FOKUS: Selters statt Champagner auf dem Pariser Autosalon

30.09.2008

Von Katharina Becker

DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Noch vor dem Autosalon in Paris ist der Branche die Partylaune vergangen. Während einige Hersteller noch hoffen, dass die Verkäufe in den boomenden Märkten Russland, Brasilien oder China das tiefe Loch füllen, dass der Käuferstreik in Westeuropa und den USA hinterläßt, ist vielen Experten der Optimismus vergangen.

Statt PS-Protzen stehen bei der Automobilmesse in der französischen Hauptstadt vom 4. bis 19. Oktober sparsame, kleine Fahrzeuge im Scheinwerferlicht: So präsentiert Toyota das serienreife Ultra-Kompakt-Auto iQ und einen geschrumpften Geländewagen, Kia den neuen Kleinwagen Soul, Chevrolet die Kompakt-Limousine Cruze und Opel seinen neue Hoffnungsträger Insignia in der Ökoversion.

Vor dem Hintergrund der rasant gestiegenen Spritpreise und der Auswirkungen der Kreditkrise in den USA hoffen die Hersteller, die Kunden mit Sparmobilen überzeugen zu können. Branchenexperten befürchten jedoch, dass der Nachfrageausfall länger anhält, als es den Herstellern lieb ist.

Kürzlich senkte die Citigroup ihre Erwartungen für die weltweiten Automobilverkäufe im laufenden und nächsten Jahr. 2008 dürften die Hersteller demnach erstmals seit 2001 weniger Pkw verkaufen. Analyst John Lawson schätzt das Minus auf 1,1%. "Wir wollen nicht zu schwarz malen, aber die entwickelten Märkte schrumpften im Sommer und selbst die Schwellenländer waren schwächer als zuvor." Mit den Einbrüchen bei den Autoverkäufen im August könne zwar die Talsole erreicht sein. Die Citi-Analysten bleiben dennoch skeptisch.

Auch die Analysten von Merrill Lynch legten die Latte nochmals tiefer. Bis Jahresende rechnen sie in Westeuropa mit einem Rückgang der Autoverkäufe um 6,1% nach 16,9 Mio Wagen im vergangenen Jahr. 2009 dürfte es demnach nochmal 5,1% abwärts gehen. "Die Banken haben immer noch kein Geld. Die Verbraucher auch nicht. Kein Geld bedeutet keine Autokäufer", lautet ihre düstere Prognose.

In der Tat gibt es wenig Lichtblicke: Der weltgrößte Automarkt USA steuert in diesem Jahr mit 14,1 bis 14,3 Millionen verkauften Fahrzeugen geradewegs auf ein 15-Jahres-Tief zu. Einen Vorgeschmack auf die Ausmaße der künftigen Schlaglöcher dürfte die Branche am Mittwoch erhalten, wenn die Automobilbauer ihre monatlichen Verkaufszahlen für die USA vorlegen. Mit einem Absatz von 1,05 Mio Wagen könnte der September einen weiteren Tiefpunkt in diesem Jahr markieren.

Europaweit lagen die Neuwagenverkäufe bis Ende August mit 10,4 Millionen Wagen knapp 4% unter dem Vorjahresniveau. Dabei konnte das dreiprozentige Plus in den neuen EU-Ländern die erdrutschartigen Einbrüche in Italien, Spanien und Großbritannien nicht ausbügeln.

In Anbetracht der stark schrumpfenden Automobilverkäufe jenseits des Atlantiks sei nicht auszuschließen, dass der Absatz auch in Westeuropa auf 11 Mio Fahrzeuge und damit auf das Niveau von 1993 fallen könnte, glauben die Analysten von Merrill Lynch.

UBS-Analyst Philippe Houchois erwartet, dass die Autobauer in Westeuropa dieses Jahr 5% und im nächsten Jahr 3,5% weniger verkaufen. Der Rückgang könnte ihre Bemühungen untergraben, mit höheren Preise wenigstens einen Teil ihrer gestiegenen Material- und Energiekosten sowie der ungünstigen Wechselkurse zum US-Dollar und zum britischen Pfund aufzufangen.

Inzwischen droht selbst die Kaufunterstützung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten zu bröckeln. Das robuste Wirtschaftswachstum wird in vielen Staaten von einer galoppierenden Inflation eingetrübt. Im Zuge der Immobilienkrise, die sich insbesondere in den baltischen Staaten bemerkbar macht, haben die Banken zudem ihre Kreditbedingungen drastisch verschärft.

Für Deutschland halten der Verband der Automobilindustrie (VDA) und sein Präsident Matthias Wissmann zwar tapfer an der Prognose von 3,2 Mio verkauften Neuwagen fest. Doch räumt Wissmann ein, dass die Schätzung reichlich konservativ ist. In den ersten acht Monaten wurden bundesweit mit 2,1 Mio Pkw noch 2% mehr zugelassen als im selben Zeitraum 2007. Daimler, BMW und Zulieferer wie Continental, Bosch oder der Motorenbauer Deutz haben sich dennoch bereits von ihren ursprünglichen Jahreszielen verabschiedet.

Mitten in der Finanzkrise ist auch auf den Export - sonst die Stütze der deutschen Automobilindustrie - kaum Verlass: Im bisherigen Jahresverlauf schafften es Audi, BMW, Mercedes, VW und Co. gerade einmal, ihr Vorjahresniveau zu halten. "Der Exportmotor läuft auf einer niedrigen Drehzahl, aber er läuft", beruhigt denn auch Wissmann.

Während sich die Kunden mit dem Autokauf zurückhalten, laufen die Hersteller Gefahr, dass sich die Wagen bei den Händlern stapeln: In den ersten acht Monaten liefen bei den deutschen Automobilkonzernen mit 3,8 Mio Pkw ein Prozent mehr Autos vom Band als im Vorjahreszeitraum.

Um nicht auf Halde zu produzieren, haben mit Daimler und BMW bereits die ersten die Reißleine gezogen und ihre Fertigung gedrosselt. Jenseits des Atlantiks haben die großen drei - Ford, die Opel-Mutter General Motors und die ehemalige Daimler-Tochter Chrysler ihre Produktion zusammengekürzt und versuchen, angesichts des Käuferstreiks in den USA ihre Verkäufe in Europa und aufstrebenden Ländern anzukurbeln.

Selbst Märkte wie China, Russland, Brasilien oder Indien scheinen gegen einen globalen Abschwung nicht immun zu sein. In der Volksrepublik brachen die Pkw-Verkäufe vergangenen Monat um 6% ein. Das Wachstum in Russland und Brasilien bekam deutliche Bremsspuren.

"Die Kombination aus höheren Darlehenszinsen, einer strikteren Kreditvergabe durch die Banken, die hohe Bewertung der lokalen Währungen und schwächelnde Exportmärkte belasten auch die Verbraucher in den Wachstumsländern", glauben die Analysten von Merrill Lynch.

Webseiten: http://www.ubs.com http://www.citi.com http://www.ml.com http://www.bosch.com http://www.conti-online.com http://www.bmwgroup.com http://www.daimler.com http://www.gm.com http://www.ford.com http://www.chrysler.com -Von Katharina Becker, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 112, katharina.becker@dowjones.com (Christoph Rauwald und Jeff Bennett haben zu diesem Bericht beigetragen.) DJG/kat/rio

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