Für den Handel ist die Situation unbefriedigend

10.01.1998

MÜNCHEN: Nachdem den Handheld-PCs der rechte Durchbruch bisher nicht gelungen istcheint nun Schwung in den Markt der Klein- und Kleinstcomputer zu kommen. Microsoft-Boß Bill Gates deklariert das Betriebssystem Windows CE zur Chefsache, und Hauptkonkurrent Psion schließt Allianzen mit mobilen Kommunikationsanbietern.Glaubt man Prognosen der Marktexperten, dann erfahren die bisher als Spielzeuge belächelten Handheld-Computer innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre einen wahren Boom. Nach den Analysen der International Data Corporation (IDC) sollen sich die Stückzahlen von drei Millionen Geräten 1997 auf weltweit 13 Millionen verkaufte Minirechner im Jahr 2001 mehr als vervierfachen. Durch die wachsende Zahl an verfügbarer Software und laufenden Verbesserungen an den Hardwareplattformen, könnten die Handheld-PCs schon bald zum Massenprodukt avancieren. Die Studien beinhalten allerdings auch die als Personal Digital Assistants (PDAs) oder Palm-PCs bezeichneten Minis. Während sich der Consumer-geprägte Markt für die vergleichsweise günstigen "Taschenterminplaner" (Preisklasse: zwischen 350 und 700 Mark) recht einfach knacken zu lassen scheint, gestaltet sich diese Aufgabe für den Absatz der professionell ausgerichteten Handheld-Computer wesentlich schwieriger.

In diesem Segment kämpfen Handheld-Pionier Psion mit dem herstellereigenen Betriebssystem "Epoc" und Microsoft mit seiner radikal abgespeckten Windows-Oberfläche "Windows CE" um die Gunst der Kunden. Obwohl sich beide Fraktionen nach außen hin siegessicher geben, herrscht nach der Ansicht von Branchenkennern momentan ein Patt. "Psion hat die bessere Software, dafür ist die Hardware anfällig - Windows CE bietet zwar die leistungsfähigere Hardwareplattform, jedoch weist die Software Mängel auf", beschreibt Wolfram Herzog, Geschäftsführer bei der Yellow Computing Computersysteme GmbH in Bad Friedrichshall, einem Spezialisten auf dem Gebiet der Entwicklung und Distribution von Software für Palmtops und Electronic Organizern, das vorläufige Unentschieden. Zudem stuft Herzog speziell den deutschen Markt als schwieriges Terrain für die Minirechner ein: "In Amerika und England sind die Kunden weniger anspruchsvoll und übersehen großzügig Fehler bei Hard- oder Softwaredesign. In Deutschland funktioniert der Markt anders. Großkunden wollen für den Einsatz von Handheld-PCs individuell auf ihr Unternehmen abgestimmte Software. Die Gerätehersteller, wie beispielsweise auch Psion, sind momentan aber nur auf die Vergrößerung ihrer Marktanteile aus. Diese Gewichtung geht klar zu Lasten der Softwarequalität." Nach Schätzungen von Experten gibt der Markt der Handheld-PCs 1998 nur etwa 50.000 bis 60.000 Einheiten her. Bei solch niedrigen Stückzahlen bleibt für die Anbieter nicht viel Luft zum Geldverdienen. Der Geschäftsführer schätzt die Zahl der Großprojekte in diesem Segment in Deutschland auf maximal fünf bis sechs pro Jahr, bei denen sich zu allem Übel auch noch sämtliche Anbieter einen ruinösen Preiskampf liefern.

Mit Telekommunikationsanbieter zum Erfolg

Rückenwind könnte Psion durch ein kürzlich eingefädeltes Joint-venture mit den führenden Hardwarefabrikanten aus der mobilen Kommunikationsindustrie - Ericsson, Motorola und Nokia - erhalten. Unter dem Namen "Symbion" will das Konsortium einen neuen Industriestandard für mobile Informationsgeräte schaffen. Als Basis für den Standard dient das Psion-Betriebssystem Epoc-32. Psion-Deutschland-Geschäftsführer Hans Stadler geht davon aus, daß in etwa vier Jahren in praktisch allen verkauften Mobilfunkgeräten mit Kommunikationsfähigkeiten Epoc-32 seinen Dienst verrichtet. Die multifunktionalen Handys sieht der Psion-Mann allerdings nicht als Handheld-Ersatz sondern als Ergänzung: "Wir gehen von einer Two-box-solution aus. Danach wird der Handheld-PC den herkömmlichen papierbasierenden Timer ersetzen und bei Bedarf mit dem Handy zwecks Übertragung von E-Mails oder zum Versenden von Faxen kommunizieren."

Hoffen auf Microsoft

Unbestritten läuft Windows CE für Microsoft bisher nicht annähernd wie geplant. Die Hardwarefraktion, vertreten durch Hersteller wie Compaq, Hewlett-Packard, NEC, Philips oder Sharp, vertraut auf Marketing und Know-how des Softwareriesen aus Redmond. "Der Wettbewerb hat kurzfristig davon profitiert, daß Windows CE im Anfangsstadium nicht verfügbar war. Nun sitzen aber bei Microsoft 700 Entwickler, die sich ausschließlich um dieses Produkt kümmern", berichtet Klaus-Peter Brück, Produktmanager für Handheld-PCs bei der Compaq Computer GmbH in Dornach. "Allein dadurch, daß sich Compaq als führender PC-Hersteller in diesen Markt einklinkt, werden CE-Produkte eine zunehmende Bedeutung gewinnen", glaubt Brück zu wissen. Probleme, wie extrem kurze Akku-Standzeiten und mangelhafte Umsetzung der abgespeckten Office-Applikationen bei den CE-Geräten, werden auf Nachfrage schnell unter den Tisch gekehrt. "Wer arbeitet schon länger als zwei Stunden nonstop an seinem Gerät" oder "Wer tauscht schon aufwendige Excel-Tabellen zwischen Desktop- und Mini-PC aus", sind beliebte Argumente gegen die Schwächen der Geräte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß nur Psion das Logo "Designed for Microsoft Windows NT/95" verwenden darf.

Leidtragender des Wettstreites konkurrierender Systeme ist wie so oft der Handel. Produktzyklen von teilweise unter sechs Monaten, Hersteller die von eigenen Betriebssystemen plötzlich zu Windows CE wechseln (Sharp) und ein immer unüberschaubareres Angebot an Geräten und Zubehör bei kaum wachsenden Verkaufszahlen machen die Handheld-Rechner nicht gerade zum Lieblingskind der Wiederverkäufer. (akl)

1997 teilte sich der westeuropäische Handheld-Markt im wesentlichen unter Psion und 3Com auf. Der "Newton" von Apple ist inzwischen vom Markt verschwunden.

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