Festplatten halten Einzug in die Unterhaltungselektronik

13.09.2001
Nicht zuletzt aufgrund der schleppenden PC-Umsätze ist die Situation der Festplattenhersteller prekärer denn je. An eine durchgreifende Verbesserung des Marktumfeldes speziell im klassischen Desktop-Bereich glauben Experten schon lange nicht mehr. Innovation statt Durchhaltevermögen lautet daher das Motto, unter dem immer mehr Harddisk-Anbieter ihre Produktstrategien neu ausrichten.

Der Ausblick, den die Analysten der International Data Corporation (IDC) für den Festplattenmarkt geben, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: deprimierend. Die erwarteten Zuwächse bei den Stückzahlen würden, sagen die Marktforscher, in absehbarer Zeit von den dramatischen Preisrückgängen egalisiert. Als Resultat bleiben den Herstellern unter dem Strich trotz hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung bestenfalls stagnierende Umsatzzahlen.

Dabei ist die Situation in den einzelnen Produktsegmenten extrem unterschiedlich. Während bei Festplatten für mobile PCs und hochwertigen SCSI-Platten, die in Netzwerkumgebungen Einsatz finden, durchaus ein positiver Geschäftstrend zu verzeichnen ist, bleibt der Hauptumsatzträger, das Desktop-Segment, das Sorgenkind der Branche. Prognostizierten Stückzahlzuwächsen von durchschnittlich gerade einmal vier Prozent für die Jahre 2001 und 2002 stehen Preisrückgänge von jährlich knapp 15 Prozent gegenüber. Einen Ausweg aus dem Dilemma versprechen sich die Festplattenhersteller von der Erschließung eines für sie weitgehend neuen Marktsegmentes: der Unterhaltungselektronik.

Das potenzielle Anwendungsspektrum für Festplatten im Heim- und Freizeitbereich ist vielfältig. Es reicht vom Einsatz in dedizierten Web- oder E-Mail-Terminals, Spielekonsolen, Settop-Boxen, digitalen Audio- und Video-Playern bis zur Nutzung von Festplatten als quasi universelle Datenspeicher in Digitalkameras oder Navigationssystemen.

Neue Einsatzumgebungen stellen neue Anforderungen

Wer allerdings glaubt, handelsübliche PC-Festplatten ließen sich dort ohne umfangreiche Modifikationen einsetzen, liegt falsch. Reduzieren sich die Auswahlkriterien im Computer-Umfeld hauptsächlich auf die Kenngrößen Kapazität, Schnittstelle und Baugröße, gelten jetzt andere Kriterien. Die Problematik wird deutlich, wenn Festplatten beispielsweise als Speicher für Audio- oder Videodaten eingesetzt werden soll. Tritt bei einer PC-Festplatte während eines Lesevorgangs ein Datenfehler auf, sorgt die Intelligenz der Plattenelektronik dafür, dass ein erneuter Leseversuch unternommen wird. Ein Vorgang, der zwischen einigen Zehntelsekunden und einer Sekunde kosten kann. Ein Zeitverlust, der in klassischen Computer-Umgebungen im Hinblick auf die Datenkonsistenz vom Anwender gerne in Kauf genommen wird. In einer A/V-Anwendung wird der Verlust eines Bits unter Millionen anderen dagegen nicht auffallen. Auffallen würde dem Zuhörer beziehungsweise Betrachter allerdings, wenn der kontinuierliche A/V-Datenstrom - und sei es auch nur für Sekundenbruchteile - unterbrochen wird.

Die richtige Reaktion einer Festplatte in der beschriebenen Situationen ist nur eine von vielen Herausforderungen, der sich die Entwickler gegenüber sehen. Weitere Ansprüche genereller Art sind eine im Vergleich zum PC-Einsatz erweiterte Schockfestigkeit und ein extrem niedriger Betriebsgeräuschpegel.

Hersteller ziehen die Konsequenzen

Mit mehr als einer Million verkaufter Festplatten ist Seagate nach eigenen Angaben mittlerweile zum Marktführer im Bereich der Consumer-Elektronik avanciert. Die neue Generation der kürzlich vorgestellten U-Serie wurde speziell für den Einsatz in digitalen Personal-Video-Rekordern (PVDs), Spielekonsolen, Audio-Jukeboxen und anderen Anwendungen entwickelt.

Ausgerüstet mit sogenannten Fluid-Dynamic-Bearing-Motoren (FDB) liegt der Geräuschpegel des Laufwerks bei zuvor unerreichten 27 Dezibel. Das von Seagate entwickelte 3D-Defense-System garantiert darüber hinaus eine besonders hohe Robustheit gegen Schock und Vibrationen.

Auch andere Festplattenhersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt. Mit einem Paukenschlag hat sich Mitte August Fujitsu zu Wort gemeldet. Zur Überraschung von Anwendern wie Vertriebspartnern gleichermaßen haben die Japaner den konsequenten und damit kompletten Ausstieg aus dem ruinösen Geschäft mit Desktop-Festplatten zum Jahresende bekannt gegeben.

Das "digitale Heim" eröffnet Umsatzpotenziale

Ziel von Fujitsu ist es stattdessen, die Aktivitäten bei 3,5-Zoll-SCSI-Enterprise-Festplatten und 2,5-Zoll-IDE-Notebook-Festplatten zu erhöhen und gleichzeitig die Markteinführung neuer Festplattenprodukte in den Bereichen Haushaltsgeräte, Audio/Videoprodukte und anderer Anwendungsbereiche außerhalb des PC-Sektors zu beschleunigen.

Zumindest indirekt möchten auch Mitkonkurrenten wie Western Digital am - im Vergleich zum Desktop-PC-Markt - vergleichsweise gesunden Consumer-Elektronik-Markt partizipieren. "Aufgrund der Anforderungen, die das Management großer Daten sowie digitaler Musik-, Video- und Foto-Files stellt, bieten unsere externen Firewire-Festplattenlaufwerke eine ideale Speicherlösung", glaubt Richard Ruttledge, Vice President of Marketing bei Western Digital.

Dass die Implementierung des "digitalen Heims", basierend auf der Konvergenz der Computer-, Unterhaltungs- und Telekommunikationstechnologie, ein enormes Umsatzpotenzial birgt, ist heute weitgehend unumstritten. Von gut fünf Millionen in diesem Jahr auf mehr als 45 Millionen Stück im Jahr 2004 soll nach neuesten Prognosen von IDC allein die Zahl der Festplatten ansteigen, die in Geräten der Unterhaltungselektronik zum Einsatz kommen. Inwieweit Harddisk-Produzenten von dieser Entwicklung allerdings tatsächlich profitieren, wird letztendlich davon abhängen, ob die Verantwortlichen aus dem Dilemma im Segment der Desktop-Festplatten gelernt haben.

www.seagate.com

www.fujitsu-europe.com

www.wdc.com

ComputerPartner-Meinung:

In der Vergangenheit hat sich die Zahl der Anbieter von Desktop-Festplatten ausschließlich aufgrund von (mehr oder minder freundlichen) Übernahmen verkleinert. Nun ist mit Fujitsu erstmalig ein Anbieter freiwillig ausgestiegen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Wer mit Festplatten Geld verdienen möchte, muss sich von der fixen Idee verabschieden, immer mehr Leistung und Kapazität zu immer kleineren Preisen anzubieten. Es ist wesentlich sinnvoller, Geld in die Erschließung neuer Märkte, beispielsweise in der Consumer-Elektronik, zu investieren, statt weiterhin Verlustbringer wie den Desktop-Markt zu subventionieren (sd)

Zur Startseite