Christian Mehrtens nennt Details

Feinschliff am SAP-Partnerprogramm

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Im März 2019 trat Karl Fahrbach die neu geschaffene Position des Chief Partner Officers bei SAP an. 2020 soll die von ihm ausgerufene „Next Generation Partnering“-Initiative umgesetzt werden.
Christian Mehrtens, Mittelstands- und Channel-Chef bei SAP Deutschland: "Wir haben zum Teil hoch spezialisierte Partner."
Christian Mehrtens, Mittelstands- und Channel-Chef bei SAP Deutschland: "Wir haben zum Teil hoch spezialisierte Partner."
Foto: SAP

Ende 2019 hat Christian Mehrtens, Mittelstands- und Channel-Chef bei SAP Deutschland, im Gespräch mit ChannelPartner dargelegt, mit welchen Partnern der Softwarekonzern hierzulande zusammenarbeitet und dies auch in Zukunft tun möchte. So setzt sich das rund 1.200 Unternehmen umfassende Channel-Netzwerk von SAP in Deutschland aus 40 "Run"-, 300 "Resell"- und 700 "Build"-Partnern (ISVs) zusammen.

Im März 2020, in einem Update-Interview mit ChannelPartner, betonte Mehrtens die steigende Bedeutung des SAP AppCenter. Über diese Plattform möchten die Walldorfer Lösungen ihrer ISVs nun deutlich intensiver vermarkten. "Die Tiefe der Zusammenarbeit mit uns können die ISVs frei wählen", so Mehrtens. So genannte Solution Extensions der Build-Partner vertreibt dann SAP sogar in Eigenregie oder gemeinsam mit den Resell-Partnern. Hier sieht der Channel-Chef ISVs, die Cloud-fähige Brachen- und vertikale Lösungen anbieten, ganz klar im Vorteil.

SAP-Channel wird breiter gefasst

In diesem Zusammenhang weist Mehrtens darauf hin, dass SAP sich bei Weitem nicht nur als reiner ERP-Anbieter sieht: "Mit Ariba und Concur bieten wir nun auch Beschaffungs- und Supply-Chain-Lösungen sowie Reise- und Ausgabenmanagement-Software an, mit SuccessFactors decken wir alle Personalprozesse ab." Hinzu kommen CX-Systeme ("Customer Experience Management"), die unter anderem noch aus den Übernahmen von Hybris und Qualtrics stammen.

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Angesichts dieser Produktvielfalt lohne sich die Partnerschaft mit SAP auf jeden Fall, so Mehrtens im Gespräch mit ChannelPartner. "Es gibt kaum Partner, die all die vorhin erwähnten Bereiche abdecken. Wir haben zum Teil hoch spezialisierte Partner." Und deswegen legt der Mittelstandschef großen Wert darauf, dass sich seine Partner untereinander eng vernetzen, um ihren Kunden eine integrierte Lösung (ERP, CRM, SCM und HR) aus einer Hand anzubieten: "Hier schaffen unsere Partner schon heute sehr viele Synergien und agieren gemeinsam am Markt."

Partnerkonferenz "Connect" in Berlin - "Cloud first"

An der deutschsprachigen SAP-Partnerkonferenz "Connect" Ende 2019 in Berlin nahmen 1.500 Vertreter von insgesamt 500 Partnerunternehmen teil. "Dort fand ein sehr reger Austausch statt", berichtet Mehrtens. Und SAP ist stets auf der Suche nach neuen Partner aller Couleur, die Kandidaten sollten aber alle sehr Cloud-affin sein, das ist dem Mittelstandschef äußerst wichtig. Seiner Ansicht nach sollten alle Standardprozesse bei Kunden aus der Cloud heraus erledigt werden.

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"Wir wollen unsere Partner auf diese Cloud-Reise mitnehmen", sagt Mehrten. Für viele der Partner gehe damit aber eine radikale Umstellung ihrer Geschäftsmodelle einher, so die Überzeugung des Channel-Chefs. "Es geht nicht mehr um die Einführung eines Kern-ERP-Systems, das im Anschluss aufwendig um viele Individualfunktionen ergänzt wird." Laut Mehrtens ist mittlerweile den meisten Kunden klar, dass 80 bis 90 Prozent ihrer Anforderungen mit einem Standard-ERP-Produkt abgedeckt werden können.

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"Da sind Kunden im Vorfeld eines Projekts durchaus bereit, ihre Geschäftsprozesse demensprechend anzupassen, und dann werden die bisher üblichen dicken Lastenhefte obsolet", analysiert SAPs Mittelstandschef die aktuelle Lage. In der Cloud benötigen Partner einen völlig neuen Vertriebsansatz.

"Wir wiederum nehmen Rücksicht auf die unterschiedlichen Aktivitäten unserer Partner", so Mehrtens, der das an einem Beispiel erläutert: "Beratungshäuser wollen das Reselling und die Implementierung oft gar nicht übernehmen, das überlassen sie gerne anderen."

SAP-Partner als Digitalisierer

Wenn Partner bei SAP-Projekten ihren Kunden aber weniger Arbeitsstunden in Rechnung stellen können, weil deren Individualisierungsbedarf sinkt, dann müssen sie mit anderen Aktivitäten mehr Umsatz erzielen, um auf ähnliche oder gar höhere Profite zu kommen. "Bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse ihrer Kunden haben Partner mehr als genug zu tun", meint der Channel-Chef. Da gäbe es noch viele Insellösungen, weil kein einheitliches Stammdatenmodell vorhanden ist und die technischen Möglichkeiten weitgehend unbekannt sind. Und weil die standardisierten Cloud-Lösungen von SAP rasch implementiert sind, hätten SAP-Partner nun viel mehr Zeit, auf die Digitalisierungsbedürfnisse ihrer Kunden einzugehen.

Laut Mehrtens könnten Partner bei ihren Kunden für mehr "digitale Durchgängigkeit" zwischen den Prozessen bei ihren Kunden sorgen und ihnen unter Umständen sogar helfen, neue innovative Dienste für deren Kunden zu entwickeln. Hier führt der Channel-Chef das Beispiel eines Maschinenbauunternehmens an, das nicht mehr Maschinen an seine Kunden verkauft, sondern am Profit aus dem Output dieser Maschinen finanziell beteiligt werden möchte.

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"Da entstehen ganz neue Geschäftsmodelle und Umsatzströme für unsere Partner", behauptet Mehrtens. "Um in diesem Cloud-Business mitzumischen, müssen sich aber einige Partner von alten Zöpfen trennen." Laut dem SAP-Mittelstandschef stehen Partnern noch sehr viele Möglichkeiten - Branchenlösungen betreffend - offen. Aber auch vertikale Lösungen - etwa im Bereich Steuerabrechnung bei international agierenden Unternehmen - böten sich an.

Künftig werden SAP-Partner also ihr Geschäft auf gänzlich anderen Feldern betreiben als bisher. "Kunden wollen aus ihren Digitalisierungsprojekten einen unmittelbaren Nutzen ziehen. Und wem es als Partner gelingt, für derartige Erfolgserlebnisse zu sorgen, der hat schon mal viel richtig gemacht", postuliert Mehrtens.

Next Generation Partnering bei SAP

Inwieweit kann dabei aber das "SAP Next Generation Partnering" helfen? Auch darauf weiß Mehrtens eine Antwort: "Das ist kein neues Partnerprogramm. Unser Chief Partner Officer Karl Fahrbach hat nach seinem Amtsantritt vor einem Jahr einen offenen Dialog mit unseren Partnern gestartet und dabei herausgefunden, dass ein starr designtes Partnerprogramm nicht mehr ihren Anforderungen entspricht."

Deshalb nimmt SAP ständig kleine Modifikationen an dem Partnermodell vor und ergänzt es gegebenenfalls. Eine dieser Änderungen betraf S/4HANA: "Damit möchten wir unsere Partner in die Lage versetzen, ihren Kunden den Übergang zu unserem neuen ERP-System so einfach wie möglich zu machen", so Mehrtens. So gibt SAP hier Partnern Werkzeuge an die Hand, mit denen sich verschiedene Business-Szenarien bei den Kunden simulieren lassen. Kunden können ihre Daten teilweise auch in speziell abgesicherte Umgebungen ("Sandbox"-Systeme) transferieren und dort nach Belieben testen.

Partner bekommen Tipp-Provisionen

Seit 2016 existiert bereit die "Cloud Choice Profit"-Option: Hier besteht eine direkte Geschäftsbeziehung zwischen SAP und dem Kunden, der Partner erhält aber eine Provision, ohne dass er das Reselling aktiv betreibt. Seit Neuestem beauftragt der Softwarekonzern sogar einige seiner Build-Partner, die ISVs, mit der Entwicklung von speziellen Branchenlösungen, die man selbst nicht vorhält. Anschließend vermarktet SAP diese Branchenlösungen der ISVs aktiv über das eigene AppCenter.

All diese kontinuierlich stattfindenden Modifikationen und Ergänzungen am Channel-Programm umschreibt SAP mit "Next Generation Partnering". Mehr dazu können Sie im Artikel der geschätzten australischen IDG-Kollegin Eleanor Dickinson nachlesen.

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