Frühe Risikobereitschaft und Geduld haben sich für die Anleger oft ausgezahlt

09.09.1999

MüNCHEN: Wer heute seinen Anlageberater nach dem besten Investment fragt, bekommt als Antwort zwangsläufig: Technologieaktien. Das war nicht immer so. Der erste große Boom mündete Mitte der 80er Jahre in einen "schweren Kater nach einer spektakulären Orgie", wie der US-Aktienbroker Halbrecht & Quist seinerzeit resümierte. Viele neu gegründete Firmen gingen Pleite.Der Nasdaq-Aktienmarkt, heute fast größer als die New Yorker Stock Exchange, spielte damals keine Rolle. Die dort gelisteten Intel- und Microsoft-Aktien kosteten mit rund 50 Cent Bruchteile von heute und waren weitgehend unbekannt. Berühmt waren damals nur IBM, Digital Equipment, Hewlett-Packard, Unisys, Apple, Wang, Data Point und Commodore.

Alle galten zu einem gewissen Grad als erstklassige und begehrte Aktienanlagen. Commodore verkaufte von seinem Heimcomputer C64 rund 17 Millionen Stück und landete mit dem Amiga 1985 noch mal einen großen Wurf. Pionier Data Point präsentierte erstmals ein Schema zur Verkopplung einer Reihe kleiner Prozessoren, wurde jedoch von der Konkurrenz überholt, wie auch Commodore und Wang. Die Aktien verschwanden in der Versenkung.

Anders Branchenprimus IBM, der Anfang der 90er Jahre eine Restrukturierung absolvierte und unverändert ein erstklassiges Investment ist. Gleiches gilt für das beständige Hewlett-Packard-Papier. Apple und Unisys kämpften länger mit Verlusten, erholten sich ab Mitte der 90er Jahre ebenfalls. DEC wurde 1998 von Compaq übernommen; in der Firmenehe kriselt es noch.

Richtig viel Geld mit der alten Garde an der Börse zu verdienen war also nicht immer einfach. Inzwischen gibt es jedoch jede Menge vielversprechender High-Tech-Aktien. Besonders von den in den 80er Jahren noch unbedeutenden jungen Companies konnte man enorm profitieren. Grob unterteilt laufen sie in den Rubriken Hardware und Peripherie, Software und Service sowie Computerchips.

Unglaubliche Höhenflüge

Viele Unternehmen sind inzwischen "Mischlinge". So wird IBM unter den Hardwaretiteln gelistet. Dabei stammen an die 25 Prozent des Umsatzes und noch mehr vom Gewinn aus dem Software- und Servicegeschäft. Und mehr als 20 Prozent der Erlöse sind internetbezogen. Demzufolge ist IBM auch eine Software- und Internet-Aktie. Eine genaue Zuordnung ist oft nicht möglich. Wichtiger ist ohnehin das jährliche Wachstum von Umsatz und Ertrag. Das bestimmt im wesentlichen den Börsenkurs. Je höher die prozentuale Zunahme, desto teurer darf die Aktie sein.

Die eigentliche Hochphase der IT-Aktien begann mit dem Siegeszug des Personal Computers und der Vernetzung. Den ganz großen Kick lieferten die neue Multimedia-Welt und natürlich das Internet in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Die Kursgewinne mit den jeweiligen Favoriten sind gigantisch (siehe Tabelle).

Selbstläufer von Anfang an waren sie nicht. Bis sie sich etablierten, vergingen mehrere Jahre. Die Intel-Aktie führte bis 1994 praktisch ein Schattendasein. Die Höhenflüge von Microsoft und Cisco begannen erst 1995. Davor dümpelten die Kurse jahrelang vor sich hin. Der Kurs des größten Online-Providers America Online pendelte von 1992 bis 1997 zwischen einem und fünf Dollar. Danach schoß er bis auf 200 Dollar hinauf. Gegenwärtiger Stand: rund 100 Dollar. Bei Dell dauerte es zehn Jahre, bis der Knoten platzte. 1989 belief sich der Umsatz gerade mal auf 388 Millionen Dollar, an Gewinn wurden fünf Millionen erzielt. Heute verzeichnet man Einnahmen von 25 Milliarden Dollar und einen Profit von zwei Milliarden. Für die Dell-Papiere, die man 1996 noch zu 70 Cent kaufen konnte, muß man derzeit 40 Dollar berappen.

Die enorme Bedeutung der IT-Unternehmen für die Börse macht ihre Bewertung sichtbar (Unternehmenswert oder Börsenkapitalisierung gleich Anzahl der Aktien multipliziert mit aktuellem Börsenkurs). Unter den zehn teuersten Konzernen aller Branchen rangierten per Juli 1999 Microsoft (446 Milliarden Dollar Börsenwert), IBM (227 Milliarden), Cisco (203 Milliarden), Lucent (198 Milliarden) und Intel (191 Milliarden) auf den Plätzen eins, drei, fünf, sechs und acht. Vor drei Jahren war keiner der jetzigen Giganten unter den ersten zehn zu finden. (kk)

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