"Fokus klar auf Consumerprodukten"

16.01.2003
Kann man wegen zwei neuen silberglänzenden mobilen Rechnern das "Jahr des Notebooks" ausrufen? Apple-Chef Steven Jobs tat dies auf der "Macworld Expo" vor begeisterten Zuhörern. In Deutschland aber zweifelt der Handel an der Botschaft. Der Mangel an neuen professionellen Rechnern schlage mehr zu Buche als die neuen "Powerbooks".

Gewiss, es war ein rauschendes Fest, das Apple-CEO Steven Jobs letzte Woche im "Moscone Center", San Francisco, vor gewohnheitsmäßig restlos begeisterten Zuhörern inszenierte. Er fuhr mit der für ihn typischen Mischung aus ungebremster Selbstinszenierung und butterweich die Zuhörer umschmeichelnden Erzählerstimme Softwarepakete auf; er gab einen überaus rosigen Ausblick auf Apples gegenwärtige Produkt- und Finanzsituation. Und als er schließlich bei der Vorstellung der beiden mobilen Aluflundern "Powerbook" mit 12- und 17-Zoll-Bildschirm das "Jahr des Notebooks ausrief, war vergessen, was die Apple-Adepten vor der Macworld Expo bewegt hatte: ein videofähiger Ipod, ein neuer Imac, ein Was-auch-immer. "Wir wollen die besten Rechner der Welt bauen", hatte Maestro Jobs vor drei Jahren gesagt; für einen Tag durfte man in San Francisco glauben, dass dem so sei (siehe unten).

Doch dass dieser Eindruck nicht von allen, die mit Apple-Rechnern umgehen, geteilt wird, zeigen die Reaktionen von Apple-Händlern in Deutschland. "Es gibt nichts Neues im professionellen Bereich. Der Fokus lag ganz klar auf Consumer-Produkten." Ein Manko? "Bei den professionellen G4-Rechnern muss sich endlich was tun", fordert Cancom-Chef Klaus Weinmann. "Seit mehr als einem Jahr spricht Apple über G5-Rechner. Unsere professionellen Kunden brauchen bessere und schnellere Rechner."

Keine G5-Rechner in Sicht

Eine ähnliche Meinung war aus dem Umfeld des Münchener Distributors Tech Data zu hören. Im professionellen Bereich tue sich langsam ein deutliches Leck auf, darüber könnte die Präsentation der neuen Powerbooks nicht hinwegtäuschen. Überdies sei es angesichts der mangelnden Investitionslust fraglich, ob die Botschaft "das Jahr des Notebooks" im professionellen Umkreis geglaubt werde. Offiziell aber heißt es bei Tech Data: "Durch die neuen Power-books erwarten wir deutliche Impulse in Form von Umsatz", so Marketingchef Udo Fußbroich. Vor allem das 12-Zoll-Notebook könne ein Gewinnbringer sein - wenn auch auf Kosten des "Ibook".

Eine Meinung, die Weinmann teilt. Er setzt sogar auf die 17-Zoll-Variante. In Paris, wo er der Übertragung von Jobs Keynote zugehört hatte, sei das neue Powerbook bereits 20-mal geordert worden. "Werbeagenturen und Grafiker können nun auch mobil wirklich zeigen, was sie gemacht haben. Apropos: Es würde nicht schaden, wenn Apple die Drei-Jahres-Garantie einzuführen würde.

Von Jörg Tappe, Apple-Verantwortlicher bei Ingram Micro, war zu erfahren, dass von der Produktvorstellung Steve Jobs "positive Signale für das weltweite Apple-Geschäft im Jahr 2003" ausgehen werden. "Die Tatsache, dass er das Jahr 2003 zum Notebook-Jahr erklärt hat, zeigt, dass er den aktuellen Trend aufgegriffen und sich für Apple zu Nutze gemacht hat." Tappe, der sich privat sofort das Spitzenmodell zulegen würde, hält auch die Listenpreise für angemessen. "Der Kunde orientiert sich zunehmend an optisch ansprechend designten, Platz sparenden Arbeitsgeräten mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis."

Zwar werde das 12-Zoll-Modell nicht zum Ingram-Knüller, da es aller Wahrscheinlichkeit am Fachhandel vorbei in Retail-Läden Käufer finden werde, doch insgesamt setze er doch darauf, dass Apple seine Marktsituation im Notebook-Segment verbessern könne.

Ein wenig ließ aber auch er anklingen, dass Apple im professionellen Bereich mehr tun könne, als derzeit der Fall ist. "Mehr Rechenpower" sei auf keinen Fall verkehrt. Doch das Jahr habe für Apple ja eben erst begonnen, so Tappe.

www.apple.com

ComputerPartner-Meinung:

Was passiert, wenn 2003 nicht das Jahr des Notebooks wird? Dann bleibt Apple bei rund zwei Prozent Marktanteilen weltweit, verliert, trotz der kürzlich vorgestellten Server "Xserve", der X11-Software und gerade noch respektabler G4-Rechner, weiterhin Anteile im professionellen Markt und wird operativ Verluste machen. Kommt es sogar zum Streit mit Microsofts Apple-Abteilung, wegen "Safari", "Openoffice" und vielleicht auch wegen "Keynote", dürfte der Marktanteil noch weiter schrumpfen.

Noch hat es Apple, obwohl es hartnäckig eine schlüssige Roadmap für den professionellen Markt vermeidet, in der Hand, ob es seine professionellen Kunden bei Laune halten kann oder aber zum Anbieter des Design-Winzlings "Ipod" und anderer Consumer-Nettigkeiten mutieren wird - noch. (wl)

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