Für Nebenjobber bleibt nur noch gut die hälfte des Lohns

20.05.1999

MÜNCHEN: Daß heftig an der 630-Mark-Regelung geschraubt wurde, ist schon mehrfach durch die Presse gerauscht. Wem - und an welcher Stelle - diese Änderungen weh tun, umreißt der folgende Beitrag.Um es gleich vorweg zu sagen: Bei der Neuregelung der sogenannten 630-Mark-Jobs gibt es Gewinner und Verlierer. Die Verlierer sind wohl kräftig in der Überzahl. Blieben für den Arbeitnehmer bis vor kurzem von den verdienten 630 Mark auch effektiv 630 Mark im Geldbeutel, so änderte sich dies für viele nach dem 1. April 1999.

Vorteile haben all diejenigen, die einen 630-Mark-Job bei nur einem Arbeitgeber haben. Hier zieht auch der Arbeitgeber Vorteile. Unter dem Strich zahlt er für diese Nebenjobber zukünftig etwas weniger. Auch für die Mehrzahl der Rentner, die über keine allzu hohe Rente verfügen, ändert sich finanziell kaum etwas.

Anders sieht die Rechtslage aber für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus, wenn der Arbeitnehmer sein Einkommen aus der Hauptbeschäftigung durch einen Nebenjob aufbessern will. Ein solcher Nebenverdienst wird sich künftig kaum noch lohnen. Der bürokratische Aufwand des Arbeitgebers steigt in einem solchen Fall drastisch. Verlierer kann aber auch der Staat selbst sein, wenn den Sozialkassen nicht der erhoffte Beitrag zufließt und die pauschalierte Lohnsteuer wegfällt. Im Ergebnis könnte die Steuermoral noch weiter sinken, während der bürokratische Aufwand durch die Neuregelung steigt.

Die Neuregelungen im einzelnen

Kurzfristig Beschäftigte: An der Unterscheidung von geringfügig Beschäftigten und kurzfristig Beschäftigen (Aushilfskräfte) wird weiter festgehalten. Wird die Beschäftigung nur kurzfristig ausgeübt, wie zum Beispiel von Schülern oder Studenten, also innerhalb eines Jahres längstens für zwei Monate oder 50 Arbeitstage, ändert sich nichts. Sozialversicherungsbeiträge sind weiterhin nicht zu bezahlen. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen von Vereinen sind ebenfalls kein Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung.

Geringfügig Beschäftigte: Die neue Gesetzesänderung gilt nur für die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Dies sind solche, bei denen die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt im Monat 630 Mark nicht übersteigt. Diese Regelung gilt nun einheitlich in den neuen und alten Bundesländern. Es erfolgt keine jährliche Dynamisierung mehr entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung.

Sozialversicherungspflicht: Künftig sind Beschäftigte mit einem Verdienst bis 630 Mark monatlich sozialversicherungspflichtig. Dabei sind mehrere Beschäftigungsverhältnisse zusammenzurechnen. Es spielt keine Rolle, ob es sich um geringfügig entlohnte oder um weitere versicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Die Versicherungspflicht gilt auch, wenn Beschäftigungen bis zu 630 Mark neben einer bereits versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt werden. Wer also als Arbeitnehmer in seinem Hauptberuf monatlich 4.000 Mark brutto verdient und daneben noch eine geringfügige Beschäftigung mit 630 Mark ausübt, hat jetzt für das gesamte Arbeitseinkommen von 4.630 Mark Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen und dieses Einkommen auch insgesamt zu versteuern. Der Arbeitnehmer wird damit praktisch demjenigen annähernd gleichgestellt, der 4.630 Mark bei einem einzigen Arbeitnehmer verdient.

Lohnsteuerfreistellung: Arbeitnehmer mit einem 630-Mark-Job ohne sonstiges Arbeitseinkommen können sich vom Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung ausstellen lassen. Damit darf der Arbeitgeber keine Steuer vom Teilzeitverdienst abziehen. Teilzeitkräfte, die ihrem Arbeitgeber keine Freistellungs-bescheinigung vorlegen, werden dadurch steuerpflichtig. Der Arbeitgeber muß dann die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI abziehen und an das Finanzamt abführen, und zwar zusätzlich zu den pauschalen Sozialversicherungsbeiträgen.

Besteuerung nach Lohnsteuerkarte: Arbeitnehmer, die mehrere Beschäftigungen ausüben, können eine zweite Steuerkarte (Klasse VI) erhalten. Bei 630 Mark Monatslohn bleiben nach Abzug der Steuern und der anteiligen Sozialausgaben dann gerade noch rund 370 Mark übrig. Günstiger für den Arbeitnehmer ist es, wenn der Arbeitgeber bereit ist, freiwillig die Pauschalsteuer von 22 Prozent wie bisher zu bezahlen. Dann verbleiben ihm von den 630 Mark noch rund 520 Mark im Monat. Allerdings steigt in diesem Fall dann aber die Kostenlast des Arbeitgebers gewaltig an. In den Steuerklassen I bis III (wenn der Ehegatte kein Einkommen bezieht) ist der 630-Mark-Job steuerfrei.

Rentenversicherung: Der Arbeitgeber hat in Zukunft für geringfügig Beschäftigte einen Pauschalbeitrag von zwölf Prozent des Arbeitsverdienstes an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Hieraus erwachsen dem beschäftigten Arbeitnehmer entsprechend der Beitragszahlung eingeschränkte Rentenvorteile. Wird so beispielsweise eine geringfügig entlohnte Beschäftigung mit einem Verdienst von 630 Mark ein ganzes Jahr lang ausgeübt, erwirbt der Versicherte daraus einen monatlichen Rentenanspruch von zur Zeit 4,17 Mark. Für die Rentenanwartschaft werden 1,4 Monate gutgeschrieben. Die vom Arbeitgeber zu zahlenden Pauschalbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind im übrigen auch dann für den Arbeitnehmer zu entrichten, wenn dieser im Hauptberuf eine versicherungsfreie Beschäftigung (beispielsweise als Beamter) ausübt.

Aufstockung des Rentenbeitrags: Daneben können die Beschäftigten den vom Arbeitgeber gezahlten Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung mit einem eigenen Beitrag von 7,5 Prozent auf den vollen Rentenbeitragssatz aufstocken, mindestens jedoch auf 58,50 Mark. Nach einem Jahr erwächst daraus ein Rentenanspruch von 6,79 Mark monatlich; außerdem werden 12 statt nur 1,4 Versicherungsmonate gutgeschrieben. Mit diesem freiwilligen Zusatzbeitrag erwerben die Beschäftigten volle Leistungsansprüche in der Rentenversicherung, also auch eine Anwartschaft auf Leistungen bei Rehabilitation und den Schutz bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Über diese Möglichkeit muß der Arbeitgeber den geringfügig Beschäftigten aufklären.

Krankenversicherung: Zukünftig hat der Arbeitgeber weiter Pauschalbeiträge von zehn Prozent des Arbeitsentgelts an die Krankenversicherung für die geringfügig Beschäftigten zu zahlen, wenn diese Arbeitnehmer bereits in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, sei es als ordentliches Mitglied, sei es als Familienversicherter (Schüler, Hausfrauen). Ansprüche für den Versicherten entstehen dadurch aber nicht, weil der Versicherte bereits vollen Krankenversicherungsschutz hat. Ausgenommen von dieser Pauschalbeitragspflicht des Arbeitgebers an die gesetzliche Krankenversicherung sind nur diejenigen geringfügig Beschäftigten, die nicht gesetzlich krankenversichert oder privatversichert sind (beispielsweise Beamte).

Meldepflicht: Alle 630-Mark-Jobs müssen von den Arbeitgebern über die Krankenkassen bei den Sozialversicherungsträgern jetzt angemeldet werden. Zuständig ist die Krankenkasse, bei der der Arbeitnehmer versichert ist oder letztmalig versichert war. Bei Arbeitnehmern, die noch nie einer gesetzlichen Krankenkasse angehört haben, kann der Arbeitgeber die Krankenkasse wählen. Damit gilt für geringfügig Beschäftigte das normale Meldeverfahren, das auch die Jahresmeldung umfaßt. Nur für kurzzeitige Jobs (bis zu zwei Monaten beziehungsweise 50 Arbeitstagen) entfallen auch diese Jahresmeldungen.

Resümee: Für viele wird sich ein Hinzuverdienst künftig nicht mehr lohnen. Gerade derjenige, der einen Hauptberuf hat und im Nebenjob zum Beispiel noch Zeitungen austrägt, wird sich umsehen. Von den ursprünglich 630 Mark bleibt ihm zukünftig nur noch gut die Hälfte übrig. Die Steuerehrlichkeit wird leiden und Schaden nehmen. Zu befürchten ist schon jetzt, daß entweder Verwandte vorgeschoben werden und auf deren Lohnsteuerkarte der Job angemeldet wird, oder aber der Nebenjob versinkt gleich ganz in die Schwarzarbeit. (jlp)

Zur Startseite