FOKUS: Personalkompromiss löst nur ein Problem der Telekom

20.06.2007
Von Stefan Paul Mechnig

Von Stefan Paul Mechnig

Dow Jones Newswires

BAD NEUENAHR (Dow Jones)--Ein Allheilmittel für die Deutsche Telekom ist das 70 Seiten starke Kompromisspaket von Bad Neuenahr nicht - der Personalumbau, den Vorstandschef René Obermann jetzt vorantreiben kann, bildet nur eine von vielen Aufgaben im problematischen Inlandsgeschäft des größten europäischen Telefonkonzerns. Die Servicemängel sind damit noch lange nicht behoben, wie Analysten betonen. Und offen bleibt die zentrale Frage, ob es der Telekom gelingt, der Abwanderung der vielen Kunden Einhalt zu gebieten.

Die Ausgliederung der 50.000 Call-Center-Agenten und Techniker greift vor allem auf der Kosten- und Effizienzseite. Mit der Erhöhung der Wochenarbeitszeit und der Einbeziehung des Samstags in den Kosmos der geplanten T-Service-Gesellschaften, die der mächtigen Gewerkschaft ver.di abgetrotzt wurden, wird das ob seiner Behördenvergangenheit träge Unternehmen nun ein Stück produktiver und flexibler.

Die Gehaltssenkung von 6,5% ist jedoch ein gehöriger Abstrich von den ursprünglichen Forderungen des Managements. Hinzu kommt, dass die Telekom in den ersten Jahren aus der eigenen Schatulle für einen Ausgleich sorgt und zudem noch einen millionenschweren Fonds für den Fall bereit hält, dass ver.di später nicht die Lohnsteigerungen erzielt, die dazu beitragen sollen, dass die Gehälter de facto stabil bleiben.

Gleichwohl kommt die Telekom dem Vernehmen nach auf ein Sparvolumen von 650 Mio bis 750 Mio EUR - also genau die Mitte dessen, was sie sich vorgenommen hatte. Dies ist Teil eines Gesamtprogramms namens "Save for service", das bis 2010 zu jährlichen Einsparungen von bis zu 4,7 Mrd EUR führen soll. Einen großen Beitrag erhofft sich die Telekom von der Senkung ihrer Produktionskosten. Die Umstellung des tradionellen Kupferkabels auf ein Glasfasernetz auf Basis des Internetprotokolls soll das möglich machen.

Dies könnte aber auch bedeuten, dass dann weitere Beschäftigte nicht mehr benötigt werden und eine Neuauflage der Personalquerelen droht. "Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass technischer Fortschritt zu Mitarbeiterredundanzen führt", sagt etwa Analyst Thomas Friedrich von der HypoVereinsbank. Bereits bis Ende 2008 müssen 32.000 Menschen den Bonner Konzern verlassen. Auf der anderen Seite sei aber auch denkbar, dass sich durch neue Produkte wie etwa hochauflösendes Internetfernsehen auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten ergäben, meint Friedrich.

Ideen sind es nach Ansicht ihrer Beobachter vor allem, die die Telekom nötig hat, um sich vom zunehmenden Wettbewerb in Deutschland abzusetzen. Der Ex-Monopolist müsse sich radikaler als bisher innovative Produkte einfallen lassen und sie mit agressiveren Preisen kombinieren, meint Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Fink. Die Strategie des Premiumanbieters sei jedenfalls angesichts der Servicemängel fraglich. Kitz bezweifelt, dass die Zufriedenheit der Kunden rasch gehoben werden kann. Die Aussicht, länger und für weniger Geld zu arbeiten, sei für die Service-Beschäftigten "nicht unbedingt motivierend".

Auch bis der streikbedingte Auftragsstau behoben sei, werde es seine Zeit dauern. "Ich sehe jedenfalls keine nennenswerte Verbesserungsmöglichkeit in diesem Jahr", sagt Kitz. Für 2008 hat Konzernchef Obermann seiner neuen integrierten Vertriebs- und Serviceführung jedoch konkrete Ziele vorgegeben: Dann sollen die Techniker 90% der mit den Kunden vereinbarten Termine einhalten. Die Call-Center sollen für 80% der Anliegen schnell erreichbar sein und sie in ebensovielen Fällen schon beim ersten Kontakt erledigen.

HVB-Analyst Friedrich sieht in dem Programm eine "Herkulesaufgabe", die aber lösbar sei. Eng könnte es jedoch beim letzten Punkt werden - um die Kundenwünsche direkt zu erfüllen, müssten die Systeme perfekt funktionieren. Das aber ist bei der Telekom bislang nicht der Fall - in der internen IT des Kommunikationsspezialisten geht es seit Jahren drunter und drüber. Anfang dieses Jahres ging kaum noch etwas bei der Telekom. Das hatte jedoch eine positive Ursache: Die neuen Bündelprodukte aus Festnetz, Internet und Mobilfunk kamen so gut an, dass die EDV der Nachfrage nicht gewachsen war.

Bei den klassischen Telefonleitungen verliert die Telekom unterdessen beschleunigt an Kunden; allein 600.000 waren es im ersten Quartal. Und auch bei den erfolgreichen Kombiangeboten drückt der Wettbewerb. Inzwischen hat die Telekom die Preise hier um 15% gesenkt. Doch die Konkurrenten - schlagkräftige Formationen wie Arcor und Vodafone oder Telefonica und O2 - zogen sofort nach. Auch dies erhellt den eingeschränkten Spielraum des Bonner Konzerns. Die angespannte Lage dürfte jedenfalls anhalten - trotz des Personalkompromisses: Analyst Friedrich rechnet in den nächsten Jahren im Festnetz mit einem vierprozentigem Umsatzminus.

Webseiten: http://www.telekom3.de/

http://www.verdi.de/

-Von Stefan Paul Mechnig, Dow Jones Newswires, +49 (0)211 - 13 87 213,

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