Festplatten: Western Digital dehnt sein Engagement auf Enterprise-Produkte aus

12.12.1997

MÜNCHEN: Die Zeiten, in denen die Festplatten-Märkte für Notebooks, Desktops und Server-Systeme von unterschiedlichen Herstellern dominiert wurden, sind vorbei. Dem Trend, anderen Festplatten-Produzenten folgend, geht jetzt auch Western Digital dazu über, sein Produktspektrum auf alle Bereiche auszudehnen. Harddisks mit höchster Kapazität für den Enterprise-Sektor sollen nunmehr eine zentrale Rolle spielen. Der Marktanteil soll binnen Jahresfrist von 0,2 auf 4,2 Prozent gesteigert werden.

Schlechte Karten für spezialisierte Festplattenhersteller in Nischenmärkten: Dem wachsenden Konkurrenzdruck durch große Anbieter wie Seagate, Quantum, Western Digital oder IBM haben sie nur wenig entgegenzusetzen. Teilten 1989 noch 56 Harddisk-Produzenten den Markt untereinander auf, blieben 1996 gerade einmal zwölf übrig. Tendenz sinkend. Nach Ansicht von Charles Haggerty, Chairman, President und Chief Executive Officer (CEO) der Western Digital Corporation wird sich die Zahl der Anbieter in den nächsten zwölf Monaten um ein bis zwei weitere Unternehmen reduzieren.

Der Bedarf an Speicherkapazität ist ungebrochen. Komplexere Betriebssysteme, die MMX-Technologie, Intranet- und Internet-Anwendungen, höhere Bandbreiten, neue Einsatzgebiete wie Video und digitale Fotografie, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Mit der Nachfrage wächst auch die Bedeutung der Speichertechnologie. War die Festplatte in der Vergangenheit eine Komponente von vielen, wird sie zunehmend zu einem strategischen Produkt.

Stückzahlen wachsen schneller als der Umsatz

Als Festplatten-Hersteller weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, hängt von vielen Faktoren ab. Der Qualität der Produkte, der Entwicklung neuer innovativer Technologien, einer Produkt- und Technologieplanung, die sich an den Anforderungen des Marktes orientiert, der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Produkte, der Flexibilität des Gesamtunternehmens und, last, but not least, dem Preis.

Signifikanter Preisverfall

Die Luft ist dünner geworden und ein Ende des Verdrängungswettbewerbs ist nicht abzusehen. Die Auswirkungen machten sich im September diesen Jahres in Form eines signifikanten Preisverfalls bemerkbar und zwang eine Reihe von Hersteller zu drastischen Maßnahmen. Sie drosselten ihre Produktion, um durch eine Produktverknappung das Abrutschen der Preise ins Bodenlose zu verhindern und das außer Kontrolle geratene Preisniveau zu stabilisieren.

Auch Western Digital besann sich auf die Grundregeln der freien Marktwirtschaft, nachdem Angebot und Nachfrage den Preis regeln und reduzierte seine Produktion nach Angaben von WD-Chef Haggerty um zehn Prozent.

Produktion wird häufiger heruntergefahren

Daß ein Ziehen der Notbremse bei der Produktion zukünftig häufiger an der Tagesordnung sein wird, lassen neueste Marktanalysen von IDC befürchten. Während bei den Stückzahlen für die kommenden Jahre mit einer resultierenden jährlichen Wachstumsrate von 19 Prozent gerechnet wird, prognostizieren die Marktforscher ein Umsatzwachstum von gerade einmal 17 Prozent.

Die Strategien, mit denen sich die verbliebenen Anbieter den Herausforderungen des Marktes stellen, sind unterschiedlich. Während einige Unternehmen, wie beispielsweise Seagate, darauf setzen, durch einen großen Anteil von Eigenentwicklungen Kosten zu kontrollieren und unabhängig zu bleiben, glaubt Western Digital, daß der Zukauf von Komponenten mehr Flexibilität bietet und unter dem Strich die kostengünstigere Lösung ist.

Hersteller verbreitern ihr Produktspektrum

Weitgehend einig hingegen sind sich alle Kontrahenten darin, mit einem breiten Produktspektrum eventuelle Markt-Risiken besser zu verteilen. Das bestätigt auch Haggerty, der die derzeit schleppenden Festplatten-Umsätze im Notebook-Bereich durch ein verstärktes Engagement bei den Enterprise-Produkten kompensieren will. Daß er mit der 1994 gegründeten Western Digital Enterprise Storage Group auf das richtige Pferd gesetzt hat, bestätigen ihm die Analysten von IDC. Nach ihrer Einschätzung ist der Enterprise-Sektor der am schnellsten wachsende Bereich im Festplattenmarkt. Sie prognostizieren durchschnittliche Wachstumsraten von 20 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre. Voll im Trend befindet sich Western Digital daher mit der neuen 9,1-GByte-Festplatte, die das Unternehmen Ende September vorstellte. Von 0,2 Prozent im Jahr 1996 soll der WD-Anteil laut Plan in diesem Marktsegment auf 4,2 Prozent in 1997 gesteigert werden.

Gesamtumsatz hat sich nahezu verdoppelt

Daß man mit den richtigen unternehmerischen Entscheidungen auch in einem nahezu inflationären Markt erfolgreich agieren kann, beweist Haggerty, seit er 1992 die Geschicke von Western Digital in seine Hände nahm. Im Finanzjahr 1997 wurde ein Gesamtumsatz von 4,18 Milliarden Dollar erwirtschaftet, eine Steigerung von 46 Prozent gegenüber 2,87 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 1996. Mit 23,1 Millionen verkauften Festplatten wurde dabei das Vorjahresergebnis um 51 Prozent übertroffen. Deutlicher als Umsatzzahlen belegt der ROIC-Index (Return of invested capital) die Effizienz eines Unternehmens. Mit 51 Prozent liegt WD hier nach eigenen Angaben deutlich vor seinen Wettbewerbern, die Werte zwischen 15 und 20 Prozent erreichen.

Fehlschläge wie die Anfang des Jahres propagierte SDX-Schnittstelle treten angesichts dieser Steigerungsraten in den Hintergrund. Nach offizieller Sprachregelung will WD in Zusammenhang mit SDX nicht von einem Flop reden. "Die SDX-Spezifikation wird gerade von den zuständigen Standardisierungskomittees diskutiert", heißt es lakonisch auf Nachfrage von ComputerPartner. Nachdem die Beratungen abgeschlossen sind, werde man innerhalb von sechs bis zwölf Monaten in der Lage sein, entsprechende Produkte zu fertigen. Bleibt die Frage offen, ob in Anbetracht des vehementen Widerstandes führender Wettbewerber das Ergebnis der Beratungen nicht einem Begräbnis erster Klasse gleichzusetzen ist.

Die Verteilung der Marktanteile in den Teilmärkten gleicht sich an. Immer mehr große Festplatten-Produzenten dehnen ihre Aktivitäten auf den Enterprise-Sektor aus. Darunter fallen Harddisks, die in Workstations, Servern und Midrange-Rechnern zum Einsatz kommen.

Die CAGRs (Compound annual growth rates) machen die Situation auf dem Festplattenmarkt deutlich. Die Entwicklung der Umsätze bleibt hinter den Stückzahlen zurück.

Mit einer weiteren Konsolidierung im Festplatten-Markt wird gerechnet. Während 1989 noch knapp 60 Hersteller den Harddisk-Markt beackerten, sind 1996 nur noch knapp ein Dutzend Anbieter vertreten.

Charles A. Haggerty, President und Chief Executive Officer der Western Digital Corporation. "Unser ROIC ähnelt dem eines Softwareunternehmens. Nur ein bis zwei Prozent der Hardwarehersteller haben vergleichbar gute Werte."

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