Stationärer Handel unter Druck

Für Conrad ist die Digitalisierung alternativlos



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Conrad Electronics treibt die Digitalisierung seiner Filialen voran. Doch die stationären Umsätze und das Betriebsergebnis bleiben rückläufig. Wie geht es nun weiter?
Die bislang letzte digitale Innovation von Conrad: Verkaufsroboter Alex in berlin-Schöneberg
Die bislang letzte digitale Innovation von Conrad: Verkaufsroboter Alex in berlin-Schöneberg
Foto: Conrad

Die Integration von digitalen Features in die Filialen von Conrad Electronic geht weiter voran: In seiner Filiale in Berlin Schöneberg präsentierte das Unternehmen zuletzt einen neuen Verkaufsroboter, im Sommer wurde die IoT-Plattform Conrad Connect lanciert und zudem adressiert man weiterhin auch mit stationären Angeboten die Maker-Szene.

Das alles zeichnet das Bild eines Vorreiters in Sachen Handelsdigitalisierung. Doch die Modernisierung der Geschäfte ist teuer und lässt die Profitabilität von Conrad immer weiter sinken. So stagnierte der Umsatz im bislang letzten einsehbaren Geschäftsjahr 2017 bei 1,07 Milliarden Euro während das Betriebsergebnis um ganze 66 Prozent weiter auf 9,1 Millionen Euro zurückging.

Zieht man die Zahlen des jährlichen Onlineshop-Rankings von EHI heran, dürfte der stationäre Umsatz von Conrad in dem Jahr um rund zehn Prozent zurückgegangen sein. Zudem wurde Mitte 2019 die Filiale in Hamburg-Altona geschlossen und das Ladennetz von Conrad zählt nun nur noch 20 Standorte.

Ralf Bühler ist seit Anfang 2019 Chief Sales Officer B2B bei Conrad
Ralf Bühler ist seit Anfang 2019 Chief Sales Officer B2B bei Conrad
Foto: Conrad

Das stationäre Konzept auf dem Prüfstand

Die Voraussetzung für die weitere Wandlung zum kanalübergreifend-digitalen Händler sind bei Conrad also alles andere als optimal, das bestätigt auch Ralf Bühler, seit Anfang 2019 Chief Sales Officer B2B bei dem Elektronikhändler. "Es ist klar, dass das stationäre Geschäft unter Druck ist." Das unveränderte Filialmodell wie früher könne Conrad nicht einfach fortführen. "Man muss sich überlegen, welche Ladenkonzepte und -Größen heute Sinn machen."

Den aus einer E-Commerce-Richtung geäußerten Vorschlag, die Läden einfach zuzumachen und sich ganz auf das weiter wachsende Online-Geschäft - das laut EHI bereits mehr als die Hälfte den Conrad-Umsätze ausmacht - zu konzentrieren, hält Bühler für nicht praktikabel: "Das geht schon deshalb nicht so leicht, weil nicht klar ist, ob Kunden ohne die Geschäfte genauso bei uns weiter bestellen würden. Wir sehen hier erhebliche Abstrahleffekte."

Conrad habe vor diesem Hintergrund eine klar definierte Firmenstrategie: "Wir wollen ein Multichannel-Händler bleiben und der stationäre Handel zählt dazu klar als Teil unserer Markenkompetenz." Aber die Zeiten, in denen Conrad einen Ausbau seiner Filialen plane, seien vorbei - schließlich wolle das Unternehmen seine Geschäftszahlen anders gestalten als sie heute seien. "Unsere Strategie heißt heute B2B first und das wollen noch stärker auch in die Filialen bringen. Der digitale Handel ist Teil dieser Lösung." Deshalb müsse Conrad die Filialen weiter mit Zusatzservices aufwerten wie Dienstleistungen, 3D-Druck oder Pick-up-Möglichkeiten. "Dann hat Stationär einen Vorteil", so Bühler.

Die Multichannel-Pilotfiliale von Conrad in Berlin Schöneberg
Die Multichannel-Pilotfiliale von Conrad in Berlin Schöneberg
Foto: Conrad

Digitale Investitionen beginnen sich auszuzahlen

Für die Schaffung seines B2B-Marktplatzes oder der IOT-Plattform Conrad Connect hat der Elektronikhändler in den vergangenen Jahren beträchtliche Investitionen getätigt. "Nachdem diese Grundlagen gelegt sind, ergeben sich inzwischen immer spürbarere Mehrumsätze", berichtet Bühler. Auch die digitale Regalverlängerung durch Terminals wie in der Conrad-Pilotfiliale in Berlin-Schöneberg biete weiterhin Mehrwerte.

"Zum einen helfen sie Kunden, die Informationen zu den Produkten suchen, zum anderen beschleunigen sie auch den Bestellvorgang, was vor allem für B2B-Kunden, die weniger eine besondere Kundenexperience suchen, sondern schnelle Bestell- und Abholvorgänge wünschen ein großer Vorteil ist". Erklärt Bühler. Andere Projekte, wie zuletzt der Verkaufsroboter Alex dienten eher der Kundenexperience.

"Damit wollen wir unsere Kunden begeistern und ihnen zeigen, dass wir ein Unternehmen sind, das früh darauf achtet, was sich an technischen Innovationen tut. Solche Projekte müssen nicht direkt Verkaufsschlager sein, sondern zahlen für uns als Technikhändler in erster Linie auf die Markenwahrnehmung ein."

Daneben finde Digitalisierung bei Conrad heute auch auf unterschiedlichen Ebenen der Betriebsorganisation statt, wie bei der Automatisierung eigener Prozesse oder beim Strukturwandel hin zu einem agilen Unternehmen. Die Innovationen für das stationäre Geschäft seien demgegenüber eher an der Peripherie angesiedelt. Insgesamt verfolge Conrad nach einigen Jahren Handelsdigitalisierung heute eine differenzierte Betrachtungsweise: "Bei diesen Digitalisierungsmaßnahmen fragen wir uns kontinuierlich, wie sinnhaft das für unsere Wertschöpfung ist. Ob das, was wir an digitalen Innovationen machen, mit dem Kern unseres Geschäftsmodells zu tun hat und auch den entsprechend auf unseren Geschäftserfolg einzahlt."

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