Formfehler können zum Stolperstein geraten

02.04.1999

BERLIN: Rationalisierung und Globalisierung sind nur zwei der Schlagworte, die immer mehr Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz bringen. Mitarbeiter können jedoch ihren Rausschmiß auch selbst verschulden. Über rechtliche Aspekte, die im Kündigungsfall zu beachten sind, informiert Niko Härting*.Wer sich als Arbeitgeber von einem Mitarbeiter trennen möchte, ist gut beraten, eine Kündigung sorgfältig vorzubereiten. Schon der kleinste Formfehler kann dazu führen, daß eine ansonsten ordnungsgemäße Kündigung ihre Rechtsgültigkeit verliert. Nicht selten ist die mißliche Folge ein langwieriger Kündigungsschutzprozeß, der zum teuren Spaß für den Arbeitgeber werden kann.

Kündigungsfristen

In den meisten Arbeitsverträgen finden sich Bestimmungen zu den Fristen für eine ordentliche Kündigung. Ist vertraglich beispielsweise eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vereinbart, so ist diese Frist vom Arbeitgeber einzuhalten. Stellt der Arbeitgeber im September fest, daß er sich von einem Arbeitnehmer trennen möchte, mit dem er eine sechswöchige Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart hat, so ist eine Kündigung frühestens zum 31. Dezember möglich.

Wurde in dem Arbeitsvertrag keine Frist für eine ordentliche Kündigung festgelegt und gibt es auch keinen Tarifvertrag, der Regelungen über Kündigungsfristen enthält, so gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Diese Fristen betragen vier Wochen zum 15. des Monats oder zum Ende eines Kalendermonats. Eine Kündigung zum 31. Dezember kann demnach bis spätestens 3. Dezember

ausgesprochen werden.

Mit der Beschäftigungsdauer verlängert sich die gesetzliche Kündigungsfrist. Ist der Arbeitnehmer mindestens zwei Jahre beschäftigt und mindestens 27 Jahre alt, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Nach fünf Jahren Beschäftigung verlängert sich die Frist auf zwei Monate zum Monatsende.

Um jeweils einen weiteren Monat tritt eine Fristverlängerung nach acht, zehn, zwölf, 15 und 20 Jahren ein. Haben beide Seiten eine Probezeit vereinbart, so gilt während dieses Zeitraums eine Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen. Die Probezeit darf allerdings nicht mehr als sechs Monate betragen.

Die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten nicht nur, wenn die Parteien vertraglich keine Fristen für eine ordentliche Kündigung vereinbart haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitsvertrag zwar eine Bestimmung der Kündigungsfrist enthält, diese Bestimmung jedoch für den Arbeitnehmer ungünstiger als die gesetzliche Regelung ist.

Dies ist insbesondere bei Arbeitnehmern zu beachten, die bereits länger beschäftigt sind. Bei einem 35jährigen Arbeitnehmer mit sechsjähriger Beschäftigungsdauer ist beispielsweise die zweimonatige Kündigungsfrist zum Monatsende das gesetzlich zu beachtende Mindestmaß, auch wenn vertraglich eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart wurde.

Ausserordentliche Kündigung

Die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten nur für eine ordentliche Kündigung. Liegt jedoch ein wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so ist der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt. Dies kommt nur in seltenen Fällen in Betracht und setzt voraus, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen eines schwerwiegenden Pflichtenverstoßes seitens des Arbeitnehmers nicht zuzumuten ist.

Beispiele hierfür sind Arbeitsverweigerung, grobe Beleidigungen, nicht vereinbarter Urlaub, Kundenbetrug oder Materialdiebstahl. Bei einer fristlosen Kündigung ist zu beachten, daß der Arbeitgeber zu zügigem Handeln verpflichtet ist. Die Kündigung kann nur innerhalb von 14 Tagen erklärt werden, nachdem der Arbeitgeber von den Gründen, die ihn zur fristlosen Kündigung berechtigen, erfahren hat.

Kundigungsschutz

Entgegen der landläufigen Meinung genießen längst nicht alle Arbeitnehmer Kündigungsschutz. Von gesetzlicher Warte aus betrachtet können Arbeitnehmer nur dann Kündigungsschutz in Anspruch nehmen, wenn in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Eine Ausnahme gilt für Beschäftigte, die vor dem 1.10.1996 eingestellt wurden und bereits nach damals geltendem Recht Kündigungsschutz beanspruchen konnten.

Bis zum 1.10.1996 galt nämlich Kündigungsschutz bereits dann, wenn mehr als fünf Arbeitnehmer in dem Betrieb beschäftigt waren. Die neue Bundesregierung plant, zu dem arbeitnehmerfreundlichen alten Recht zurückzukehren und in Betrieben mit sechs bis zehn Mitarbeitern den früher geltenden Kündigungsschutz wieder einzuführen.

Nach dem Kündigungsschutzgesetz ist eine ordentliche Kündigung trotz Kündigungsschutz in drei Fällen möglich:

"Personenbedingte Kündigung":

Eine Kündigung ist trotz Kündigungsschutz wirksam, wenn die Kündigung auf unverschuldeten persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen des Arbeitnehmers beruht, die dem Arbeitgeber das Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar machen. Dies gilt bei langanhaltender Krankheit, wenn Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit krank geschrieben sind und dies unzumutbare betriebliche Auswirkungen zur Folge hat. Genauso kommt die personenbedingte Kündigung bei häufigen kurzzeitigen Erkrankungen in Betracht. In diesem Fall führen die überdurchschnittlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers ebenfalls zu unzumutbaren Betriebsbeeinträchtigungen.

"Verhaltensbedingte Kündigung":

Der Arbeitgeber ist trotz Kündigungsschutz außerdem zur Kündigung berechtigt, wenn der Beschäftigte seine arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt hat. Beispiele hierfür sind die Störung des Betriebsfriedens, verbotener Alkoholkonsum, "Krankfeiern" oder ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht. Im Einzelfall ist allerdings eine Interessenabwägung zwischen den wirtschaftlichen Belangen des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers auf Erhalt seines Arbeitsplatzes erforderlich. Die Kündigung muß sich, damit sie wirksam ist, im Einzelfall als sozial billigenswert und angemessen erweisen.

"Betriebsbedingte Kündigung":

Ist die Auftragslage eines Unternehmens schlecht, kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. Hierbei ist jeweils individuell zu prüfen, ob die Kündigung nicht durch innerbetriebliche Maßnahmen wie beispielsweise Kurzarbeit vermeidbar ist. Bei Rationalisisierungsmaßnahmen ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Stellenabbau sozial verträglich zu gestalten. Einen erhöhten Sozialschutz genießen dabei insbesondere ältere Arbeitnehmer, Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit und Arbeitnehmer, die Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen haben.

Abmahnungen

Ein häufiger Stolperstein bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen sind erforderliche vorherige Abmahnungen. Die Kündigung ist im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes stets das äußerste Mittel und steht dem Arbeitgeber nur dann zur Verfügung, wenn andere Maßnahmen nicht greifen. Genießt der Arbeitnehmer beispielsweise wiederholt verbotenerweise Alkohol während des Dienstes, darf der Arbeitgeber dem nicht tatenlos zusehen, um dann im Wiederholungsfall die Kündigung auszusprechen. Er ist vielmehr gehalten, zunächst eine - möglichst schriftliche - Abmahnung auszusprechen, und wird nur dann mit einer Kündigung Erfolg haben, wenn der Arbeitnehmer sein dienstwidriges Verhalten trotz der Ab-

mahnung fortsetzt beziehungsweise wiederholt.

Gibt es in Firmen einen Betriebsrat, sollte der Arbeitgeber beachten, daß er verpflichtet ist, den Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Wird die Anhörung versäumt, ist schon

aus diesem Grund die Kündigung unwirksam.

Besonderen Kündigungsschutz genießen Frauen während der Zeit des Mutterschutzes und Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub, genauso Schwerbehinderte. Ist die Kündigung eines Arbeitnehmers mit besonderem Kündigungsschutz beabsichtigt, sollte sich der Arbeitgeber in jedem Fall im vorhinein sachkundig beraten lassen, um sich abzusichern.

Kundigungserkärung

Für Kündigungserklärungen gelten keine besonderen Formvorschriften. Mit einer Ausnahme: Wurde im Arbeitsvertrag vereinbart, daß eine Kündigung nur schriftlich zu erfolgen hat, ist eine solche Regelung verbindlich. Auch wenn eine schriftliche Fixierung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, empfiehlt es sich schon aus Beweisgründen, die Kündigungserklärung schriftlich abzufassen.

Die Kündigungserklärung wird wirksam bei ihrer Aushändigung, also ab dem Zeitpunkt, ab dem das Kündigungsschreiben dem Mitarbeiter im Betrieb übergeben wird. Um den Kündigungstag genau dokumentieren zu können, empfiehlt es sich, sich vom Mitarbeiter schriftlich den Erhalt des Kündigungsschreibens bestätigen zu lassen.

Bei ausländischen Mitarbeitern, die Verständigungsschwierigkeiten haben, sollte das Kündigungsschreiben in deren Muttersprache übersetzt werden. Ansonsten wird nach der Rechtsprechung die Kündigung erst nach einer "angemessenen Übersetzungsfrist" wirksam.

Um bei abwesenden Mitarbeitern einen möglichen Streit über den Zugangstermin zu vermeiden, sollte das Kündigungsschreiben durch einen Firmenboten übergeben oder in den Wohnungsbriefkasten eingeworfen werden. Der Bote steht dann als Zeuge für den Tag des Zugangs zur Verfügung.

* Rechtsanwalt Niko Härting leitet die Berliner Kanzlei Härting und ist auf die Themen Multimedia und Immobilien spezialisiert.

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