-Abteilungen verfügten, so der Leiter des Referats für Mittelstand und Existenzgründung beim DIHK in Berlin.

Immer zahlungsfähig

Der Diplom-Volkswirt Stefan Uhlig aus Geretsried nahe München hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und dazu ein Buch mit dem Titel "Immer zahlungsfähig" veröffentlicht. Darin räumt der Autor mit den seiner Ansicht nach grundlegenden Irrtümern beim Liquiditätsmanagement auf. "Die Banken haben den schwarzen Peter zu unrecht", so Uhlig. "Liquidität kommt aus dem Ertrag und Ertrag entsteht nur dann, wenn strikt gewinnorientiert gewirtschaftet wird."

Die einfachste und wichtigste Maßnahme für erfolgreiches Liquiditätsmanagement sei eine kurz- und mittelfristige Finanzplanung. Nach Ansicht des Unternehmensberaters und Sachverständigengutachters verlieren Unternehmen das meiste Geld durch unrentable Aufträge. Wer viele kleine Projekte annehme, verliere leicht den Überblick über Kosten und Gewinn, so der Finanzexperte. "Häufig werden unrentable Aufträge auch bewusst aus Imagegründen angenommen." Mit einem bekannten Kunden lässt sich eben gut für das eigene Unternehmen werben. "Die Kehrseite der Medaille ist, dass dabei rentable Geschäftsbeziehungen und Geschäftsfelder vernachlässigt werden", so Uhlig.

Weiter empfiehlt der Finanzexperte ein straffes Forderungsmanagement. Uhlig kritisiert, dass für viele Unternehmen der Auftrag mit der Ausstellung der Rechnung abgeschlossen sei. Dabei fange Liquiditätsmanagement erst ab diesem Zeitpunkt an, gerade seitdem die Zahlungsmoral in Deutschland extrem nachgelassen habe: "Am schnellsten hilft oft ein gutes Mahnwesen dem schwächelnden Eigenkapital."

Außerdem rät Uhlig zum Aufbau eines Frühwarnsystems: "Informationen über die Bonität kann die Hausbank einholen." Zusätzlich sollten Firmen aufmerksam die Entwicklung der Kunden und deren Konkurrenz beobachten.

In Deutschland vergleichsweise wenig Eigenkapital

Im Vergleich zu ihren internationalen Mitbewerbern verfügen die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland über vergleichsweise wenig Eigenkapital. Nach Angaben von Prof. Dr. Rolf Dintner liegt die Eigenkapitalquote in Deutschland bei durchschnittlich 18 Prozent, international bei rund 30 Prozent. "Die deutschen Unternehmer müssen ihre Eigenkapitalquote deutlich erhöhen", fordert Uhlig. Je geringer das Eigenkapital eines Unternehmens sei, desto höher sei das Risiko einer plötzlichen Zahlungsunfähigkeit.

Controller als Steuermann

"Um an zusätzliches Kapital zu kommen, müssen Unternehmen gegenüber internen und externen Geldgebern die Chancen und Risiken ihres Unternehmens deutlicher als bisher aufzeigen", sagt Diplom-Kaufmann Franz Ederer, der 1995 bei der IHK-Akademie im bayerischen Westerham das Controlling-Kolleg mit ins Leben gerufen und seitdem mehr als 200 Mittelständler fit fürs Controlling gemacht hat. "Der Controlling-Gedanke gehört in jedes Unternehmen, egal ob es 2 oder 2000 Mitarbeiter hat", so Ederer. Den Controller betrachtet er nicht als Kontrolleur, der dem Management gehörig auf die Finger klopft, sondern vielmehr als Transparenzmanager, der zusammen mit der Geschäftsleitung dafür sorgt, dass das Unternehmensschiff auf Kurs bleibt, oder wieder auf Kurs kommt. Hierzu gehöre auch ein effizientes Forderungsmanagement, um als Unternehmen im härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.

Insgesamt könne das Thema Liquiditätsmanagement gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagt Uhlig: "Fragen Sie mal Unternehmer, die nur wegen der Pleite ihres Kunden selbst baden gegangen sind." Ziel eines Unternehmens müsse sein, dass es zu jedem Zeitpunkt seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen könne, denn: "Was für den Menschen die Luft zum atmen, sei die Liquidität für die Existenz eines Unternehmens", so Uhlig.

Weitere Informationen und Kontakt: S. Uhlig Unternehmensberatung, Diplom Volkswirt Stefan Uhlig, Blumenstrasse 48, 82538 Geretsried b. München, www.su-consulting.de (mf)

Zur Startseite