"Frührente ist Vergeudung von Humankapital"

01.11.2001
Immer mehr Arbeitnehmer gehen in den Vorruhestand - mehr oder weniger freiwillig. Das sei eine Verschwendung von wertvollen Ressourcen, kritisiert das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft und fordert eine Offensive für die Qualifizierung für die Senioren in der Arbeitswelt.

Während Politiker heute schon über die Heraufsetzung des Rentenalters diskutieren, werden immer mehr Bundesbürger in den Vorruhestand geschickt. Nur noch 39 Prozent der 55- bis 65-Jährigen sind in Deutschland berufstätig, in den USA sind es dagegen 60 Prozent und in der Schweiz sogar mehr als 70 Prozent. Nahezu jeder dritte Arbeitslose ist über 50, rund 54 Prozent der älteren Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose.

Manfred Scholz, Vorsitzender des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft, hält das für eine "Vergeudung von wertvollem Humankapital". Es könne nicht angehen, dass die deutsche Wirtschaft auf der einen Seite händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften sucht, auf der anderen Seite aber auf erfahrene Mitarbeiter verzichtet, obwohl diese noch etliche Jahre eine wichtige Rolle spielen könnten.

Damit gehe den Unternehmen auch wertvolles Know-how verloren. Scholz fordert daher einen Wandel in der Gesellschaft: weg von der Kultur der Frührente und hin zur "Kultur der Spätrente". Statt die Senioren als unnütze Dinosaurier in die Frührente zu schicken, sollte mehr in deren Fort- und Weiterbildung investiert werden.

Die Kritik von Scholz richtet sich nicht nur an die Wirtschaft, sondern auch an den Staat. Von den mageren 5,2 Milliarden Mark, welche die Bundesanstalt für Arbeit aus ihrem 102-Milliarden-Säckel für Weiterbildung zur Verfügung stellt, entfielen nur ein Prozent auf die über 55-Jährigen und ganze fünf Prozent auf die 50- bis 55Jährigen. Die Überregulierung des deutschen Arbeitsmarktes sei eine der Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit, die dann mit viel Geld in Form von Lohnersatzleistungen kompensiert werden müsse.

Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften sind gefordert

Stattdessen müssten die staatlichen Mittel für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kräftig aufgestockt werden, um die Qualifizierung und Wiedereingliederung älterer Mitbürger im Berufsleben stärker als bisher zu fördern. Schließlich sollte das Thema auch Teil der Tarifpolitik sein. Konterkariert werde das Unterfangen jedoch durch das gerade erst verabschiedete Altersteilzeitgesetz.

www.bbw.de

ComputerPartner-Meinung:

Die Diskrepanz zwischen Fachkräftemangel auf der einen und der grassierenden Frühverrentung auf der anderen Seite ist ein Unding. Auch oder gerade in der jugendverliebten IT-Branche wird zu wenig für die Fort- und Weiterbildung der älteren Mitarbeiter getan. Stattdessen fallen sie Rationalisierungsmaßnahmen oft als Erste zum Opfer. (kh)

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